OGH 9Ob98/22k

OGH9Ob98/22k31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Annerl in der Rechtssache der klagenden Partei J* GmbH, *, vertreten durch Mag. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, und den beklagten Parteien 1. * H*, 2. * Ha*, beide vertreten durch Hasch & Partner Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wegen 11.026,68 EUR sA, über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Juli 2022, GZ 14 R 12/22s‑19, mit dem der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 23. November 2021, GZ 9 C 1165/20z‑15, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00098.22K.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision der beklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 946,39 EUR (darin 157,73 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] DieKlägerin fordert von den Beklagten 11.026,68 EUR an zu Unrecht eingezogenem Bestandzins zurück. Sie sei Mieterin des Bestandobjekts in der L*straße *, die Beklagten (ua) seien grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft. Das Bestandobjekt sei aufgrund der behördlichen Schließung (§ 1 des Bundesgesetzes betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Covid‑19) für den Zeitraum 16. 3. bis 15. 4. 2020 zum vertraglich bedungenen Gebrauch unbrauchbar gewesen. Der Mietvertrag sehe als Geschäftszweck den Betrieb eines Geschäftslokals vor. Die Rechtsfolgen des § 1104 ABGB seien auch dann anwendbar, wenn der Bestandnehmer den Bestandzweck nicht selbst ausführe, sondern dieser im Wege einer Unterbestandvergabe von einem Dritten ausgeführt werde. Zwischen der Klägerin und dem Unternehmen M* bestehe ein Unterpachtverhältnis. Dies habe nichts an dem vertraglich bedungenen Mietvertragszweck geändert. Aber auch dann, wenn der Bestandzweck lediglich die lukrative Untervermietung gewesen wäre, sei eine Unbrauchbarkeit gegeben gewesen.

[2] Die Beklagten bestritten und wandten zusammengefasst ein, dass das Bestandobjekt im Verhältnis zwischen den Streitparteien zu keinem Zeitpunkt zum vertraglich bedungenen Gebrauch unbrauchbar gewesen sei. Die Klägerin betreibe in diesem Geschäftslokal kein operatives Geschäft, sondern habe die Räumlichkeiten bereits vor Inkrafttreten des Covid‑19-MaßnahmenG an den Betreiber einer Parfümerie untervermietet. Die Klägerin habe den Mietgegenstand in Bestand genommen, um diesen gewinnbringend unterzuvermieten. Das behördliche Betretungsverbot habe keinen Einfluss auf das Hauptmietverhältnis gehabt. Gegenstand eines Pachtverhältnisses sei die Weitergabe eines lebenden Unternehmens, wovon hier keine Rede sein könne.

[3] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte auszugsweise folgenden Vertragsinhalt fest:

„III. Verwendung des Mietgegenstandes

3.1. Die Vermieterseite vermietet und die Mieterseite mietet den zu § 1 bezeichneten Mietgegenstand ausschließlich zu Geschäftszwecken. Eine Änderung des Verwendungszweckes bedarf der Zustimmung durch die Vermieterseite.

3.2. Es darf jedoch keine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt werden, die einen direkten unternehmerischen Wettbewerb zu anderen Mietern im Haus darstellt. In keinem Fall darf das Bestandobjekt für Zwecke – in welcher Form und Rechtsgrundlage auch immer – verwendet werden, die grob anstößig sind, und jedenfalls geeignet sind den übrigen Nutzungsberechtigten das unternehmerische Handeln sowie Zusammenleben zu verleiden; insbesondere darf dadurch beispielsweise kein Gastronomielokal oder Nachtlokal (Bordell/Sexlokal) geschaffen werden. […]

IX. Untervermietung oder sonstige Weitergabe

9.1 Ohne schriftliche Zustimmung der Vermieterseite darf das Bestandobjekt weder entgeltlich noch unentgeltlich ganz oder teilweise in welcher Form auch immer dritten Personen überlassen werden. Dazu gehört auch jegliche Form der Verpachtung eines von der Mieterseite betriebenen Unternehmens. […]

9.5 Für den Fall einer von der Vermieterseite genehmigten Untervermietung, Verpachtung oder sonstigen Überlassung des Mietgegenstandes oder des Unternehmens der Mieterin wird der Mietzins auf EUR 6.350,00 zuzüglich USt, sohin EUR 7.620,00 angehoben. Es wird festgehalten, dass eine Verpachtung des Unternehmens kurzfristig geplant ist, die diese Erhöhung bereits auslöst.

