OGH 14Os50/23v

OGH14Os50/23v6.9.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. September 2023 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Maringer in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 17. Februar 2023, GZ 23 Hv 133/22z-25, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0140OS00050.23V.0906.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Amtsdelikte/Korruption

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 15. Oktober 2021 in S* als Beamter (§ 74 Abs 1 Z 4 StGB) mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Ausschluss nicht verkehrs-, betriebssicherer und umweltverträglicher Fahrzeuge von der Teilnahme am Straßenverkehr sowie andere Verkehrsteilnehmer in ihrem Recht auf Sicherheit zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er als zur wiederkehrenden Begutachtung nach § 57a KFG Ermächtigter ein positives Gutachten nach § 57a Abs 4 KFGfür das Kraftfahrzeug der Marke Skoda Fabia mit einem im Urteil bezeichneten behördlichen Kennzeichen ausstellte sowie eine Begutachtungsplakette nach § 57a Abs 5 KFG am Fahrzeug anbrachte, obwohler wusste, dassdieses Fahrzeug schwere Mängel, nämlich starre Bremsleitungen infolge starker Anrostungen und großflächige An- und Durchrostungen der beiden Seitenschweller sowie Durchrostungen im rechtsseitigen Bodenbereich aufwies (US 3), und damit nicht den gesetzlichen Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprach.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 24 S 11) der nachangeführten in der Hauptverhandlung am 17. Februar 2023 gestellten Anträge (ON 24 S 8 f iVm ON 6) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

[5] Denn der Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung des * C* zum Beweis, dass das gegenständliche Kraftfahrzeug „aufgrund der Witterungsverhältnisse und einem Zeitraum von 210 Tagen und über 11.000 gefahrenen Kilometern“ „übermäßig genutzt“ worden sei und der Sachverständige „bei entsprechender Berücksichtigung des Nutzungsverhaltens […] zum Ergebnis gelangt wäre, dass zum Begutachtungszeitpunkt am 15.10.2021 keine schweren Mängel vorgelegen haben“, ließ nicht erkennen, weshalb die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erbringen sollte. Solcherart war er – im Hauptverfahren unzulässig – auf Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS‑Justiz RS0118444, RS0099353).

[6] Zu Recht abgewiesen wurde auch der Antrag auf Einholung zweier weiterer Gutachten, nämlich „eines metallurgischen Sachverständigengutachtens sowie eines Sachverständigengutachtens aus dem Bereich Kfz mit den Kennziffern 17.11 (Reparaturen)“ (zusammengefasst) jeweils zum Beweis dafür, dass die schweren Mängel, die der dem Verfahren beigezogene – nicht als gerichtlich beeideter Sachverständiger für den Fachbereich mit der Kennziffer 17.11 (Kfz‑Reparaturen, Havarieschäden, Bewertung) eingetragene – Sachverständige feststellte, „auf Grundlage ... aller Beweisergebnisse“ zum Tatzeitpunkt noch nicht vorlagen, sondern – aufgrund der äußeren Einwirkungen bei einer gefahrenen Strecke von 11.793 km – erst im (210 Tage dauernden) Zeitraum bis zur Befundaufnahme durch den Experten entstanden, und – in Bezug auf den Kfz‑technischen Sachverständigen – dafür, dass „aufgrund der vom SV * W* gefertigten Lichtbilder und unterlassenen weiterführenden Untersuchungen (Reinigung der Bremsleitungen, damit die Vernarbung an der metallischen Oberfläche festgestellt und eine endgültige Beurteilung überhaupt möglich ist) zum Begutachtungszeitpunkt per 15.10.2015 keine schweren Mängel ... vorlagen“.

[7] Die Rüge übersieht, dass auf (wie hier der Sache nach kritisiert) mangelnde Sachkunde gegründete Einwendungen (§ 126 Abs 4 zweiter Satz StPO) nach Vorliegen eines (schriftlichen) Gutachtens nicht mehr zulässig sind. Die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen kann daher nur mehr im Rahmen eines Verbesserungsverfahrens nach § 127 Abs 3 StPO erwirkt werden. Ein diesbezüglicher Antrag muss aber die in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführten Mängel im Befund oder im Gutachten (vgl dazu RIS-Justiz RS0127941, RS0127942; Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 35 ff) unter substanziierter Auseinandersetzung mit den vom Sachverständigen vorgenommenen Modifikationen und Ergänzungen schlüssig darlegen (RIS-Justiz RS0117263, RS0115712 [T10], RS0102833; 14 Os 141/20x mwN).

[8] Diesen Anforderungen entsprach das Antragsvorbringen mit der unter Verweis auf die Ausführungen im schriftlichen Beweisantrag (ON 16) sowie das diesem angeschlossene Privatgutachten (vgl erneut RIS‑Justiz RS0127941) aufgestellten Behauptung, das vorliegende schriftliche Gutachten des Sachverständigen * W* (ON 12) sei bereits zufolge Fehlens einer „Dokumentation der Bremsreinigung ... unschlüssig und nicht nachvollziehbar“, schon deshalb nicht, weil dabei die – auf sämtliche der angesprochenen Aspekte eingehenden – ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen der Gutachtenserörterung in der Hauptverhandlung (ON 24, 4 ff) außer Acht gelassen wurden (vgl auch US 5 ff).

