OGH 21Ds15/22a

OGH21Ds15/22a28.9.2023

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. September 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als weiteren Richter und durch die Rechtsanwälte Dr. Hofmann und Mag. Wagner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Gindl in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwältin in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzungvon Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt über die Berufung der Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 6. Oktober 2022, GZ DISZ/11‑21‑950.12‑20, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M. und der Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0210DS00015.22A.0928.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte

 

Spruch:

 

Der Berufung wegen Schuld wird nicht Folge gegeben.

Der Berufung wegen Strafe wird Folge gegeben und unter Bedachtnahme auf das Disziplinarerkenntnis des Disziplinarrats der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 24. Februar 2022, GZ DISZ/7‑18, eine (bedingt nachgesehene) Geldbuße von 1.000 Euro verhängt.

Der Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch der Disziplinarbeschuldigten enthaltenden Erkenntnis wurde *, der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten (a./) und der Beeinträchtigung der Ehre und des Ansehens des Standes (a./ und b./) nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie

a./ Rechtsanwalt * P* mit Schreiben vom 23. September 2021 Täuschung und widerrechtliche Vorgehensweise im Rahmen der Exekutionsführung in zwei Exekutionsverfahren vorgeworfen und die Aufrechnung der aufgrund dieser Exekution von ihrer Mandantschaft bezahlten Beträge mit einer anderen Forderung angekündigt;

b./ (im Zeitraum 12. August 2019 bis 17. Jänner 2022 [vgl ES 6]) eine Forderung der B* AG in Höhe von 2.899,50 Euro (samt 434,96 Euro „Nebenforderung“) nicht beglichen, woraufhin gegen sie Klage eingebracht wurde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die Berufung der Disziplinarbeschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen siehe RIS‑Justiz RS0128656 [T1]), der keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Besetzungsrüge (nominell Z 3 sowie im Rahmen der Schuldberufung, der Sache nach Z 1) nimmt Bezug auf ein Besitzstörungsverfahren, in welchem der Vorsitzende des Disziplinarrats als Beklagtenvertreter einschreite und die Berufungswerberin „ständige Rechtsvertretung“ der klagenden Partei sei, im angesprochenen Verfahren aber noch nicht Vollmacht gelegt habe. B* L*, der in „Nahebeziehung“ zur Klägerin stehe, habe im Zusammenhang mit dem betreffenden Verfahren in einem – der Berufung beigelegten – „Artikel“ Vorwürfe gegen den Vorsitzenden erhoben.

[5] Weshalb hieraus die von der Berufung behauptete Befangenheit des Vorsitzenden des Disziplinarrats abzuleiten sei, wird – auch unter Berücksichtigung des ehemaligen Mandatsverhältnisses zwischen der Disziplinarbeschuldigten und B* L* (ES 2 f) – nicht klar.

[6] Das in der Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur hiezu nachgetragene Vorbringen ist schon deshalb unbeachtlich, weil nur eine Berufungsschrift zulässig ist (Lehner in Engelhart et al, RAO11 § 49 DSt Rz 3). Schließlich wird nicht dargetan, weshalb es der Disziplinarbeschuldigten nicht möglich gewesen sein sollte, diese eine Befangenheit des Vorsitzenden im Übrigen ebenfalls nicht indizierenden Ausführungen – im vorliegenden Fall rechtzeitig, weil ihr erst nach der Disziplinarverhandlung bekannt geworden – bereits in die Berufung aufzunehmen (vgl Lehner in Engelhart et al, RAO11 § 49 DSt Rz 6/2).

[7] Entgegen der Kritik der Verfahrensrüge (Z 4), Beweisanträgen der Beschuldigten sei nicht entsprochen worden, sind solche dem Protokoll der Disziplinarverhandlung nicht zu entnehmen (vgl ON 18 S 5 „keine Beweisanträge“).

[8] Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit b) zum Schuldspruch a./ tätige Reue einwendet, leitet sie Bestehen und Verwirklichung eines solchen Strafaufhebungsgrundes nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565).