Für den Fall einer neuerlichen Untervermietung, Verpachtung oder sonstigen Überlassung des Mietgegenstandes oder des Unternehmens der Mieterin wird eine Erhöhung des Hauptmietzinses von 30 % vereinbart (Basis der 30%-igen Mieterhöhung ist jeweils der zuletzt verlangte wertgesicherte Mietzins). Durch solche wiederkehrende Erhöhungen darf der ortsübliche Mietzins nicht überschritten werden. […]“

[4] Das Erstgericht stellte weiter fest, Geschäftszweck der Klägerin sei die Vermietung und Verpachtung von Immobilien gewesen. Bereits vor Abschluss des Mietvertrags habe die Klägerin beabsichtigt, das Bestandobjekt zu mieten, um es in weiterer Folge unterzuvermieten. Zu Beginn des Mietverhältnisses seien die Räumlichkeiten von der Klägerin an einen Freund zu sehr günstigen Konditionen untervermietet worden, um einen Leerstand zu vermeiden, bis der geplante Untermieter einzugsbereit gewesen sei. Dann sei das Objekt an das Unternehmen L* untervermietet worden, das ein Taschengeschäft betrieben habe. Ab 1. 8. 2018 habe die Klägerin das Bestandobjekt an M* untervermietet, die seither darin eine Parfümerie betreibe. Die Klägerin selbst habe zu keiner Zeit ein Unternehmen im Bestandobjekt betrieben und dies auch nie beabsichtigt. Die Beklagten seien mit der Untervermietung einverstanden gewesen; es sei auch vereinbarungsgemäß der Mietzins erhöht worden. Durch das behördliche Betretungsverbot habe die Untermieterin im gegenständlichen Zeitraum das Geschäft schließen müssen und habe die Mietzinszahlungen an die Klägerin unter Vorbehalt geleistet, wofür ihr eine Gutschrift für den Zeitraum vom 16. 3. bis 15. 4. 2020 erteilt worden sei.

[5] In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht zusammengefasst aus, die Nutzungsmöglichkeit des Bestandobjekts für die Klägerin sei durch das behördliche Betretungsverbot nicht eingeschränkt gewesen. Der Geschäftszweck der Klägerin sei von Anfang an die Untervermietung des Bestandobjekts gewesen. Es sei weder beabsichtigt gewesen, selber ein Unternehmen zu betreiben, noch sei tatsächlich während aufrechtem Mietvertrag – und speziell im klagsgegenständlichen Zeitraum – ein Unternehmen von der Klägerin im Bestandobjekt betrieben worden.

[6] Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung der Klägerin Folge und dem Klagebegehren unter Anschluss an die Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 15. 9. 2021, AZ 40 R 99/21m, statt. In jener Entscheidung hatte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ausgeführt: „Da das Risiko der pandemiebedingten Gebrauchseinschränkung aber – wie ausgeführt – den Vermieter trifft, ist die Klägerin dennoch unmittelbar betroffen, weil sie ihrer Untermieterin den bedungenen Gebrauch nicht zur Verfügung stellen konnte und die Untermieterin von der Entrichtung des Untermietzinses gemäß der §§ 1104 f ABGB entsprechend befreit war. Dieses Zinsrisiko schlägt nach Ansicht des Berufungsgerichtes auf die Beklagte als Vermieterin der Klägerin durch. Unrichtig ist nämlich die Ansicht des Erstgerichtes, dass 'der einzige noch bestehende Vertragszweck' zwischen der Klägerin und der Beklagten die Untervermietung wäre, die durch das Betretungsverbot nicht beeinträchtigt worden sei. Durch das der Klägerin eingeräumte Untervermietrecht wurde der vereinbarte Vertragszweck nicht geändert, der hier konkret in den der Beklagten bekannten und von ihr (bzw. ihren Rechtsvorgängern) akzeptierten geschäftlichen Tätigkeiten der Untermieterin (…) und ihrer Untermieterin (…) besteht (…). Der Klägerin wurde damit lediglich das Recht eingeräumt, das Bestandobjekt nicht nur in eigener Person, sondern auch durch einen Untermieter zum vereinbarten Zweck zu benutzen. Die Beklagte hatte also nach wie vor gegenüber der Klägerin die Verpflichtung, ihr ein zu diesem bedungenen Gebrauch taugliches Bestandobjekt zur Verfügung zu stellen. …“

