OGH 15Os79/23s

OGH15Os79/23s4.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Oktober 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Sadoghi und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 14. April 2023, GZ 16 Hv 23/23y‑22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00079.23S.1004.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 2./, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen und die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld werden zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (1./ und 3./), des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (2./) und des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB (4./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 3. Jänner 2023 in B*

1./ fremde Sachen beschädigt, indem er einen Altpapiercontainer des Amts der Stadt B* entzündete, wodurch dieser vollständig abbrannte (Schaden am Container: 300 Euro; Beschädigungen eines Holzzauns und des Asphalts: 1.300 Euro);

2./ an fremden Sachen ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst zu verursachen versucht, indem er einen (weiteren) Altpapiercontainer des Amts der Stadt B* entzündete, wodurch dieser vollständig abbrannte und nur durch die Feuerwehr eine weitere Ausbreitung auf ein unmittelbar anliegendes Carport und das darin geparkte Kraftfahrzeug der * P* verhindert werden konnte;

3./ eine fremde Sache beschädigt, indem er einen Müllsack entzündete, wodurch ein Schaden in unbekannter Höhe am Asphalt entstand;

4./ die Polizeibeamten * Me* und * Ma* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme zu hindern versucht, indem er mit den Füßen nach diesen trat und unter Ausübung massiver Körperkraft versuchte, sich aus deren Fixierung loszureißen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Gegen das Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten. Dieser kommt teilweise Berechtigung zu.

Zum berechtigten Teil der Nichtigkeits-beschwerde:

[4] In der Sache zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) auf, dass die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu Schuldspruch 2./ keine hinreichende Subsumtionsbasis für die Annahme des § 169 Abs 1 StGB bieten.

[5] Der (bedingte) Vorsatz des Täters muss sich in dieser Tatbestandsvariante neben der Fremdheit der Sache und der fehlenden Einwilligung des Eigentümers auch auf die Herbeiführung einer Feuersbrunst beziehen (13 Os 24/20h; RIS‑Justiz RS0094899).

[6] Eine Feuersbrunst ist ein ausgedehnter, mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrschbarer Brand gleich einer entfesselten Naturgewalt, der (fremdes) Eigentum in großem Ausmaß erfasst (RIS‑Justiz RS0094944, RS0094826 und RS0105885). Begriffsmerkmale der Feuersbrunst sind daher die Unbeherrschbarkeit und eine gewisse räumliche Ausdehnung des Feuers (Fabrizy/Michel‑Kwapinski/Oshidari, StGB14 § 169 Rz 6).

[7] Konnte der Brand, noch bevor er sich auf weitere Objekte ungehindert ausbreiten und den Umfang und die Intensität eines nicht mehr beherrschbaren Feuers erreichte, rechtzeitig und erfolgreich bekämpft werden, liegt – bei Vorhandensein der subjektiven Tatseite – das Stadium des (beendeten) Versuchs vor (RIS‑Justiz RS0090314 und RS0094987).

[8] Die Tatrichter konstatierten, dass der Angeklagte wusste, dass der Altpapiercontainer, das daran anliegende Carport und das Kraftfahrzeug nicht ihm gehörten, dass er keine Einwilligung der Eigentümer hatte, diese Gegenstände in Brand zu setzen und er es ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass sich das Feuer durch das Entzünden des nahe am Carport abgestellten Altpapiercontainers rasch auf die unmittelbar daneben befindlichen Gegenstände (Carport und Kraftfahrzeug) ausbreiten sowie, dass dadurch „eine konkrete Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß“ entstehen wird (US 6). Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Ansehung der mangelnden Beherrschbarkeit des Feuers mit gewöhnlichen Mitteln wurden nicht getroffen.

[9] Dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erfordert – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die sofortige Aufhebung des Urteils auf die im Spruch ersichtliche Weise bei nichtöffentlicher Beratung und Verweisung der Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Feldkirch (§ 285e StPO).

[10] Ein Eingehen auf die weitere Beschwerdeargumentation zu Schuldspruch 2./ erübrigt sich damit.

[11] Im weiteren Verfahren wird zu beachten sein, dass die Gefährdung bei Verwirklichung der ausdrücklich normierten Tatbestandsmerkmale des § 169 Abs 1 StGB ex lege unwiderleglich vermutet wird, womit dieser Tatbestand insoweit ein abstraktes Gefährdungsdelikt umschreibt (verstärkter Senat 13 Os 24/20h = RIS‑Justiz RS0133325). Unter dem Aspekt hinreichender Subsumtionsbasis folgt daraus, dass Feststellungen, die die Annahme einer konkreten oder (auch nur) potenziellen Gefährdung tragen (so US 6, 11 und 14) nicht erforderlich sind.

 

Zur Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen:

[12] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) verfiel der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag (ON 21 S 15) auf Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass sich der Angeklagte zur Tatzeit im Zustand voller Berauschung befunden habe, da er einen Blutalkoholgehalt von 2,5 Promille gehabt habe, die einschreitenden Beamten deutliche Alkoholisierungszeichen beschrieben hättensowie eine Zeugin von stark schwankendem Gang berichtet habe und er selbst sich nicht an die Festnahme erinnern könne, zu Recht der Abweisung (ON 21 S 15).

[13] Er ließ nämlich nicht erkennen, weshalb der beantragte Beweis trotz der Verantwortung des Angeklagten, wonach er an Alkohol gewöhnt sei und sich zur Tatzeit „noch ziemlich nüchtern gefühlt“ habe (ON 21 S 5), das erwartete Ergebnis erbringen sollte (RIS‑Justiz RS0099453) und lief damit auf einen im Hauptverfahren unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus (RIS‑Justiz RS0118123).

[14] Der bloße Verweis des Antragstellers auf Beweisergebnisse, die bloß eine von den Tatrichtern ohnedies angenommene Alkoholisierung des Angeklagten (US 4 f) indizieren, bezeichnet keine Tatsachengrundlage, die das von ihm behauptete Ergebnis in Form eines die Diskretions‑ und Dispositionsfähigkeit (§ 11 StGB) ausschließenden Rauschzustands erwarten lässt (siehe dazu RIS‑Justiz RS0099453 [T9, T20], vgl auch RS0089898, RS0089822 und RS0089931).

[15] Das ergänzende Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde ist mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0099618).

[16] Insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten – gleichfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – ebenso wie dessen im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehene (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[17] Auf die aufhebende Entscheidung waren die Staatsanwaltschaft ebenso wie der Angeklagte mit der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zu verweisen.

[18] Der Kostenausspruch stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte