OGH 15Os31/23g

OGH15Os31/23g29.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juni 2023 durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski als Vorsitzende, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs  Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Mann und Dr. Sadoghi in Gegenwart der Mag. Eschenbacher als Schriftführerin in der Strafsache gegen * S* wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Jänner 2023, GZ 56 Hv 83/22t‑32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00031.23G.0629.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Wirtschaftsstrafsachen

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * S* des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie in W* mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Mag. * L* durch die Vorgabe, PCR‑Tests zu einem günstigen Preis beziehen und diese in Polen über ihre im dortigen Gesundheitsministerium tätige Tochter um ein Vielfaches des Einkaufspreises weiterverkaufen zu können, sowie durch die Vorspiegelung ihrer Rückzahlungswilligkeit und -fähigkeit zur Übergabe von Bargeldbeträgen verleitet, und zwar

I./ am 3. September 2021 in Höhe von 20.000 Euro, die die von Mag. L* vertretene A* Handelsges.m.b.H. mit diesem Betrag am Vermögen schädigte;

II./ am 7. September 2021 in Höhe von 80.000 Euro, die Mag. L* mit diesem Betrag am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

[4] Unvollständig ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS‑Justiz RS0098646). Die Mängelrüge ist nur dann gesetzesgemäß ausgeführt, wenn sie an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß nimmt (RIS‑Justiz RS0119370).

[5] Mit der Behauptung, das Erstgericht habe alle von der Angeklagten vorgelegten Beweise negativ gewürdigt, der Kritik an denAngaben des – vom Erstgericht als glaubwürdig erachteten (US 5) – Zeugen Mag. L* und der Forderung nach alternativen Feststellungen macht die Rüge (Z 5 zweiter Fall) kein Begründungsdefizit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes geltend, sondern kritisiert bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld.

[6] Gleiches gilt für das Vorbringen, die Angeklagte sei glaubwürdig gewesen, ihre Verantwortung nach der allgemeinen Lebenserfahrung nachvollziehbar, und sie habe den Tresor, in dem sich das Geld befunden hätte, aus Angst vor Mag. L* und dessen tschetschenischem Bekannten nicht geöffnet.

[7] Mit der Aussage des Zeugen Lu* (ON 31 S 22 ff) haben sich die Tatrichter auseinandergesetzt (US 7; Z 5 zweiter Fall), aus ihnen jedoch andere Schlüsse gezogen als die Rechtsmittelwerberin (RIS‑Justiz RS0099455). Im Übrigen waren die Tatrichter nicht dazu verhalten, auf alle Details der Aussage dieses Zeugen im Einzelnen einzugehen (RIS‑Justiz RS0098778).

[8] Das Vorbringen, es würden Feststellungen zu einer Täuschung über Tatsachen fehlen (dSn Z 9 lit a), vernachlässigt die Konstatierungen, wonach die Angeklagte bloß vorgab, das Geld des Mag. L* in den Ankauf von PCR‑Tests zu investieren und es zu den vereinbarten Bedingungen zurückzahlen zu wollen (US 4;vgl Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 36).

[9] Der Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift seinem Wesen nach erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (RIS‑Justiz RS0119583).

[10] Mit dem Hinweis auf einzelne Passagen aus der – von den Tatrichtern erörterten (US 5 ff) – Verantwortung der Angeklagten sowie dem Vorbringen, diese habe keine kriminelle Energie bzw keinen bedingten Vorsatz auf Täuschung gehabt, gelingt es der Rüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof solche erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellung entscheidender Tatsachen zu erwecken.

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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