[7] Die Revision sei zulässig.

[8] Die Beklagten beantragen in ihrer dagegen gerichteten Revision die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision, in eventu, ihr keine Folge zu geben.

[10] Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

[11] Die Beklagten sind darin im Wesentlichen der Ansicht, dass die Nutzungsmöglichkeit des Bestandobjekts vom vertraglich bedungenen Verwendungszweck des Mietgegenstands, nämlich der Untervermietung, durch das angeordnete Betretungsverbot nicht eingeschränkt gewesen sei. Der Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien sei ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen, in dem der bedungene Gebrauch des Bestandobjekts ausdrücklich in der Nutzung als „Bau- und Heimwerkermarkt“ festgehalten gewesen sei und jener Klägerin lediglich zusätzlich ein Untervermietrecht eingeräumt gewesen sei. Auch sei die Mietzinsminderung im Untermietvertrag dem Unternehmerrisiko der Klägerin zuzuordnen.

Dazu war zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass das Bestandverhältnis der Streitteile entgegen dem erstinstanzlichen Klagsvorbringen als Miet- und nicht als Pachtvertrag anzusehen ist.

[13] 2. Hinsichtlich der Mietzinszahlungspflicht in Zeiten eines Lockdown ist allgemein von folgenden Grundsätzen auszugehen:

[14] 2.1. Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ist die COVID‑19-Pandemie als „Seuche“ iSd § 1104 ABGB zu werten (RS0133812). Führen aufgrund dieser Pandemie durch Gesetz oder Verordnung angeordnete Betretungsverbote für Geschäftsräume in Bestandobjekten zu deren gänzlicher Unbenutzbarkeit, ist sowohl auf Miet- als auch auf Pachtverträge § 1104 ABGB anzuwenden; bloß teilweise Unbenutzbarkeit führt hingegen zur Anwendung des zwischen Miet- und Pachtverträgen differenzierenden § 1105 ABGB (s 9 Ob 31/22g). Ob gänzliche oder nur teilweise Unbrauchbarkeit vorliegt, ist – ausgehend vom vereinbarten Geschäftszweck – anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen, wobei die Beweispflicht für die mangelnde Brauchbarkeit den Bestandnehmer trifft (8 Ob 131/21d; 4 Ob 218/21v; s auch 9 Ob 84/21z).

[15] 2.2. Als brauchbar ist die Bestandsache anzusehen, wenn sie eine solche Verwendung zulässt, wie sie gewöhnlich nach dem Vertragszweck erforderlich ist und nach der Verkehrssitte gemacht wird, wobei eine mittlere Brauchbarkeit anzunehmen ist (RS0021054; s auch RS0020926). In diesem Zusammenhang wurde klargestellt, dass das bloße Belassen des Inventars in den Räumen keine „Nutzung“ des Bestandobjekts zum vertraglich vereinbarten (Geschäfts‑)Zweck (3 Ob 78/21y) ist. Es kann aber auch die objektiv bestehende Möglichkeit und Zumutbarkeit, ein Liefer- oder Abholservice anzubieten, eine zumindest teilweise Brauchbarkeit begründen, selbst wenn ein solcher Service bis dahin faktisch nicht angeboten wurde (vgl (8 Ob 131/21d = RS0021044 [T4] zu Schutzhütte: tw Brauchbarkeit verneint, wenn – etwa aufgrund des fehlenden Kundenkreises – ein nachhaltiges Verlustgeschäft zu erwarten gewesen wäre). Bei der Beurteilung der Brauchbarkeit kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0021054 [T5]).

