OGH 15Os88/20k

OGH15Os88/20k11.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Dezember 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Schriftführers Dr. Koller in der Medienrechtssache der Antragsteller Dr. W***** H***** und H***** H***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG wegen §§ 7 f MedienG, AZ 93 Hv 56/18p des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 9. März 2020, AZ 18 Bs 340/19k (ON 27), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Erste Generalanwältin Mag. Wachberger, der Vertreterin der Antragsteller Dr. Windhager und des Vertreters der Antragsgegnerin Mag. Hermetter, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00088.20K.1211.000

 

Spruch:

 

In der Medienrechtssache der Antragsteller Dr. W***** H***** und H***** H***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG wegen §§ 7 f MedienG, AZ 93 Hv 56/18p, verletzt der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 9. März 2020, AZ 18 Bs 340/19k (ON 27), § 395 Abs 2 StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG).

 

Gründe:

In der Medienrechtssache der Antragsteller Dr. W***** H***** und H***** H***** gegen die Antragsgegnerin K***** GmbH & Co KG wegen §§ 7 f MedienG brachten die Antragsteller beim Landesgericht für Strafsachen Wien gesondert, jeweils in einem eigenen Schriftsatz aber vertreten durch dieselbe Rechtsanwältin selbständige Entschädigungsanträge gegen die Antragsgegnerin ein. Mit Beschluss vom 5. Juni 2018 wurde das von H***** H***** angestrengte Verfahren (AZ 91 Hv 44/18h des Landegerichts für Strafsachen Wien) „gemäß § 37 Abs 1 StPO“ in das Verfahren des Antragstellers Dr. W***** H***** gegen dieselbe Antragsgegnerin (AZ 93 Hv 56/18p des Landesgerichts für Strafsachen Wien), einbezogen (ON 1 S 1).

Im zweiten Rechtsgang wurde die Antragsgegnerin mit (in Rechtskraft erwachsenem) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 4. Juli 2019, GZ 93 Hv 56/18p‑18, nach §§ 7 und 7a MedienG jeweils zur Zahlung einer Entschädigung an die Antragsteller sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG) zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2019 (ON 23) bestimmte das Erstgericht die den Antragstellern (gemeinsam) von der Antragsgegnerin zu ersetzenden Kosten (antragsgemäß) mit 4.617 Euro, wobei es die verzeichneten Kosten für die beiden von den Antragstellern getrennt eingebrachten Anträge auf Zuerkennung einer Entschädigung nach §§ 7 und 7a MedienG für berechtigt erachtete.

Der dagegen gerichteten Beschwerde der Antragsgegnerin gab die Einzelrichterin des Oberlandesgerichts Wien mit Beschluss vom 9. März 2020, AZ 18 Bs 340/19k (ON 27), dahin Folge, dass die Antragsgegnerin den Antragstellern (gemeinsam) nur 3.850,98 Euro zu ersetzen habe, weil die verfahrenseinleitenden, „nahezu wortident(en)“ Anträge für beide Antragsteller „ungeachtet ihrer hier geringgradig unterschiedlichen Betroffenheit zweckmäßigerweise im Sinn des § 395 Abs 2 StPO mit gemeinsamen Schriftsatz einzubringen gewesen“ wären.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Aspekt des genannten Beschlusses richtet sich die von der Generalprokuratur erhobene, den in § 395 Abs 2 StPO enthaltenen Rechtsbegriff der „notwendigen Vertretungshandlungen“ thematisierende Nichtigkeits-beschwerde zur Wahrung des Gesetzes, die zutreffend aufzeigt, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien diesbezüglich mit dem Gesetz nicht im Einklang steht.

Da das MedienG keine besonderen Regelungen zum Kostenersatz im selbständigen Entschädigungsverfahren nach § 8a MedienG enthält, gelten gemäß § 41 Abs 1 MedienG die Bestimmungen der StPO.

§ 393 Abs 4 StPO sieht vor, dass derjenige, dem der Ersatz der Prozesskosten zur Last fällt, (unter anderem) auch alle Kosten der Vertretung zu ersetzen hat.

