OGH 9Ob85/22y

OGH9Ob85/22y27.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J* F*, 2. A* F*, vertreten durch die Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch Univ.‑Prof. Dr. Gernot Murko, Mag. Christian Bauer ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Einwilligung in den Kaufvertrag/Einverleibung des Eigentumsrechts und Feststellung (Streitwert: 6.980.000 EUR; Revisionsinteresse: 3.490.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 21. Juni 2022, GZ 3 R 32/22h‑30, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00085.22Y.0427.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte (Verkäuferin) gegenüber den klagenden Parteien (Käufer) zur Einwilligung „in den Kauf- und Bauträgervertrag (Beil ./B), welche einen integrierenden Bestandteil des Urteilsspruchs bildet“, weil zwischen den Streitteilen ein gültiger Kaufvertrag über die verfahrensgegenständlichen Wohnungen zustande gekommen sei.

Rechtliche Beurteilung

[2] In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[3] 1. Die Beklagte meint, dass das Berufungsgericht die Frage, „ob sämtliche, laut Vertragstext einen integrierenden Bestandteil des Vertrags bildenden Urkunden (...) zum Bestandteil des Klagebegehrens und folglich des Urteilsspruchs gemacht werden müssen“, zu Unrecht verneint habe. Mit der Anführung der Beil ./B im Urteilsspruch sei im Lichte des § 367 EO der erforderliche Bestimmtheitsgrad nicht erfüllt. Es sei nicht erkennbar, welche Planbeilagen zum Vertragsinhalt geworden seien.

[4] Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Klagebegehrens ist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Wenngleich die Rechtsprechung zu § 367 EO grundsätzlich voraussetzt, dass die Erklärung im Exekutionstitel wörtlich angeführt ist (RS0123582), ist auch der Verweis auf eine angeschlossene oder zum Bestandteil erklärte Urkunde ausreichend. Da die Verpflichtung zur Unterfertigung einer Urkunde nämlich notwendig die Erklärung des Willens zum Inhalt der Urkunde in sich schließt, macht es keinen Unterschied, ob es etwa im Titel heißt, einer genau angeführten vertraglichen Regelung zuzustimmen oder eine diesbezügliche Urkunde zu unterfertigen (RS0004437 [T1]; 7 Ob 185/99b; RS0037399 [T6, T7]; vgl auch Höllwerth in Deixler-Hübner [Hrsg], Exekutionsordnung [31. Lfg 2020] § 367 EO Rz 17 mwN).

[5] Die Revision argumentiert, dass immer dann, wenn die Grundbuchsurkunde – hier das Urteil (§ 33 Abs 1 lit d GBG) – auf weitere Urkunden verweist, auch diese zur Vorlage zu bringen sind. Sie beruft sich dazu auf den Rechtssatz RS0061072. Aus diesem geht aber auch hervor, dass es dann, wenn alle wesentlichen Eintragungsgrundlagen für einen bestimmten Verbücherungsakt in einer Urkunde enthalten sind, die auch kein Bedenken gegen ihre Vollständigkeit erweckt, nur der Vorlage dieser Urkunde im Original bedarf. Ist allerdings ein vollständiges Bild über den Inhalt des zu verbüchernden Vertrags nur aus mehreren Urkunden zusammen zu gewinnen, dann sind alle einzelnen von ihnen Urkunden, aufgrund deren iSd § 87 Abs 1 GBG die betreffende Eintragung erfolgen soll. Worauf es also ankommt, ist, ob die konstitutiven Eintragungsvoraussetzungen in einer Urkunde enthalten sind, oder ob sie nur aus einer Zusammenschau mehrerer Urkunden gewonnen werden können. Von Grundbuchsurkunden, die so zusammenhängen, dass eine integrierender Bestandteil der anderen ist (und die daher gemeinsam im Original vorgelegt werden müssen), kann nur dann gesprochen werden, wenn alle zusammen, keine jedoch für sich allein die für das konkrete Eintragungsbegehren erforderlichen konstitutiven Eintragungsvoraussetzungen enthalten (RS0061050).

