European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00168.23V.1121.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1.1. Für das Zustandekommen eines Vertrags ist die Einigung der Vertragsteile über den Vertragsinhalt und die ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung des Abschlusswillens erforderlich (RS0038607). Zum Zustandekommen eines Kaufvertrags genügt grundsätzlich die Einigung über Kaufpreis und Kaufgegenstand. Dass Nebenpunkte nicht besprochen wurden, steht der Annahme des Zustandekommens eines Kaufvertrags nicht entgegen. Die fehlenden Punkte sind vielmehr aus dem Willen der Parteien zu erschließen oder aus dem Gesetz zu ergänzen. War allerdings eine Vereinbarung über offengebliebene – auch unwesentliche – Punkte vorbehalten, kommt der Vertrag erst zustande, wenn sich die Parteien auch darüber geeinigt haben (RS0013973).
[2] Auch beim Liegenschaftskauf, für den dieselben Grundsätze gelten, ist daher der Kaufvertrag grundsätzlich schon dann perfekt, also für beide Vertragsteile voll verbindlich, wenn sie sich – gegebenenfalls auch bloß mündlich – über den Kaufgegenstand und Kaufpreis geeinigt haben (RS0019951; vgl 2 Ob 210/13s; 2 Ob 131/13y mwN). Auch wenn die endgültige Errichtung der Vertragsurkunde in einverleibungsfähiger Form einem späteren Zeitpunkt vorbehalten wurde, tritt die Wirksamkeit eines so geschlossenen Vertrags nicht erst mit der Einhaltung dieser Form ein (vgl RS0017166 [T2, T3]).
[3] 1.2. Für eine Bürgschaftsübernahme ist eine Verpflichtungserklärung mit dem unmittelbar daraus hervorgehenden rechtsgeschäftlichen Willen konstitutiv, für eine fremde Schuld einzustehen (vgl RS0032728). Zudem kennzeichnen eine Bürgschaft Subsidiarität und Akzessorität zur Hauptschuld; sie hängt in ihrem Fortbestand und Erlöschen von der Hauptschuld ab (vgl RS0032137; RS0032169).
[4] Die im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte rechtsgeschäftliche Vertragsübernahme ist ein eigenes Rechtsinstitut und bewirkt, dass durch einen einheitlichen Akt mit Zustimmung aller Beteiligten (RS0032607) nicht nur die Gesamtheit aller wechselseitigen Rechte und Pflichten übertragen wird, sondern dass der Vertragsübernehmer an die Stelle einer aus dem Schuldverhältnis ausscheidenden Partei tritt und deren gesamte vertragliche Rechtsstellung übernimmt, ohne dass dadurch der Inhalt oder die rechtliche Identität des bisherigen Schuldverhältnisses verändert werden (RS0032623; RS0032653; 9 ObA 75/17w mwN); die neue Partei, die in ein Vertragsverhältnis zur Gänze eintritt, setzt die Person der alten Partei fort und hat daher auch für deren schuldhafte Verletzung der sich aus dem Vertrag ergebenden Pflichten einzustehen (RS0117578).
[5] 1.3. Die Frage des Zustandekommens eines Vertrages richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls; dieser Frage kommt regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776 [T37]; vgl RS0042555; RS0044348 [T21]; RS0013973 [T1]).
[6] Auch ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, ist nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Dasselbe gilt auch ebenso für die Beurteilung der Frage, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat (RS0042936 [T36]), wie für Auslegungsfragen über die Erklärungsabsicht (RS0044298).
[7] 2.1. Hier steht fest, dass die Klägerin ein schriftliches Liegenschaftskaufanbot des Erstbeklagten mit von ihr hinzugefügten handschriftlichen Ergänzungen durch Unterfertigung angenommen hat, wobei diese Ergänzungen dem entsprachen, was die Parteien zuvor mündlich besprochen und vereinbart hatten.
[8] 2.2. Der Erstbeklagte hat nach den Feststellungen der Klägerin ein Kaufanbot erstattet, in dem er auch ausgeführt hatte, dass der Ankauf „über eine Projektgesellschaft abgewickelt“ werde und der Verkäufer (die Klägerin) zustimme, dass der Erstbeklagte seine Rechte an jede dritte natürliche oder juristische Person übertragen könne. Der Vertrag mit dem Erstbeklagten kam in der Folge mit der diese Zustimmung der Klägerin ergänzenden Vereinbarung zustande, dass der Erstbeklagte „auch in diesem Falle persönlich für die Zahlung des Kaufpreises [haftet]“. Erst in der Folge wurde die Zweitbeklagte gegründet.