[9] Nach § 9 Abs 1 RAO sind grundsätzlich alle sachlichen, durch eine entsprechende Information des Mandanten gedeckten Äußerungen des Rechtsanwalts, die er für die Durchsetzung der Ansprüche seiner Partei für dienlich hält, gerechtfertigt, mögen damit auch schwere Vorwürfe gegen den Gegner oder Dritte verbunden sein, nicht aber darüber hinausgehende, nicht sachbezogene, sondern ausschließlich beleidigende, den Charakter des Gegners grob diffamierende Äußerungen (RIS‑Justiz RS0056312). Bei Erhebung allenfalls strafrechtlich relevanter Vorwürfe hat der Rechtsanwalt mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob sein Vorgehen durch § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO gedeckt ist (vgl RIS‑Justiz RS0056073 [insbesondere T9]).

[10] Mit dem sich auf eine glaubwürdige Information durch den betroffenen Mandanten berufenden, gleichzeitig aber ein eigenes Versehen zugestehenden (im Rahmen der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobenen) Vorbringen zu a./ (der Sache nach Z 9 lit b) werden keine Argumente genannt, die die schweren Vorwürfe, deren Prozessdienlichkeit im Übrigen zweifelhaft sind, rechtfertigen würden. Ein exekutives Pfandrecht kann solange begründet werden, als sich der Exekutionstitel gegen den im Grundbuch einverleibten Eigentümer richtet (§ 88 EO iVm § 21 GBG). Wäre der Verpflichtete DI Dr. H* L* zum Zeitpunkt der Begründung der Pfandrechte nicht mehr als Eigentümer im Grundbuch aufgeschienen, hätten die Exekutionsanträge, die die Disziplinarbeschuldigte dem Vertreter der betreibenden Partei als rechtswidrig zum Vorwurf machte, gar nicht bewilligt werden können. Dies hätte der Disziplinarbeschuldigten schon aufgrund rechtlicher Überlegungen von Anfang an klar sein müssen. Nicht nachvollziehbar ist, inwiefern sich das der Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verhalten aus dem Vertrauen auf glaubwürdige Informationen ihres Mandanten als entschuldbar erklären ließe.

[11] Die auf den Schuldspruch b./ bezogene Rüge (der Sache nach Z 9 lit a) legt nicht dar, weshalb aufgrund der (behaupteten) Notwendigkeit, sich aus privaten Gründen auf einen Zivilprozess einzulassen, in der Nichteinhaltung einer Zahlungsverpflichtung kein disziplinäres Fehlverhalten zu erblicken sei.

[12] Die einleitend darüber hinaus angeführten Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 5a (vgl dazu im Übrigen RIS‑Justiz RS0132515 [T1]) und Z 10 StPO werden nur nominell angesprochen.

[13] Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur nicht Folge zu geben.

[14] Der Disziplinarrat verhängte über die Beschuldigte nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 2.000 Euro, die gemäß § 16 Abs 2 letzter Satz DSt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen wurde.

[15] Bei der Strafbemessung wertete der Disziplinarrat als mildernd die schwierige familiäre und gesundheitliche Situation der Disziplinarbeschuldigten im relevanten Zeitraum sowie ihre Entschuldigung im Verfahren AZ DISZ/3‑22, erschwerend hingegen die Häufung der Delikte über einen langen Begehungszeitraum sowie fünf disziplinäre Vorstrafen, von denen drei einschlägig sind. Auch die Sorgepflichten der Disziplinarbeschuldigten und ihre unterdurchschnittliche Einkommens- und Vermögenssituation hat der Disziplinarrat berücksichtigt.

[16] Entgegen der Ansicht der Disziplinarbeschuldigten können die Vorwürfe nicht mehr als nur geringfügig abgetan werden. Vielmehr hat der Disziplinarrat die – zum Teil im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB) zu berücksichtigenden Strafzumessungserwägungen zutreffend erfasst. Es war jedoch gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das inzwischen in Rechtskraft erwachsene, im Spruch genannte Erkenntnis der Salzburger Rechtsanwaltskammer Bedacht zu nehmen, sodass auch angesichts der doch gewichtigen mildernden Umstände mit der Verhängung einer (nach wie vor bedingt nachgesehenen) Zusatzstrafe in Form einer Geldbuße von 1.000 Euro das Auslangen gefunden werden konnte.

[17] Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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