[6] Im vorliegenden Fall sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass bereits mit dem – zum Bestandteil des Urteilsspruchs erklärten – Kaufvertrag eine ausreichende Bestimmtheit des Titels vorliegt. Dass die Unterlassung der Anführung der Planbeilagen die mangelnde Exequierbarkeit des Urteilsspruchs zur Folge hätte, ist nicht ersichtlich: In Punkt 5.1. des Vertrags wird auf sie als „beigeschlossene Urkunden“ verwiesen und festgehalten, dass die beiliegenden Grundrisse den aktuell vereinbarten Leistungsumfang der Verkäuferin darstellen; in Punkt 20 des Vertrags werden die Vertragsbeilagen im Einzelnen genannt. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass es nicht schade, dass die Pläne laut Punkt 20 des Kauf- und Bauträgervertrags keinen integrierenden Bestandteil der Klage bildeten, weil dem Vertrag in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise die Pläne zum Stand 9. Juni 2020 zugrunde liegen würden, ist daher nicht zu beanstanden. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht liegt in diesem Punkt nicht vor.

[7] 2. Die Revision wendet sich auch gegen die Annahme einer schlüssigen Willenserklärung durch die Beklagte.

[8] Sowohl die Frage des durch Auslegung zu ermittelnden Parteiwillens (vgl etwa RS0044358) als auch jene, ob eine konkludente Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie gegebenenfalls hat, ist regelmäßig einzelfallbezogen und begründet daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RS0109021 [T5, T6]). Etwas anderes gilt nur dann, wenn dem Berufungsgericht eine grobe, aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Eine solche ist hier nicht gegeben:

[9] Das Berufungsgericht ging hier nicht von einer bereits erfolgten (schlüssigen) Einwilligung in den Vertragsentwurf aus, sondern prüfte, ob eine Verpflichtung der Beklagten zur Einwilligung besteht. Dazu legte es dar, dass mit der Einigung über die essentialia negotii die Verpflichtung einhergegangen sei, den in der Folge zu errichtenden Kauf- und Bauträgervertrag zu unterfertigen. Es führte weiter aus, dass sich die Frage, ob die Beklagte in den Vertragsentwurf einzuwilligen habe, danach richte, ob dessen Inhalt dem übereinstimmenden Parteiwillen entspreche. Wenn das Berufungsgericht dabei auf das nach außen tretende Gesamtverhalten der Beklagte abstellte und aus dem Drängen ihres Geschäftsführers auf ehebaldigste Unterfertigung des Vertrags dessen Akzeptanz der laut Vertragsentwurf ausgehandelten Punkte und folglich des (ehebaldigst) zu unterfertigenden Vertrags ableitete, so ist dies nicht weiter korrekturbedürftig. Anders als die Beklagte ausführt, ist ihr E‑Mail vom 9. 6. 2020, 17:23 Uhr, in der Zeit auch nicht isoliert zu betrachten, gab es doch ua auch einen von ihrem Geschäftsführer avisierten Termin zur Unterfertigung des Vertrags vor einem Notar. Aus der an den Erstkläger gerichteten Frage des Geschäftsführers, was denn mit der „wirtschaftlichen Einigung“ sei, war nicht auf dessen Vorbehalt zum Vertragsabschluss zu schließen.

[10] 3. Eine erhebliche Rechtsfrage sieht die Beklagte auch im Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob „sich auch der Bauträger unter gewissen Umständen auf die Formvorschriften des BTVG berufen kann, nämlich wenn aus Gründen der Verzögerung und Verweigerung der Unterfertigung durch die Erwerber diese nicht mehr schutzwürdig erscheinen“. Nach § 3 Abs 2 BTVG steht nur dem Erwerber das Recht zu, sich auf den Mangel der Form und damit das Nichtvorliegen eines gültigen Bauträgervertrags zu berufen (s auch Gartner, Bauträgervertragsgesetz4 § 3 [Stand 29. 12. 2017] Rz 12 f). Eine Verzögerung und Verweigerung der Unterfertigung durch die Erwerber im Sinn eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens könnte allenfalls die Frage aufwerfen, ob sie selbst – und nicht der Bauträger – aus der Berufung auf die Formunwirksamkeit den Vorteil einer unwirksamen Bindung ziehen dürften. Eine Verzögerung und Verweigerung der Unterfertigung durch die Erwerber ist dem festgestellten Sachverhalt ungeachtet ihrer Sonderwünsche aber ohnedies nicht ausreichend zu entnehmen, womit die von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht entscheidungserheblich ist.