[9] Das die Anträge umfangreich ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das sich aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS-Justiz RS0099618).

[10] Zur subjektiven Tatseite stellte das Erstgericht fest (US 3 f), dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Begutachtung nach § 57a KFG wusste, dass er durch die Ausstellung des (positiven) Gutachtens unter unvertretbarer Missachtung zwingender rechtlicher Vorgaben seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, zumal er von den gegenständlichen schweren Mängeln am Fahrzeug wusste. Er wusste weiters, dass er aufgrund des Vorliegens dieser schweren Mängel nicht befugt war, ein positives Gutachten auszustellen und eine Begutachtungsplakette am Fahrzeug anzubringen, weil das Fahrzeug nicht den Erfordernissen der Verkehrs- und Betriebssicherheit entsprach. Er hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass er durch die Tathandlung den Staat an seinem Recht auf Ausschluss nicht verkehrs-, betriebssicherer und umweltverträglicher Kraftfahrzeuge von der Teilnahme am Straßenverkehr sowie den Fahrzeuglenker und andere Verkehrsteilnehmer an ihrem Recht auf Sicherheit schädigt.

[11] Diese Konstatierungen leiteten die Tatrichter – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit unbedenklich (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671) – aus dem objektiven Tatgeschehen und einer lebensnahen Betrachtung ab (US 6). Dabei erwogen sie auch, dass der Angeklagte nach eigenen Angaben das Fahrzeug anhand des Mängelkatalogs, einer Richtlinie mit fixen Vorgaben, begutachtet hat, wobei sie daraus schlossen, dass er auch die gegenständlichen schweren Mängel am Fahrzeug festgestellt hatte, sie aber bewusst nicht in seinem Prüfgutachten anführte, woraus zu folgern sei, dass er seine Befugnis wissentlich missbraucht hat (US 6).

[12] Mit dem pauschalen Vorwurf, es sei nicht erkennbar, „welche Feststellungen zur subjektiven Tatseite tatsächlich getroffen werden und aus welchen Gründen dies geschieht“ und „was das Erstgericht feststellen wollte“, unterlässt die Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) behauptende Mängelrüge die gebotene Orientierung an der Gesamtheit dieser Entscheidungsgründe und erweist sich solcherart als nicht gesetzmäßig ausgeführt (RIS-Justiz RS0119370).

[13] Der Einwand, die die subjektive Tatseite betreffenden Entscheidungsgründe des Urteils würden der Aussage des Angeklagten in der Hauptverhandlung widersprechen (nominell Z 5 dritter Fall), bekämpft bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0119089 [T1, T7]).

[14] Die leugnende Verantwortung des Angeklagten hat das Schöffengericht nicht „mit Stillschweigen“ übergangen (Z 5 zweiter Fall), sondern als unglaubhaft verworfen (US 4 bis 6).

[15] Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) begründet nur die erheblich unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln. Indem die Rüge – erneut auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten verweisend – ihrerseits die kritisierte Urteilspassage unrichtig wiedergibt (vgl US 6) und auf dieser Basis argumentiert, ist sie einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich. Im Übrigen ist die Wertung einer Aussage durch die Tatrichter nicht Gegenstand des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099431).

[16] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Vorliegen der subjektiven Tatseite in Bezug auf die Vorsatzform der Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) bestreitet, orientiert sie sich nicht am Urteilssachverhalt (US 3 f; siehe aber RIS-Justiz RS0099810).

[17] Mit der Behauptung, die Konstatierungen zur Wissentlichkeit betreffend den Befugnismissbrauch würden sich auf die „verba legalia“ beschränken, erklärt die Rüge nicht, weshalb es den diesbezüglich getroffenen, eingangs dargestellten Feststellungen (US 3 f) am gebotenen Sachverhaltsbezug fehlen sollte (RIS-Justiz RS0119090 [T3]).

[18] Welcher weiteren Feststellungen es zur Wissentlichkeit des Angeklagten hinsichtlich des Vorliegens schwerer Mängel beim gegenständlichen Fahrzeug, über die dazu getroffenen Konstatierungen des Erstgerichts hinaus, bedurft hätte, lässt die Rüge ebenfalls offen (siehe aber RIS‑Justiz RS0095939).

[19] Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf der Basis der Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0124801, RS0116823).

[20] Diese Kriterien verfehlt die Rüge schon deshalb, weil sie mit dem Vorbringen, der Angeklagte habe „ausgesagt, dass er die Verantwortung übernimmt“ (vgl aber ON 24, 3 f sowie US 4 f [„M* bestritt die ihm vorgeworfene Tat“, das Fahrzeug habe „keine schweren Mängel mehr aufgewiesen…es sei verkehrs- und betriebssicher gewesen“], US 6 [„leugnende Verantwortung“]), das Fehlen der – für eine diversionelle Erledigung erforderlichen, entsprechendes Unrechtsbewusstsein voraussetzenden (RIS-Justiz RS0126734, RS0116299 [T3]) – Verantwortungsübernahme des Angeklagten übergeht.

[21] Da die Diversionsvoraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere zu diesem Nichtigkeitsgrund erstattete Vorbringen.

[22] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[23] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[24] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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