[16] 2.3. Hinsichtlich Umsatzeinbußen wurde ua ausgesprochen: Lassen sich Umsatzeinbußen des Geschäftsraummieters auf behördliche Maßnahmen, also auf Betretungsverbote zurückführen, die anlässlich der COVID‑19-Pandemie verfügt wurden, so sind solche Umsatzeinbußen konkrete Folgen einer objektiven Einschränkung des vertraglich bedungenen Gebrauchs des Bestandobjekts und im Rahmen einer Mietzinsminderung zu berücksichtigen (s RS0021054 [T15]).

[17] Maßgeblich ist sohin stets ein dem vereinbarten Geschäftszweck zuzuordnender Gebrauchsnutzen.

[18] 3. Zur pandemiebedingten Mietzinszahlungspflicht bei Hauptmiete eines Geschäftslokals mit erlaubter Untermiete wird in der Literatur, soweit sie darauf Bezug nimmt, Folgendes vertreten:

[19] 3.1.  Wieser/Faller/Tischler, immolex 2021, 383, befürworten die oben genannte Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, weil vereinbarter Verwendungszweck des Bestandgegenstands der Betrieb eines Büro-/Schreibwarenfach- bzw Werkzeughandels und nicht schlichtweg „Untervermietung“ gewesen sei. In den seltensten Fällen sei die Untervermietung wohl auch der ausdrücklich vereinbarte Verwendungszweck, selbst wenn die Untervermietung durchaus das Geschäftsmodell des Untervermieters sein könnte. Da die Nutzung des Bestandgegenstands zum Betrieb eines Büro-/Schreibwarenfach- bzw Werkzeughandels eingeschränkt gewesen sei, schlage das von der Untervermieterin gegenüber der Untermieterin zu tragende Zinsrisiko auf das Verhältnis Hauptvermieterin/Untervermieterin durch.

[20] 3.2. Dem schließt sich auch Prader, MRG6.07 § 1104 ABGB (Stand 1. 1. 2023, Manz Wohnrecht) E14 an: Auch wenn das gesetzlich verordnete Betretungsverbot primär die Untermieterin betreffe, könne der dazu berechtigte Untervermieter diesen Anspruch auch für sich in Anspruch nehmen, da das Risiko der pandemiebedingten Gebrauchseinschränkung den Vermieter treffe und der Untervermieter daher dennoch unmittelbar betroffen sei, weil er seinem Untermieter den bedungenen Gebrauch nicht zur Verfügung stellen könne und auch der Untermieter von der Entrichtung des Untermietzinses gemäß §§ 1104 f ABGB entsprechend befreit sei.

[21] 3.3. Ergänzend führen Prader/Pittl,Zu Reichweite und Wirkungen von COVID‑19 im Bestandrecht, RdW 2020/309 (405), für den Fall einer zulässigen Untervermietung aus: Sollte der Hauptbestandnehmer, respektive der Vertragszweck, zu dem dieser den Bestandvertrag abgeschlossen habe, von der COVID‑19-Thematik nicht betroffen sein, sondern nur der Unterbestandnehmer, so schlage die Reduzierung des Mietzinses grundsätzlich nicht durch; letztlich werde dies aber eine Frage der Vertragsauslegung sein, worauf also der Geschäftszweck des Hauptbestandnehmers vertraglich gerichtet gewesen sei. Etwas anderes könnte bei Vollanwendbarkeit des MRG gelten. Hier könnte im Lichte des § 2 Abs 3 MRG die Mietzinsminderung letztlich „über Umwegen“ schlagend werden.

