OGH 15Os102/23y

OGH15Os102/23y4.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Mag. Maringer als Schriftführerin in der Strafsache gegen * F* wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 12. April 2023, GZ 39 Hv 90/22k-41, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00102.23Y.1004.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Sexualdelikte

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * F*der Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB (I) und nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 207a Abs 1 Z 1 StGB (II a und b) sowie der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in S*

I. im Sommer 2021 bis 22. Oktober 2021 pornographische Darstellungen einer unmündigen Person sich verschafft und besessen, indem er ein Lichtbild, das den am * 2007 geborenen * O* bei der Vornahme der geschlechtlichen Handlung des Handverkehrs an sich selbst zeigte, vom Mobiltelefon des Opfers an sein eigenes Mobiltelefon schickte, auf diesem drei Mal abspeicherte und bis zur Sicherstellung besaß;

II. „zu einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 22. Oktober 2021 den am * 2007 geborenen, somit unmündigen * O* dazu bestimmt, pornographische Darstellungen seiner Person, nämlich reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste, der sexuellen Erregung des Betrachters dienende wirklichkeitsnahe Abbildungen seiner eigenen Genitalien oder seiner Schamgegend in Form von Lichtbildern herzustellen bzw ihm diese zu überlassen, indem

a) er diesen aufforderte, ihm 'nudes' zu schicken, wobei er diesem im Gegenzug Böller verschaffen würde, wobei es beim Versuch blieb;

b) er ihn per WhatsApp-Nachricht aufforderte neue Fotos zu machen und ihm diese zu zeigen, wobei er ihm kurze Zeit vor dieser Nachricht wiederum das unter I. näher beschriebene Lichtbild schickte und die genannte Nachricht unter Bezugnahme auf dieses Lichtbild erfolgte, wobei es beim Versuch blieb“;

III. zwischen Frühjahr 2021 und Oktober 2021 außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vorgenommen, indem er den am * 2007 geborenen * O* insgesamt 15 Mal über der Kleidung am Penis intensiv berührte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

 

Zu I.

[4] Wer sich kinderpornographische Darstellungen verschafft und diese anschließend besitzt, verwirklicht gleichwertige alternative Begehungsformen einer einzigen strafbaren Handlung (hier: § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB; 15 Os 51/15m; 11 Os 60/19m). Indem die Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) behauptende Mängelrüge lediglich die Feststellungen zur Alternative „sich verschaffen“ (US 4), nicht aber auch zum Besitz kinderpornographischer Darstellungen bekämpft, spricht sie keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache an (RIS-Justiz RS0116655 [T16]), womit sie den gesetzlichen Bezugspunkt verfehlt (RIS-Justiz RS0117499).

 

Zu II.

[5] Ebenso aus Z 5 zweiter Fall kritisiert der Nichtigkeitswerber die Feststellungen, wonach er versuchte, das Opfer dazu zu bringen, weitere Masturbationsfotos von sich selbst herzustellen und an ihn zu schicken (US 5). Indem er exemplarisch Nachrichten aus dem von den Tatrichtern ohnedies berücksichtigten (US 9) Chatverkehr zwischen ihm und dem Opfer herausgreift und diese eigenständig im Sinn seines Standpunkts interpretiert, wonach er lediglich versucht habe, das Opfer auf die Gefahren des Internets aufmerksam zu machen, zu provozieren und zu verunsichern, damit dieses aufhöre nach Böllern zu fragen, zeigt er jedoch nicht den behaupteten Begründungsmangel auf, sondern versucht, die Beweiswürdigung nach Art einer in kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung zu bekämpfen (RIS-Justiz RS0099599). Dass das Schöffengericht unter Beachtung des Gebots gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) im Rahmen der Beweiswürdigung nicht jedes einzelne Verfahrensergebnis und jeden Detailaspekt ausdrücklich in alle denkbaren Richtungen analysierte, begründet keine Unvollständigkeit iSd Z 5 zweiter Fall (RIS-Justiz RS0104976, RS0098377 [T1, T7, T20, T25]).

 

Zu III.

[6] Der eine offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) ins Treffen führenden Mängelrüge ist zu entgegnen, dass die Tatrichter die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen, wonach der Angeklagte 15 Mal den Penis des Opfers über der Kleidung berührt hat (US 4), auf die umfassend gewürdigte (US 6 ff) Aussage des Opfers stützten. Dieses deponierte, dass der Angeklagte ihm beim Autofahren „in den Schritt gegriffen“ und die Hand dort „hingelegt“ hätte, bis das Opfer die Hand des Angeklagten „wieder weggezogen“ bzw „weggedrückt“ habe; dies habe jeweils ungefähr eine Sekunde gedauert und sei öfter, geschätzt etwa 15 Mal, vorgekommen (ON 15 S 13 ff). Der Beschwerdeführer macht nicht klar, warum diese Aussage – gemessen an Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS-Justiz RS0118317) – die bezeichneten Konstatierungen nicht tragen sollte.

[7] Der Nichtigkeitswerber versucht in diesem Zusammenhang, die vom Schöffengericht angenommene Bedeutung des vom Opfer verwendeten Begriffs „Schritt“ (vgl US 7) anhand seiner eigenen Angaben, der Deponate des Opfers zur Dauer der Berührungen und einer angeblichen Geste des Opfers in der kontradiktorischen Vernehmung (vgl jedoch RIS-Justiz RS0130728) in „inneren Bereich des Oberschenkels“ umzudeuten und auf solcher Basis zu reklamieren, dass daraus auf „entsprechende (oder intensive) Berührung“ des Geschlechtsteils des Opfers nicht geschlossen werden könne. Damit zeigt er jedoch keine unvollständige oder offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zu Art und Intensität der Berührungen (US 4) auf, sondern kritisiert erneut die Beweiswürdigung nach Art einer Schuldberufung. Gleiches gilt für die Rechtsmittelausführungen, in denen der Angeklagte seine eigenen Angaben der Aussage des Opfers gegenüberstellt und versucht, daraus seinem Standpunkt entsprechende Beweisschlüsse zu ziehen (RIS-Justiz RS0106588, RS0099455 [insb T14], RS0098400 [T10]).

[8] Ebenso wenig stellt der Schluss vom objektiven Tatgeschehen – oftmals wiederholte Griffe auf den Penis des Opfers, dessen Alter ihm bekannt war (US 4, 8) – auf die für die Subsumtion nach § 207 Abs 1 StGB erforderliche subjektive Tatseite (US 4) eine offenbar unzureichende Begründung dar (Z 5 vierter Fall; RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).

[9] Schließlich leitet der Nichtigkeitswerber unter Aspekten materieller Nichtigkeit (der Sache nach Z 9 lit a) nicht aus dem Gesetz ab, warum solche zielgerichteten, sexuell motivierten (US 4: „Der Angeklagte wusste und wollte, dass er durch seine gesetzten Tathandlungen eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vornahm.“) Griffe auf den Penis des unmündigen Opfers über der Kleidung, die – den Feststellungen zufolge (US 4) – mit einer intensiven Berührung des Penis einhergehen, für eine Subsumtion nach § 207 Abs 1 StGB nicht genügen sollten. Von nicht tatbestandsmäßiger Flüchtigkeit kann daher keine Rede sein (RIS-Justiz RS0102141, RS0095186 [insb T2]).

[10] Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb – entgegen der Äußerung (§ 24 StPO) des Nichtigkeitswerbers (zur Zugänglichkeit des Inhalts einer Ton‑ und Bildaufnahme für den Obersten Gerichtshof vgl erneut RIS‑Justiz RS0130728) – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[11] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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