OGH 2Ob194/23b

OGH2Ob194/23b25.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda, Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch Dr. Hans Kulka, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Austausch (Streitwert 32.000 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. Juli 2023, GZ 1 R 22/23x‑44, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00194.23B.1025.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen gaben dem auf Gewährleistung gestützten Austauschbegehren (Austausch des erworbenen Fahrzeugs gegen ein neues Fahrzeug mit gleicher Ausstattung) statt.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die außerordentliche Revision der beklagten Verkäuferin zeigt keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[3] 1. Nach § 932 Abs 2 ABGB idF des aufgrund des Vertragsabschlusses vor dem 31. 12. 2021 (noch) maßgeblichen GewRÄG 2002 (§ 29 Abs  2 VGG) kann der Übernehmer wegen eines Mangels von den in § 932 Abs 1 ABGB genannten Gewährleistungsbehelfen (Verbesserung, Austausch der Sache, angemessene Minderung des Entgelts oder Aufhebung des Vertrags) zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen, es sei denn, dass die Verbesserung oder der Austausch unmöglich oder für den Übergeber, verglichen mit der anderen Abhilfe, mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wäre. Ob dies der Fall ist, richtet sich auch nach dem Wert der mangelfreien Sache, der Schwere des Mangels und den mit der anderen Abhilfe für den Übernehmer verbundenen Unannehmlichkeiten.

[4] 2. Der vom Kläger geltend gemachte Austauschanspruch kommt nach herrschender Ansicht nur bei Gattungsschulden in Betracht (5 Ob 127/11d Pkt 3.1 mwN). Bildet eine vertretbare Sache den Gegenstand des Schuldverhältnisses, so ist im allgemeinen eine Gattungsschuld anzunehmen, sofern nicht besondere Umstände auf einen abweichenden Parteiwillen schließen lassen. Der Kauf eines fabriksneuen, serienmäßig hergestellten Kraftwagens einer bestimmten Marke und Type ist daher im allgemeinen eine Gattungsschuld (RS0019904). Dies gilt nach der Rechtsprechung auch bei Vereinbarung von bestimmten, vom Hersteller angebotenen Zusatzausstattungen (3 Ob 173/15k [zusätzliches Bremssystem]). Besondere, auf einen abweichenden (übereinstimmenden) Parteiwillen hindeutende Umstände, die die Annahme einer Gattungsschuld durch die Vorinstanzen korrekturbedürftig erscheinen ließen, zeigt die Revision nicht auf.

[5] 3. Dass ein Austauschanspruch jedenfalls auf massenhaft produzierte Konsumgüter geringen Werts beschränkt wäre und bei hochwertigen Gütern von vornherein nicht in Betracht käme, ist weder den – von der Revision für ihren Standpunkt ins Treffen geführten – Gesetzesmaterialien (ErläutRV 422 BlgNR 21. GP  17) noch der Literatur (Zöchling‑Jud in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.02 § 932 Rz 31) zu entnehmen. Vielmehr steht dem Übernehmer grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen Verbesserung und Austausch zu. Nach ausgeübter Wahl des Übernehmers liegt es am Übergeber, die Einrede der Unverhältnismäßigkeit zu erheben, wenn er den Übernehmer auf den anderen primären Gewährleistungsbehelf oder die sekundären Gewährleistungsbehelfe verweisen will (RS0128891). Der Wert der mangelfreien Sache spielt – neben anderen Kriterien – nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 932 Abs 2 zweiter Satz ABGB nur im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung eine Rolle. Ein Austauschanspruch ist daher nicht schon deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil es sich um ein hochwertiges Produkt handelt. Aufgrund der klaren Gesetzeslage stellt sich keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (RS0042656).

[6] 4. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger, der der Beklagten bereits drei Verbesserungsversuche eingeräumt hatte, nicht nur auf die sekundären Gewährleistungsrechte beschränkt ist, sondern an der Nacherfüllung festhalten und diese durch den Austauschanspruch geltend machen kann. Die Revision setzt dem bloß die nicht näher begründete Behauptung entgegen, der Kläger sei (dennoch) an seine bereits zugunsten der Verbesserung getroffene Wahl gebunden und könne nun lediglich auf die sekundären Gewährleistungsbehelfe umsteigen. Weshalb das Scheitern von Verbesserungsversuchen bei grundsätzlich möglichem Austausch entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts dazu führen soll, dass der Kläger weiterhin an seine getroffene Wahl innerhalb der primären Gewährleistungsbehelfe gebunden bleibt und der Nacherfüllungsanspruch erlischt, legt die Beklagte aber nicht dar, sodass mangels Auseinandersetzung mit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts keine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird.

[7] 5. Soweit die Revision dem Berufungsgericht eine unrichtige Anwendung der Kriterien der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 932 Abs 2 ABGB vorwirft, übersieht sie, dass das Berufungsgericht eine solche nur hypothetisch durchgeführt und den geltend gemachten Austauschanspruchunabhängig von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung schon deshalb als berechtigt erachtet hat, weil die Beklagte weder willens noch fähig war, die Mängel zu beheben.Die Bekämpfung der – auch die Verhältnismäßigkeit des Austauschanspruchs bejahenden – (hypothetischen) Hilfsbegründung allein vermag aber keine erhebliche Rechtsfrage darzustellen (RS0118709 [T2]).

Stichworte