[22] 3.4.  Stabentheiner,wobl 2020, 121 ff, und Rosifka,VbR 2020, 89, 92 (FN 43) differenzieren (iZm § 1 des 2. COVID‑19-JuBG betreffend die Rechtsfolgen von Mietzinsrückständen) nicht zwischen Haupt- und Untermiete.

[23] 4. Die Rechtsprechung zur Mietzinszahlungspflicht für Zeiten eines behördlich angeordneten Betretungsverbots für ein Geschäftslokal kann auch für die Konstellation einer Untervermietung fruchtbar gemacht werden. Auch hier ist daher eine gänzliche oder teilweise Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts nach Maßgabe des vereinbarten Geschäftszwecks zu prüfen, wofür es grundsätzlich auf die Umstände des Falls ankommt. So kann die Hauptmiete etwa zum Zweck einer konkreten Geschäftstätigkeit mit der Erlaubnis zur weiteren Inbestandgabe (Untermiete) erfolgen. Eine behördliche Maßnahme wie ein Betretungsverbot, das der Entfaltung der Geschäftstätigkeit entgegensteht, würde den Geschäftszweck der Hauptmiete in einem solchen Fall unmittelbar betreffen, weil er nicht mehr vertragskonform zu verwirklichen wäre. Ebenso könnte der Geschäftszweck der Hauptmiete aber von vornherein in einer uneingeschränkten Berechtigung zur Untervermietung liegen, die für gewöhnlich auch kein Selbstzweck, sondern nach dem Verständnis redlicher Hauptmietvertragsparteien in der Regel als Möglichkeit zur Erzielung von (Unter‑)Mietzinseinnahmen zu sehen ist. Liegt darin der Geschäftszweck des Hauptmietvertrages, wäre er von einer behördlichen Maßnahme wie einem Betretungsverbot in der Regel aber nur mittelbar betroffen. Denn die daraus resultierende Reduktion oder der Entfall des Untermietzinses bringt den Hauptmietvertrag dann zwar um den Nutzen der Untermieteinnahmen. Dieser Nutzungsentfall geht aber nicht auf den vereinbarten Zweck des Hauptmietvertrags als solchen, sondern nur auf die unternehmerische Entscheidung des Hauptmieters, das Bestandobjekt für eine bestimmte Nutzung in Untermiete zu vergeben, zurück. Eine solche bloß mittelbare Betroffenheit des Hauptmietverhältnisses könnte nicht auf das Zinsrisiko des Hauptvermieters durchschlagen. Mögliche Zwischenformen bedürfen einer fallabhängigen Betrachtung.

[24] 5. Im vorliegenden Fall wurde im Hauptmietvertrag die Anmietung des Mietgegenstandes „ausschließlich zu Geschäftszwecken“ vereinbart. Ein bestimmter Geschäftszweck wurde damit nicht Vertragsgegenstand. Der Vertrag enthält auch keine Einschränkung des Geschäftszwecks auf Untervermietung, wenngleich die Klägerin mit Wissen der Beklagten das Bestandobjekt von Beginn an untervermietet hat.

[25] 5.1. Die Beklagten machten eine Untervermietung (oder sonstige Weitergabe) aber von ihrer schriftlichen Zustimmung abhängig, die auch für „jegliche Form der Verpachtung eines von der Mieterseite betriebenen Unternehmens“ gelten sollte (Pkt 9.1. des Mietvertrags). Damit haben sie sich aber das Recht vorbehalten, die Art der Nutzung durch den Untermieter mitzubestimmen. Der jeweilige Geschäftszweck der Untervermietung wird durch die Genehmigung auch Gegenstand der Vereinbarung zwischen Hauptvermieter und Hauptmieter. Zusätzlich schlägt die Möglichkeit der Untervermietung und damit die Lukrierbarkeit von Untermiete auch insofern auf den Hauptmietvertrag durch, als der (Haupt‑)Vermieter für den Fall der Untervermietung zur Erhöhung des Mietzinses um 30 % berechtigt ist.