[11] 4. Die Beklagte meint, auch in Hinblick auf die Aktivlegitimation der Zweitklägerin stelle sich die Frage nach der Möglichkeit der Berufung der Beklagten auf das Formgebot. Abgesehen davon, dass sich das Berufungsgericht hinlänglich mit dem Einwand der mangelnden Aktivlegitimation der Zweitklägerin auseinandergesetzt und diesen verneint hat, bringt die Beklagte selbst vor, dass die Zweitklägerin mit Schreiben vom 12. 3. 2020 bekannt gegeben hatte, dass ein Privatkauf über Beitritt ihrer Person stattfinden sollte. Auch nimmt (ua) Beil ./B nicht nur auf den Erstkläger, sondern auch auf die Zweitklägerin „als gemeinsame Käufer und Eigentümerpartnerschaft“ Bezug (s auch ihr Schreiben vom 3. 4. 2020: „Bitte berücksichtigen Sie, dass Käufer Herr [Erstkläger] und Frau [Zweitklägerin] sein werden …“), sodass gerade nicht vom Fehlen einer schriftlichen Fixierung des Käuferwillens der Zweitklägerin auszugehen ist. Eine erhebliche Rechtsfrage wird auch in diesem Punkt nicht aufgezeigt.

[12] 5. Die Beklagte begründet die Zulässigkeit der Revision auch mit einer vermeintlich grob fehlerhaften rechtlichen Beurteilung (nämlich Verneinung) des geltend gemachten Stoffsammlungsmangels durch das Berufungsgericht.

[13] Nach ständiger Rechtsprechung kann ein vom Berufungsgericht verneinter Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens in der Revision nicht geltend gemacht werden (RS0042963). Das gilt zwar nicht, wenn das Gericht zweiter Instanz einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht wahrgenommen hat (RS0043051; RS0042963 [T37]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Das Berufungsgericht hat sich eingehend mit dem geltend gemachten Verfahrensmangel, nämlich der vom Erstgericht unterlassenen Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Bauwesens, auseinandergesetzt und diesen Verfahrensmangel schon deshalb verneint, weil kein ausreichend substantiiertes Tatsachenvorbringen zur behaupteten nachträglichen Unmöglichkeit der Leistungen erstattet worden sei. Zwar wird auch letzteres von der Beklagten in der Revision bekämpft. Die Beurteilung einer nicht ausreichenden Konkretisierung der Unmöglichkeit der Leistungen ist angesichts der verschiedenen in Rede stehenden Änderungen aber jedenfalls vertretbar, lassen diese doch prima vista gerade nicht auf eine Unmöglichkeit schließen (abgehängte Decken, zusätzliche Steckdosen, Durchbruch von zwei Wohneinheiten mit Stiege ua). Das Berufungsgericht hat die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens daher auch nicht mit einer unhaltbaren rechtlichen Begründung verworfen. Nur in einem solchen Fall hätte dies aber zur Revisibilität der Beurteilung des Verfahrensmangels durch das Berufungsgericht führen können.

[14] 6. Schließlich wendet sich die Revision auch gegen die „mangelhafte Prüfung der Beweisrüge“: Das Berufungsgericht habe nämlich die Beweisrüge (zu Feststellung [6]) zu Unrecht als nicht gesetzmäßig ausgeführt beurteilt und sich deshalb nicht inhaltlich mit ihr auseinandergesetzt.

[15] Ob eine Beweisrüge im Einzelfall dem Gesetz gemäß ausgeführt ist, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0041835 [T6]; 1 Ob 120/03h; Lovrek in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 502 ZPO Rz 102 mwN [Stand 1. 9. 2019, rdb.at]). Dass dem Berufungsgericht insoweit eine krasse entscheidungsrelevante Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, geht aus den Revisionsausführungen nicht hervor. Die von den Klägern gewünschten Änderungen mögen für sie wichtig gewesen sein, auch wurde schon im Kaufanbot etwa auf den Durchbruch zwischen zwei Wohnungen Bezug genommen (Punkt IX. Sonstiges). Dennoch ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht eine Auseinandersetzung der Beklagten mit dem weiter festgestellten Umstand vermisste, dass die Kläger bei Nichtdurchführung beispielsweise der gewünschten Verbindung der beiden Wohnungen am Vertrag festgehalten hätten, weil insofern immer noch von einem Wunsch und nicht schon von einer unerlässlichen Bedingung der Kläger ausgegangen werden konnte. Diesbezüglich enthält Beil ./B in Punkt 5.2. im Übrigen ausdrückliche Zusicherungen der Beklagten.

[16] 7. Weitere Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Beklagte in der Zulassungsbeschwerde ihrer außerordentlichen Revision nicht auf. Diese ist daher zurückzuweisen.

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