OGH 7Ob171/23g

OGH7Ob171/23g24.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Daniel Wolff, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. August 2023, GZ 3 R 62/23v‑23, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00171.23G.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger nahm im Jahr 2006 bei der beklagten Bank einen endfälligen Fremdwährungskredit in Schweizer Franken (CHF) im Gegenwert von 110.000 EUR auf, um seine Ex‑Gattin nach der Scheidung auszuzahlen. Vor Unterzeichnung des Kreditvertrags äußerte der Kläger aus eigener Initiative den Wunsch, einen Fremdwährungskredit aufzunehmen. Ihm war klar, dass er den Kredit in CHF aufnimmt und auch in CHF zurückzahlen muss. Das sich dadurch ergebende Risiko einer ungünstigen Kursentwicklung nahm er wohlwissend in Kauf, um in den Genuss günstigerer Zinsen zu kommen. Ihm war auch klar, dass sich je nach Entwicklung des Tilgungsträgers am Laufzeitende des Kredits eine Lücke ergeben könnte, für die er einzustehen hätte.

[2] Nach Unterfertigung des Kreditvertrags wurde dem Kläger auf sein in CHF geführtes Kreditkonto ein Betrag in Höhe von 175.670 CHF aufgrund eines Umrechnungskurses von 1,597 angelastet. Der Kreditbetrag wurde abzüglich einer „Provision“ auf seinen Wunsch hin in EUR auf sein Girokonto ausbezahlt. Zinszahlungen erfolgten vereinbarungsgemäß über Einzug von seinem EUR‑Girokonto.

[3] Dem Kläger wurde der bezughabende Kontoauszug, aus dem sowohl die Kredithöhe in CHF (175.670) als auch der Umrechnungskurs (1,597) einfach ersichtlich waren, nach Abschluss des Kreditvertrags zeitnah übermittelt. Auch in den folgenden Jahren wurde er regelmäßig über den Stand des in CHF geführten Kreditkontos und die Zinsen in CHF sowie über die Entwicklung des Wechselkurses informiert. Jedenfalls für 15 Jahre beanstandete der Kläger weder den Betrag in CHF noch den Wechselkurs.

[4] Die Vorinstanzen wiesen die Begehren des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit bzw Nichtigkeit des Kreditvertrags sowie (in eventu) des Geldwechselvertrags ab.

[5] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision ist nicht zulässig.

[7] 1. Die Vorinstanzen sind, ohne dass der Kläger dem argumentativ entgegentritt, vom Vorliegen eines echten Fremdwährungskredits ausgegangen (vgl 1 Ob 173/21d; 7 Ob 223/22b). Auch ihre Beurteilung, dass dadurch, dass der Kläger sich den Kredit in EUR auszahlen ließ, ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzutrat, steht mit der Rechtsprechung in Einklang (RS0134062).

[8] 2. Ebenso wenig begegnet es Bedenken, dass die Vorinstanzen hier die Bestimmtheit der Kreditvaluta bejaht haben, weil die im Kreditvertrag mit einem Gegenwert von bis zu 110.000 EUR umschriebene Kreditsumme in der Folge im Kontoauszug zum Fremdwährungskonto aufgrund eines Umrechnungskurses von 1,597 mit 175.670 CHF konkretisiert wurde (4 Ob 15/22t; 6 Ob 199/22s; 1 Ob 224/22f ua).

[9] 3. Entfielen bei einem (echten) Fremdwährungskreditvertrag die vom Kläger beanstandeten „Konvertierungsklauseln“ und käme – wie von ihm vertreten – eine Anwendung des dispositiven Rechts (§ 907b Abs 1 ABGB) nicht in Betracht, ist der Kredit (ohne Konvertierung) in der Fremdwährung zurückzuzahlen (4 Ob 15/22t; 1 Ob 224/22f; 5 Ob 143/23z). Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen und könnte auch ohne die beanstandeten Klauseln fortbestehen, wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst besorgen. Der Möglichkeit, die Fremdwährung anderswo zu beschaffen, steht eine Einzugsermächtigung vom EUR‑Girokonto des Klägers schon aufgrund ihrer Widerruflichkeit nicht entgegen (1 Ob 224/22f; 5 Ob 143/23z). Damit besteht auch keine Grundlage für die Annahme, dass mit der Unwirksamkeit des Geldwechselvertrags auch der Fremdwährungskreditvertrag wegfiele; dieser könnte auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden („Trennungsmodell“; RS0134062 [T2, T4]; zuletzt etwa 5 Ob 143/23z). Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht auf dieser Rechtsprechung und ist damit nicht zu beanstanden.

[10] 4. Die auch zum Unionsrecht vorgetragenen Argumente des Klägers zur Aufklärungspflicht gegenüber Verbrauchern über das Wechselkursrisiko bei Fremdwährungskrediten sowie zur Frage der Zulässigkeit der Lückenfüllung im Weg des Ersatzes der Konvertierungsklauseln durch Anwendung dispositiven Rechts sind hier nicht von Relevanz, weil die von ihm abgeschlossenen Fremdwährungskredite wirksam blieben, selbst wenn die Konvertierungsklauseln entfielen (zuletzt etwa 1 Ob 9/22p; 8 Ob 170/22s; 1 Ob 224/22f je mwN).

[11] 5. Es trifft zu, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu C‑212/20 , „A“ S.A., ausgesprochen hat, dass Konvertierungsklauseln in einem Kreditvertrag so formuliert sein müssen, dass sie dem Verbraucher ermöglichen zu verstehen, wie der zur Berechnung der Tilgung des Kreditvertrags verwendete Fremdwährungswechselkurs festgelegt wird. Der Oberste Gerichtshof hat aber in mehreren Entscheidungen darauf hingewiesen, dass daraus nicht auf die Unwirksamkeit des Kreditvertrags geschlossen werden kann und daher an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach der Fremdwährungskreditvertrag auch ohne den Geldwechselvertrag fortbestehen kann (8 Ob 170/22s; 1 Ob 224/22f; 5 Ob 143/23z). Es besteht daher auch kein Anlass, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen. Die entsprechende Anregung des Klägers ist damit nicht aufzugreifen.

[12] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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