European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00022.17I.0925.000
Spruch:
Der Antrag wird abgewiesen.
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 25. Juli 2014, GZ 41 Hv 5/14p‑963, wurden unter anderem die Angeklagten Jürgen H***** und Mag. Kornelia R***** (rechtskräftig) zur ungeteilten Hand verpflichtet, dem Privatbeteiligten Mag. Kurt Ri***** 8.500 Euro binnen 14 Tagen zu zahlen (§§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO).
Mit Schriftsatz vom 4. Februar 2015 (ON 1010) begehrte dieser Privatbeteiligte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Klien, den Ersatz der ihm durch seine Beteiligung in diesem Strafverfahren entstandenen (unter Anschluss eines Verzeichnisses bescheinigten) Kosten.
Das Landesgericht Salzburg bestimmte mit Beschluss vom 26. Februar 2017, GZ 41 Hv 5/14p-1073, die von den Verurteilten Mag. Kornelia R***** und Jürgen H***** zur ungeteilten Hand zu ersetzenden Kosten der Vertretung des Privatbeteiligten Mag. Kurt Ri***** mit 23.079,26 Euro und wies dessen Mehrbegehren ab (§ 395 Abs 1 StPO). Dieser Beschluss wurde den Verteidigern dieser Verurteilten jeweils am 3. März 2017 zugestellt. Er erwuchs Jürgen H***** gegenüber (mit Ablauf des 17. März 2017) unbekämpft in Rechtskraft, während er hinsichtlich Mag. Kornelia R***** vom Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht in Stattgebung deren Beschwerde ersatzlos aufgehoben wurde.
Rechtsanwalt Dr. Dieter Klien vertrat in dieser Strafsache nicht nur den Privatbeteiligten Mag. Kurt Ri*****, sondern sechs weitere Privatbeteiligte (vgl etwa ON 963 S 380; ON 1015).
Nach Ansicht der Generalprokuratur ergeben sich bei Prüfung der Akten erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 26. Februar 2017, GZ 41 Hv 5/14p-1073, zugrunde gelegten Tatsachen. In ihrem analog § 362 Abs 1 Z 2 StPO gestellten Antrag führt sie dazu Folgendes aus:
Das Landesgericht Salzburg bestimmte mit dem angeführten Beschluss die Kosten der Vertretung des Privatbeteiligten Mag. Kurt Ri*****, ohne zu berücksichtigen, dass dessen Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Dr. Dieter Klien, in dem gegen Jürgen H***** und weitere Angeklagte geführten Strafverfahren sechs weitere Privatbeteiligte, nämlich Ruth E***** (17. Opfer), Gerhard G***** (26. Opfer), (die ruhende Verlassenschaft nach) Herbert G***** (28. Opfer), Walter G***** (33. Opfer), (die ruhende Verlassenschaft) nach Manfred H***** (48. Opfer) und Brigitte Ho***** (54. Opfer) vertrat.
Die Höhe der Entlohnung eines Rechtsanwaltes für die Vertretung von Privatbeteiligten im Strafverfahren ist nach dem RATG zu bestimmen (§ 1 Abs 1 RATG; Lendl, WK-StPO §§ 394, 395 Rz 22). Gemäß § 15 RATG gebührt dem Rechtsanwalt, wenn er mehrere Personen vertritt oder mehreren Personen gegenübersteht, abhängig von der Anzahl der von ihm vertretenen Personen eine mit 50 % limitierte Erhöhung seiner Entlohnung. Dem von einem Rechtsanwalt, der mehrere Privatbeteiligte vertritt, vertretenen Privatbeteiligten steht demzufolge Kostenersatz (nur) in einer Höhe zu, die sich aus einer Teilung des um den Streitgenossenzuschlag erhöhten Tarifs durch die Anzahl der Vertretenen ergibt (RIS‑Justiz RS0035919; RL0000177; RI0100004).
Die Bestimmung der Kosten des Privatbeteiligten Mag. Kurt Ri***** durch den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 26. Februar 2017, die die Mehrfachvertretung des diesen vertretenden Rechtsanwalts Dr. Dieter Klien nicht berücksichtigt, obwohl diese aktenkundig war, gereicht dem Verurteilten zum Nachteil.
Da der zitierte Beschluss des Landesgerichtes Salzburg (zur analogen Anwendung der Bestimmung des § 362 Abs 1 StPO auf Beschlüsse vgl Ratz, WK-StPO § 362 Rz 4 und § 292 Rz 16; RIS-Justiz RS0117312 [T4], RS0117416 [T6]) somit auf einer in tatsächlicher Hinsicht (aus dem bekämpften Beschluss nicht ersichtlichen) objektiv falschen Verfahrensgrundlage ergangen ist, kann die dadurch für den Verurteilten entstandene Benachteiligung nur durch eine analoge Anwendung der Bestimmungen über die außerordentliche Wiederaufnahme gemäß § 362 Abs 1 Z 2 StPO durch den Obersten Gerichtshof beseitigt werden.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Der Oberste Gerichtshof macht von der Möglichkeit außerordentlicher Wiederaufnahme in analoger Anwendung des (dem Wortlaut nach auf Urteile beschränkten) § 362 Abs 1 Z 2 StPO Gebrauch, wenn eine letztinstanzliche (also rechtskräftige [vgl dazu 15 Os 111/16m]) Entscheidung eines anderen Gerichts auf einer in tatsächlicher Hinsicht objektiv falschen Verfahrensgrundlage ergangen ist, ohne dass diesem Gericht solcherart ein Rechtsfehler (Verfahrens- oder Begründungsmangel) unterlaufen wäre (RIS‑Justiz RS0117416; Ratz , WK‑StPO § 362 Rz 4).
Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes hinwieder ist Gesetzwidrigkeit, also verfehlte Rechtsanwendung auf einen Lebenssachverhalt (RIS-Justiz RS0117731). Gesetzwidrig kann auch die Bejahung oder Verneinung der für die Rechtsfrage entscheidenden Tatsachen sein, wenn sie aufgrund eines rechtlich mangelhaften Verfahrens zustande gekommen oder mit formalen Begründungsmängeln behaftet ist ( Ratz , WK‑StPO § 292 Rz 7 und 17).
Wie die Generalprokuratur in ihrem Antrag selbst ausführt, war der Umstand, dass Rechtsanwalt Dr. Dieter Klien mehrere Privatbeteiligte vertrat, aktenkundig, wurde im Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 26. Februar 2017, GZ 41 Hv 5/14p-1073, jedoch mit Stillschweigen übergangen. Einen darin liegenden Begründungsmangel (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) bei Annahme der (entscheidenden) Sachverhaltsgrundlage macht die Generalprokuratur als Rechtsfehler jedoch nicht geltend.
Analoge Anwendung des § 362 StPO ist nur bei Vorliegen einer Gesetzeslücke zulässig (vgl Larenz , Methodenlehre der Rechtswissenschaft 6 , 373 und 381; Kramer , Juristische Methodenlehre 5 , 199 und 211). Da die von der Generalprokuratur vermutete Fehlerhaftigkeit des Kostenbestimmungsbeschlusses mit einem gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelf an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (§ 23 StPO), fehlt es bereits an dieser Voraussetzung analoger Rechtsanwendung.
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