[26] 5.2. Kommt es in dieser Konstellation aufgrund einer pandemiebedingten (teilweisen) Unbenutzbarkeit des Objekts zu einer Reduktion oder dem Entfall des Untermietzinses, wird auch im Hauptmietverhältnis der – von der Mitwirkung des Hauptvermieters abhängige – vereinbarungskonforme Zweck pandemiebedingt nicht gewährleistet. Ein behördliches Betretungsverbot des in Unterbestand gegebenen Objekts schlägt hier insgesamt auf die Nutzbarkeit des Objekts nach Maßgabe des Geschäftszwecks des Hauptmietvertrages durch. Damit kann eine pandemiebedingte Unbenutzbarkeit des Objekts im Untermietverhältnis nicht mehr alleine der Risikosphäre des Hauptmieters als Untervermieter zugeordnet werden. Die Erwägung, dass die Klägerin durch die coronabedingten Maßnahmengesetze und Verordnungen nicht in einer im Mietobjekt ausgeübten eigenen geschäftlichen Tätigkeit betroffen war, würde insofern zu kurz greifen.

[27] 6. Die Beklagten suchen eine Abgrenzung zur Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, in der der Geschäftszweck des Hauptmietvertrags in der Anmietung einer Verkaufshalle zum Gebrauch für einen „Bau- und Heimwerkermarkt“ lag und in der die Bestandnehmerin auch berechtigt wurde, das Objekt unterzuvermieten und sämtliche Rechte und Pflichten an dritte natürliche oder juristische Personen zu übertragen. Eine Abgrenzung ist nach den dargelegten Gründen jedoch nicht erforderlich, wenn das Betretungsverbot auch den vereinbarten Zweck des Hauptmietvertrags betrifft.

[28] 7. Danach ist auch das Argument der Beklagten, dass der Entfall des Mietzinses grundsätzlich zum Unternehmerrisiko zählt, für ihren Standpunkt nicht gewinnbringend, weil die Mietzinszahlungspflicht der Klägerin hier nach dem bedungenen Geschäftszweck des Hauptmietvertrags zu prüfen ist, der gerade nicht in einer freien, sondern in einer von der konkreten Zustimmung des Hauptvermieters abhängigen Untervermietbarkeit des Bestandobjekts liegt.

[29] 8. Zusammenfassend kann damit auch im Zusammenhang mit Unterbestandverhältnissen auf die allgemeinen Grundsätze zurückgegriffen werden, wonach für eine Covid‑19 bedingte Zinsminderung wesentlich ist, dass der bedungene Gebrauch des jeweiligen Bestandobjekts tatsächlich beeinträchtigt ist. Bei der Beurteilung der Brauchbarkeit kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an. In der Regel umfasst der bedungene Gebrauch der Untervermietung zwar die Möglichkeit zur Lukrierung von Untermieteinnahmen. Liegt der vereinbarte Geschäftszweck der Untervermietung nur in der Disposition des Untervermieters, berührt ein Betretungsverbot mit der Folge einer Reduktion/eines Entfalls der Untermiete den Geschäftszweck des Hauptmietvertrags in der Regel aber nur mittelbar. Geht die Einschränkung/der Entfall der vertragskonformen Verwendbarkeit des Bestandobjekts „wegen einer Seuche“ aber nicht nur auf das Untermietverhältnis zurück, sondern ist sie auch in der Ausgestaltung des Hauptmietverhältnisses für die Untervermietung begründet, so schlägt der Entfall der Untermietzinseinnahmen auf das Hauptmietverhältnis durch; die Zinszahlungspflicht des Hauptmieters wird entsprechend reduziert oder entfällt.

[30] 9. Da dies auch auf den vorliegenden Fall zutrifft, schlägt der pandemiebedingte Entfall der Mietzinseinnahmen der Klägerin auch auf ihre Zinszahlungspflicht im Hauptmietverhältnis durch. Die Revision der Beklagten ist danach nicht berechtigt, sodass ihr keine Folge zu geben ist.

[31] 10. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO (Streitgenossenzuschlag: 10 %).

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