European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0150OS00053.23T.0629.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Suchtgiftdelikte
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. Dezember 2022, GZ 41 Hv 101/22x‑78, verletzt
- im Schuldspruch II./ § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG;
- im Einziehungserkenntnis betreffend die „zur Tatbegehung verwendeten Mobiltelefone“ § 26 Abs 1 StGB.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch II./ ersatzlos sowie demgemäß jeweils auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wiener Neustadt verwiesen.
Gründe:
[1] Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. Dezember 2022, GZ 41 Hv 101/22x‑78, wurden * G* und * V* jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./A./) und nach § 15 StGB, § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./B./) sowie eines Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (II./) schuldig erkannt und jeweils zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
[2] Danach haben sie am 31. August 2022 vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich 7.953,4 Gramm brutto Cannabiskraut, beinhaltend 1.081,66 Gramm THCA und 82,72 Gramm Delta‑9‑THC,
I./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge,
A./ nach Österreich eingeführt, indem sie es mit einem durch Einbau eines doppelten Bodens zwischen Fahrersitz und Rückbank umgebauten PKW von München nach T* verbrachten;
B./ in O* einem verdeckten Ermittler der Kriminalpolizei zu überlassen versucht;
II./ in O* und an anderen Orten besessen.
[3] Nach „§ 26 StGB bzw teilweise § 34 SMG“ zog das Gericht das sichergestellte Suchtgift „laut ON 3.21, Nummern 1 bis 8“ sowie die „zur Tatbegehung verwendeten Mobiltelefone ON 3.20 und 3.21, 3.20 der Erstangeklagten und 3.21 des Zweitangeklagten“ ein.
[4] Nach den tatrichterlichen Feststellungen haben G* und V* sowohl die Einfuhr (I./A./) als auch das (versuchte) Überlassen (I./B./) und den Besitz (II./) von Cannabiskraut in Bezug auf ein und dieselbe Suchtgiftmenge begangen (US 5 f).
[5] Nach dem Urteilssachverhalt verwendeten die Angeklagten ihre (US 4) Mobiltelefone zur Tatausführung (US 5, 9). Nähere Konstatierungen zu diesen eingezogenen Gegenständen trafen die Tatrichter jedoch nicht.
[6] Während die Angeklagten auf Rechtsmittel verzichteten, erhob die Staatsanwaltschaft Berufung (wegen des Ausspruchs über die Strafe), über die das Oberlandesgericht Wien noch nicht entschieden hat.
Rechtliche Beurteilung
[7] Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt, steht das genannte Urteil des Landesgerichts WienerNeustadt als Schöffengericht mit dem Gesetz nicht im Einklang:
1./ Bei Erwerb und Besitz von Suchtgift wird die Strafbarkeit nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG durch ein sodann in Bezug auf dieselbe Suchtgiftmenge begangenes Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG als stillschweigend subsidiär verdrängt (RIS‑Justiz RS0126213; Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 27 Rz 63/1).
[8] Weil das Schöffengericht hinsichtlich des bereits vom Schuldspruch I./B./ umfassten Suchtgifts zusätzlich auch ein Vergehen nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG annahm, verletzt der Schuldspruch II./ das Gesetz in dieser Bestimmung.
[9] Da sich diese Gesetzesverletzung zum Nachteil der Angeklagten auswirkt, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 letzter Satz StPO).
[10] 2./ Einziehung nach § 26 Abs 1 StGB setzt voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstands geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Das Wort „geboten“ spricht dabei die Deliktstauglichkeit des Gegenstands an (RIS‑Justiz RS0121298, RS0090389), von welcher in Ansehung von zur Koordinierung eines Suchtgifttransports verwendeten Mobiltelefonen (US 5) nicht ausgegangen werden kann. Das Einziehungserkenntnis verletzt daher § 26 Abs 1 StGB.
[11] Mit Blick auf die vorliegenden Einverständniserklärungen beider Angeklagten zur Einziehung dieser Gegenstände (ON 67.3, 8) ist ein daraus resultierender Nachteil (vgl auch RIS‑Justiz RS0088201 [T11 und T14]) aber auszuschließen.
[12] Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist zufolge Aufhebung der Strafaussprüche gegenstandslos (vgl RIS‑Justiz RS0133326).
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