Nach § 395 Abs 1 StPO hat das Gericht, das in erster Instanz entschieden hat, auf Antrag eines der Beteiligten die zu ersetzenden Kosten mit Beschluss zu bestimmen. Bei der Bemessung der Gebühren ist auch zu prüfen, ob die vorgenommenen Vertretungshandlungen notwendig waren oder sonst nach der Beschaffenheit des Falls gerechtfertigt sind (Abs 2 leg cit).

Notwendig ist eine Vertretungshandlung, wenn sie im konkreten Fall bei ex-ante-Betrachtung durch die Prozesslage und die Verfahrensvorschriften erzwungen wird (vgl [zu § 41 Abs 1 ZPO] Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/I § 41 Rz 20). Die Einschränkung auf notwendige Vertretungshandlungen impliziert, dass bei mehreren möglichen, im konkreten Fall zum selben Ergebnis führenden Vorgangsweisen eines Beteiligten in einem bestimmten Verfahren, die am wenigsten Kosten verursachende zu wählen ist (vgl zum Ganzen Lendl , WK‑StPO §§ 394, 395 Rz 15; siehe auch [zu § 41 Abs 1 ZPO] RIS‑Justiz RS0035774; Bydlinski in Fasching/Konecny 3 II/I § 41 Rz 20).

Die Einbringung eines Antrags auf Zuerkennung einer Entschädigung (hier:) nach §§ 7 und 7a MedienG zählt zu den notwendigen Vertretungshandlungen, weil das selbständige Entschädigungsverfahren nur auf Verlangen des durch die mediale Berichterstattung Betroffenen eingeleitet wird (§ 8a Abs 1 MedienG iVm § 71 Abs 1 StPO).

Im Stadium der Verfahrenseinleitung haben bei der Einschränkung des Kostenersatzes auf die am wenigsten Kosten verursachende Vertretungshandlung allfällige (auch zeitgleich eingebrachte) Anträge anderer Personen gegen den selben Antragsgegner aufgrund derselben Veröffentlichung(en) außer Betracht zu bleiben. Dass mehrere Personen bei sonstigem Verlust eines allfälligen Kostenersatzanspruchs verpflichtet wären, ihre auf die selbe(n) Veröffentlichung(en) bezogenen verfahrenseinleitenden Anträge gegen denselben Medieninhaber gemeinsam in einem Schriftsatz zu stellen, ist aus dem Gesetz nämlich nicht abzuleiten. Denn ein solches Vorgehen stünde gar nicht in der alleinigen Entscheidungsgewalt des jeweils einzelnen Antragstellers, dessen allfälliger Kostenersatzanspruch aber sehr wohl eigenständig zu prüfen ist (zum verfehlten, aber nicht angefochtenen Kollektivzuspruch vgl im Übrigen 17 Os 22/17i, RIS‑Justiz RS0035919). Daran ändert auch nichts, dass die Antragsteller dieselbe rechtsfreundliche Vertretung gewählt haben (vgl in diesem Zusammenhang auch § 9 Abs 2 RAO), die Schriftsätze inhaltlich weitgehend übereinstimmen und die Verfahren bei vorliegender Konnexität vom Gericht gemäß § 37 Abs 1 und 3 StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG) zu verbinden sind.

Die von der Einzelrichterin des Oberlandesgerichts Wien aufgrund einer verfehlten Rechtsansicht vorgenommene Reduktion des Kostenersatzanspruchs der Antragsteller (ersichtlich um den laut Kostenverzeichnis auf eine Antragstellung entfallenden Betrag einschließlich USt und Pauschalgebühr) verletzt daher § 395 Abs 2 StPO.

Da diese Gesetzesverletzung der Antragsgegnerin, der gemäß § 41 Abs 6 MedienG die Rechte des Angeklagten zukommen, nicht zum Nachteil gereicht (§ 292 StPO), war sie nur festzustellen.

Stichworte