OGH 7Ob91/23t

OGH7Ob91/23t30.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* N*, vertreten durch Tuscher Schmidt Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 169.166,87 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2023, GZ 3 R 208/22p‑33, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00091.23T.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Auch der nach § 364c ABGB Verbotsberechtigte hat ein Einlösungsrecht nach § 462 ABGB (RS0010749). Unstrittig kann die Einlösung ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen.

[2] 2.1 Eine stillschweigende Erklärung iSd § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung (konkludente oder schlüssige Willenserklärung) oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen. Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss die Handlung – oder Unterlassung – nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern und aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RS0109021). Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO kann bei Einzelfallentscheidungen nur dann vorliegen, wenn dem Berufungsgericht eine erhebliche Fehlbeurteilung vorzuwerfen wäre, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufgegriffen werden müsste (RS0042776; RS0044358 [T12, T31]; RS0044298 [T22]).

[3] 2.2  Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass die klagende Verbotsberechtigte – vor dem Hintergrund der von der Beklagten im Insolvenzverfahren des Schuldners zuletzt noch angemeldeten Forderung von 2.040.985,40 EUR – durch Zahlung von 1,6 Mio EUR nach Einleitung des Zwangsversteigerungsverfahrens wegen einer bereits titulierten (Teil‑)Forderung von 1,4 Mio EUR zuzüglich Kosten und Zinsen (insgesamt daher 1.454.228,22 EUR) die gesamte mit Höchstbetragshypothek in Höhe von 1,6 Mio EUR besicherte und nicht nur die titulierte Forderung einlösen habe wollen, um die Liegenschaft vor der Versteigerung zu retten. Dies folge nicht nur aus der zur Vorlage an das Exekutionsgericht vorgesehenen Bestätigung der vom Darlehensgeber der Klägerin angewiesenen Bank, in der festgehalten wird, dass „die Zahlung [...] zur Einlösung der hypothekarisch besicherten Forderung […] bezahlt wird“, sondern auch daraus, dass die Klägerin die Beklagte zur „Ausstellung einer beglaubigten Bestätigung betreffend die Einlösung und den Übergang des Pfandrechtes in Höhe der Zahlung“ aufforderte und der weiters erfolgten Übertragung des Pfandrechts und der Forderung in voller Höhe an die Darlehensgeberin.

[4] 2.3 Dieses Auslegungsergebnis ist nicht korrekturbedürftig, wogegen die Klägerin auch keine stichhaltigen Argumente bringt: Weder aus der Anführung „ […] Verfahren GZ […] Einlösung gemäß § 462 ABGB“ als Verwendungszweck der Zahlung auf der Überweisung, noch aus der Wortfolge im Bestätigungsschreiben der Bank der Darlehensgeberin, wonach „die Zahlung von der Klägerin zur Einlösung der hypothekarisch besicherten Forderung der Beklagten, die im Verfahren GZ […] die Exekution betreibt“ folgt das von der Klägerin gewünschte Auslegungsergebnis, dass ihre Zahlung ausschließlich der Einlösung der exekutiv von der Beklagten betriebenen Forderung dienen sollte. Inwieweit der Inhalt des zwischen der Klägerin und ihrer Darlehensgeberin geschlossenen Darlehensvertrags, der noch nicht einmal nach den Behauptungen der Klägerin der Beklagten bekannt war, Einfluss darauf haben könnte, wie die Beklagte die Erklärung verstehen durfte, bleibt offen.

[5] 2.4 Davon ausgehend, erweist sich die weitere Beurteilung der Vorinstanzen, die Klägerin verfüge über keinen Rückforderungsanspruch in Höhe der Differenz zwischen ihrer Zahlung und der titulierten Forderung ebenfalls als nicht korrekturbedürftig.

[6] 3. War aber der Wille der Klägerin, die auch das Nichtbestehen der – über die titulierte Forderung hinausgehenden – im Insolvenzverfahren des Schuldners angemeldeten Forderung der Beklagten nicht darlegte, auf die Einlösung der gesamten durch die Höchstbetragshypothek gesicherten Forderung gerichtet, dann stellt sich weder die von der Klägerin als relevant erachtete Frage, wie hoch der Einlösungsbetrag sein müsse, wenn die exekutiv betriebene Forderung unter der Höchstbetragshypothek liege, noch jene nach einer allfälligen Doppelzahlung der Pauschalgebühr.

[7] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte