OGH 5Ob83/23a

OGH5Ob83/23a17.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* GmbH, *, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei C* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien, wegen 280.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 251.170,12 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. März 2023, GZ 5 R 153/22i‑63, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00083.23A.0817.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Rechtsvorgängerin der Beklagten beauftragte die Klägerin am 21. 12. 2012 mit der Durchführung von Schlosserarbeiten bei einem Bauprojekt (Zu‑ und Umbau bei einem Jugendheim). Vorgesehen waren zwei aufeinanderfolgende Bauphasen, die Bauphase 1 umfasste den Neubau und die Bauphase 2 die Umbauten und die Sanierung des Bestandsgebäudes.

[2] Dem Auftrag lagen die Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB), die besonderen Vertragsbestimmungen (BVB), allfällige gewerkspezifischen Besonderheiten, die Projektbeschreibung und einschlägige ÖNORMEN, insbesondere die ÖNORM B 2110 idF 1. 1. 2009 zugrunde.

[3] Die (bis dahin beauftragten) Leistungen der Klägerin für die Bauphase 1 waren spätestens im Oktober 2013 abgeschlossen. Die Klägerin gab der Beklagten die Fertigstellung dieser Arbeiten nicht bekannt. Am 30. 10. 2013 fand die Übernahme der Bauphase 1 durch den Bauherrn statt. Für die zu diesem Termin geladene Klägerin war niemand anwesend.

[4] Die Klägerin begehrte mit ihrer am 4. 5. 2020 beim Erstgericht eingebrachten Klage restlichen Werklohn in Höhe von 280.000 EUR sA.

[5] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren undwendete unter anderem Verjährung ein.

[6] Mit Teil- und Zwischenurteil wies das Erstgericht das (auf die „Bauphase 1“ bezogene) Klagebegehren auf Zahlung von 251.170,12 EUR sA wegen Verjährung ab. Für den Anspruch von 28.829,88 EUR sA („Bauphase 2“) verwarf es die Verjährungseinrede der Beklagten.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin gegen das das Klagebegehren abweisende Teil-Urteil nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nicht zu.

[8] In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Rechtliche Beurteilung

[9] 1. Gemäß § 1486 Z 1 ABGB verjähren Werklohnforderungen binnen drei Jahren. Ein nicht schon pauschal vereinbarter Werklohn wird erst mit Übermittlung der Rechnung fällig; damit beginnt grundsätzlich auch die Verjährungsfrist (RIS‑Justiz RS0021821; RS0034319).

[10] In der Rechtsprechung ist allerdings anerkannt, dass der Beginn der Verjährung des Werklohns durch eine verspätete Rechnungslegung nicht hinausgeschoben werden kann (4 Ob 166/18t; RS0021965 [T1]). Ist der Unternehmer mit der Rechnungslegung säumig, so beginnt die Verjährung schon in dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem dem Unternehmer die Rechnungslegung objektiv möglich gewesen wäre. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass der Unternehmer die Fälligkeit und damit den Beginn der Verjährung nicht willkürlich durch Verzögerung der Rechnungslegung hinausschieben und damit den Zweck der kurzen Verjährungsfrist, die baldige Klarstellung des rechtlichen Bestands von Forderungen des täglichen Lebens zur Vermeidung der sonst besonders großen Beweisschwierigkeiten, zunichte machen darf (RS0021821 [T19]; RS0021887).

[11] Die Verjährungsfrist beginnt daher mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem eine Rechnungslegung nach der Verkehrsüblichkeit objektiv möglich ist (RS0034206 [T1] RS0021821 [T19]; RS0021887 [T2]). Dieser Zeitpunkt fällt praktisch mit der Vollendung des Werks zusammen (RS0034206). Ist der Werkvertrag noch nicht zur Gänze erfüllt, so ist als Beginn der verkehrsüblichen Rechnungslegungsfrist der Zeitpunkt anzunehmen, zu dem der Auftragnehmer aufgrund der Umstände des jeweiligen Falls erkennen konnte, dass der Auftraggeber das Werk bereits für vollendet hält oder die Vollendung offenbar nicht mehr will (4 Ob 166/18t mwN). Wurde ein Zeitpunkt für die Rechnungslegung vereinbart, so ist nach der Rechtsprechung dieser für den Beginn der Verjährung maßgebend (RS0021821 [T14]; vgl RS0034154 [T4]).

[12] 2. Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Dessen Beurteilung, die Klägerin sei mit der Übernahme der Bauphase 1 durch den Bauherrn per 30. 10. 2013, spätestens aber mit derFertigstellung der Arbeiten für einen danach noch erteilten Zusatzauftrag per 30. 5. 2014 vertraglich verpflichtet und objektiv in der Lage gewesen, eine Teilschlussrechnung für die Bauphase 1 zu legen, sodass der Beginn der Verjährung spätestens mit diesem Zeitpunkt anzusetzen sei, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

[13] Die in der außerordentlichen Revision zurBegründung ihrer Zulässigkeit angestellten Überlegungen der Klägerin zu der – aus der Vereinbarung einer formalen Übergabe abgeleiteten – Unwirksamkeit einer bloß einseitigen Übernahme und deren Auswirkung auf die Fälligkeit des Werklohns sind für die Entscheidung nicht relevant: Die Fälligkeit der Werklohnforderung knüpft an die Rechnungslegung an (RS0017592), die Rechnungslegung an die Übergabe. Die in der Rechtsprechung angestellten verjährungsrechtlichen Erwägungenfür den Fall der Verzögerung der Rechnungslegung gelten daher auch dann, wenn der Auftragnehmer die Rechnungslegung dadurch verzögert, dass er schon die Übernahme hinauszuschiebenversucht (4 Ob 166/18t [Erfordernis der Prüfung und Freigabe der Schlussrechnung durch die örtliche Bauaufsicht]). Wird daher die Rechnungslegung vom Auftragnehmer – wie hier – durch seinen Verzug mit derAnzeige der Fertigstellung der Arbeiten und dem Angebot zur Übernahme verzögert, so beginnt die Verjährung jedenfalls mit dem Zeitpunkt, zu dem die Übergabe und Rechnungslegung möglich war. Die die formale Übergabe regelnden Bestimmungen der Allgemeinen Vertragsbestimmungen und der ÖNORM B 2110 sollen schließlich den Auftraggeber (Besteller) lediglich vor einer vorzeitigen Zahlungspflicht (aus Gründen in der Sphäre des Auftragnehmers) schützen (4 Ob 166/18t).

[14] 3. Die Klägerin bestreitet zwar ihre vertragliche Verpflichtung zur Legung einer Teilschlussrechnung. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, ist aber nur dann eine erhebliche Rechtsfrage, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936; RS0042776; RS0042555).

[15] Eine solche auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung der – objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegenden (vgl RS0008901 [für ÖNORMEN T9, T43]) – Ausschreibungsbedingungen und der ÖNORM B 2110 zeigt die Revision nicht auf. Das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen, die Vertragsparteien hätten Punkt 8.3.4 der ÖNORM B 2110 in der Projektbeschreibung durch eine konkrete vertragliche Regelung zulässigerweise spezifiziert, steht mit dem objektiven Erklärungswert dieser Regelung nach dem Verständnis eines redlichen Erklärungsempfängers und der Verkehrssitte in Einklang.

[16] 4. Die Klägerin zeigt damit in ihrer außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage auf. Diese war daher zurückzuweisen.

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