[9] 3.1. Wenn die Vorinstanzen aus diesen Feststellungen rechtlich einen hinreichend bestimmten Vertragsschluss ableiteten, hält sich dies im Rahmen der Rechtsprechung und des den Gerichten im Einzelfall notwendigerweise zukommenden Beurteilungsspielraums.
[10] 3.2. Soweit die Revision der Beklagten ins Treffen führt, im Anbot seien Bedingungen des Erstbeklagten enthalten gewesen, die in den später vorgelegten Vertragsurkunden keinen Niederschlag gefunden hätten, geht sie nicht von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Sachverhaltsfeststellungen aus. Im Übrigen hätte das Nichtvorliegen einer die getroffenen Vereinbarungen vollständig wiedergebenden Vertragsurkunde in einverleibungsfähiger Form an der Zahlungspflicht der Beklagten, die den diesbezüglichen Fälligkeitstermin verstreichen ließen, nichts geändert. Zudem unterblieb die Unterfertigung des Vertrags durch die Zweitbeklagte nach den Feststellungen deshalb, weil sie den Kaufpreis nicht finanzieren konnte.
[11] 3.3. Die Anrufung des Obersten Gerichtshofs erlaubende Rechtsfragen stellen sich hier nicht.
[12] 4. Es kann dahingestellt bleiben, ob es den Beklagten verwehrt war, sich erstmals in der Berufung auf eine allfällige Formunwirksamkeit einer Bürgschaftserklärung (§ 1346 Abs 2 ABGB) zu berufen, weil damit keine Einrede im Sinne des § 482 Abs 1 ZPO geltend gemacht würde und daher – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes – kein Verstoß gegen das Neuerungsverbot vorgelegen sei (vgl 9 Ob 41/12p mwN).
[13] Es gelingt der Revision (die sich in diesem Zusammenhang darauf beschränkt, die Haftung des Erstbeklagten zu bestreiten, jedoch gegen die Inanspruchnahme der Zweitbeklagten – hier und auch sonst – nichts ins Treffen führt) nämlich nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen:
[14] 4.1. Den Erstbeklagten traf zunächst wie jeden anderen Käufer die Pflicht zur Erfüllung des Kaufvertrags mit der ihn persönlich treffenden Hauptpflicht der Kaufpreiszahlung. Ihm kam zwar zusätzlich die vertraglich vereinbarte Möglichkeit zu, seine Rechtsposition zu einem späteren Zeitpunkt auf einen beliebigen Dritten zu überbinden, wobei diese Überbindung für ihn aber insofern keine schuldbefreiende Wirkung haben sollte, als er entsprechend seiner ursprünglich begründeten Verpflichtung aus dem Kaufvertrag der Klägerin auch weiterhin für die Zahlung des Kaufpreises haften sollte.
[15] 4.2. Damit wird aber der Weiterbestand der vertraglichen Verpflichtung des Erstbeklagten gerade unabhängig von der Verpflichtung eines möglichen künftigen Dritten vereinbart. Warum dies als schriftformbedürftige Bürgschaft zu verstehen sein könnte, ist schon mangels des Bestehens einer fremden Schuld, zu der die Verpflichtung des Erstbeklagten zudem subsidiär und von der sie akzessorisch abhängig wäre, nicht nachvollziehbar, zumal die Revision hierzu auch keine näheren Überlegungen anbietet.
[16] 4.3. Dass die Vertragslage angesichts des Umstands, dass primär eine vertragliche Verpflichtung des Erstbeklagten begründet wurde, dahin (so wie im Ergebnis von den Vorinstanzen) zu verstehen ist, dass jene auch die Haftung für die Folgen der Nichtzahlung des Kaufpreises und damit des Nichtzustandekommens des Vertrags umfasst, hält sich im Einzelfall im Rahmen des den Gerichten bei der Vertragsauslegung zukommenden Beurteilungsspielraums.
[17] 4.4. Insgesamt zeigt die Revision auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[18] 5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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