European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0100OB00006.23I.0425.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Das Verfahren wird fortgesetzt.
II. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil – einschließlich des bestätigten und des in Rechtskraft erwachsenen Teils – insgesamt lautet:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 566,90 EUR samt 4 % Zinsen seit 11. Jänner 2021 binnen 14 Tagen zu zahlen.
2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 6.099,98 EUR samt 4 % Zinsen seit 11. Jänner 2021 binnen 14 Tagen zu zahlen, wird abgewiesen.
3. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.255,86 EUR bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.112,17 EUR (darin 542,01 EUR anteilige Barauslagen und 95,03 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.069,67 EUR (darin 678,18 EUR anteilige Barauslagen und 65,25 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
und
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte gewährte dem Kläger im April 2018 zur Wohnraumbeschaffung zwei Zwischendarlehen, und zwar zur Vertragsnummer *‑85 über 109.000 EUR und zur Vertragsnummer *‑15 über 25.000 EUR. Vereinbart wurde für das Darlehen zu Vertragsnummer *‑85 eine Laufzeit von 419 Monaten und für das Darlehen zu Vertragsnummer *‑15 eine Laufzeit von 240 Monaten.
[2] Für das Darlehen zu Vertragsnummer *‑85 fielen folgende „Entgelte aufgrund des Darlehensvertrages“ an:
Verwaltungskostenbeitrag: 782,86 EUR
Bearbeitungsgebühr: 3.288 EUR
KSV-Gebühr: 1,30 EUR
[…].
[3] Für das Darlehen zu Vertragsnummer *‑15 wurden dem Kläger folgende „Entgelte aufgrund des Darlehensvertrages“ von der Beklagten verrechnet:
Verwaltungskostenbeitrag: 178,57 EUR
Bearbeitungsgebühr: 750 EUR
KSV-Gebühr: 1,30 EUR
Lebensversicherungsprämien: 606,96 EUR
[4] Beide Darlehen tilgte der Kläger vorzeitig im Juli 2019 nach 16‑monatiger Laufzeit.
[5] Der Kläger begehrte die anteilige Refundierung der ihm verrechneten Gesamtkosten beider Darlehen in Höhe von zusammen 6.666,88 EUR sA. Er habe das Recht, einen Kredit vorzeitig zurückzuzahlen und hiefür eine Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits zu erhalten. Der EuGH habe in der Rechtssache C‑383/18 , Lexitor, klargestellt, dass nach der Verbraucherkreditrichtlinie 2008/48/EG (VKrRL) neben laufzeitabhängigen auch laufzeitunabhängige Kosten aliquot zu refundieren seien. Diese Entscheidung schlage auch auf das hier anwendbare Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz durch, das die – insofern der VKrRL entsprechende – Wohnimmobilienkreditrichtlinie 2014/17/EU (WiKrRL) umsetze.
[6] Die Beklagte bestritt und beantragte die Abweisung der Klage. Die gegenständlichen Darlehen würden dem Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz unterliegen. Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Lexitor sei auf den gegenständlichen Fall nicht anwendbar, weil sie zur Verbraucherkreditrichtlinie ergangen sei, die sich im nationalen Recht auf § 16 Abs 1 VKrG beziehe. Die hier einschlägige Regelung des § 20 Abs 1 HIKrG in der im April 2018 geltenden Fassung sehe explizit nur die Verringerung von Zinsen und laufzeitabhängigen Kosten vor. Die Verwaltungskostenbeiträge, die Bearbeitungsgebühren und die KSV‑Gebühren seien laufzeitunabhängige Kosten, weil sie eine Einmalleistung abgelten würden. Die Lebensversicherungsbeträge seien keine Kosten (des Kredits) iSd § 20 Abs 1 HIKrG; die bezahlten 71,76 EUR seien für die vereinbarte Lebensversicherung verwendet worden, sodass der Kläger dafür entsprechenden Versicherungsschutz gehabt habe.
[7] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im revisionsgegenständlichen Umfang von 5.352,82 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren (rechtskräftig) ab. Soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz folgerte es in rechtlicher Hinsicht, dass das Unionsrecht eine Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung vorsehe, das sämtliche dem Verbraucher auferlegten, also auch laufzeitunabhängige Kosten umfasse. Der Gesetzgeber habe dies auch mit der Novelle BGBl I 2021/1 zu § 20 HIKrG berücksichtigt, die allerdings nur auf Kreditverträge anzuwenden sei, die nach dem 31. Dezember 2020 geschlossen worden seien. Der Gesetzgeber habe aber für davor abgeschlossene Kreditverträge eine richtlinienkonforme Regelung schaffen wollen, dies jedoch – wie sich nachträglich aus der Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Union ergebe – nicht zur Gänze umgesetzt. Diese planwidrige Lücke sei durch Analogie zu schließen, um einen richtlinienkonformen Zustand sicherzustellen. § 20 Abs 1 HIKrG sei daher dahin auszulegen, dass bei vorzeitiger Kreditrückzahlung eine aliquote Refundierung auch der laufzeitunabhängigen Kosten zu erfolgen habe. Dem Kläger gebühre daher ein aliquoter Rückforderungsanspruch für alle ihm verrechneten Kosten, unabhängig davon, ob es sich um laufzeitabhängige oder laufzeitunabhängige Kosten handle.
[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts. Weder § 16 Abs 1 VKrG aF noch § 20 Abs 1 HIKrG würden eine Aussage über die Rückerstattung laufzeitunabhängiger Kosten treffen, jedenfalls sei kein entsprechendes Verbot normiert worden. Es ließ die Revision mangels Vorliegens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der richtlinienkonformen Interpretation von § 20 HIKrG aF zu.
[9] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Zu I.:
Rechtliche Beurteilung
[11] I.1. Der Senat hat aus Anlass der Revision mit Beschluss vom 29. März 2022, AZ 10 Ob 8/22g, das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des EuGH über den vom Obersten Gerichtshof am 19. August 2021 zu AZ 5 Ob 66/21y gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.
[12] I.2. Nunmehr hat der EuGH mit Urteil vom 9. Februar 2023, C‑555/21 , UniCredit Bank Austria AG, diese Vorabentscheidung getroffen. Das Revisionsverfahren ist daher fortzusetzen.
Zu II.:
[13] II. Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.
[14] II.1. Der gerügte Verfahrensmangel zweiter Instanz wurde geprüft; er liegt nicht vor.
[15] II.2.1. § 20 Abs 1 Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz (HIKrG), BGBl I 2015/135, lautete in der bis 31. Dezember 2020 anzuwendenden Fassung:
Der Kreditnehmer hat das jederzeit ausübbare Recht, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zum Teil oder zur Gänze zurückzuzahlen. Die vorzeitige Rückzahlung des gesamten Kreditbetrags samt Zinsen gilt als Kündigung des Kreditvertrags. Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und gegebenenfalls entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeitabhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig.
[16] Diese Bestimmung trat mit 21. März 2016 in Kraft und war nur auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 20. März 2016 geschlossen bzw gewährt wurden (§ 31 Abs 1 HIKrG).
[17] II.2.2. Mit § 20 Abs 1 HIKrG wurde Art 25 Abs 1 der WIKrRL in das nationale Recht umgesetzt (vgl § 1 HIKrG). Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Verbraucher das Recht haben, ihre Verbindlichkeiten aus einem Kreditvertrag vollständig oder teilweise vor Ablauf des Vertrags zu erfüllen. In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.
[18] II.2.3. In der Rechtssache C‑383/18 (Lexitor) sprach der EuGH aus (Rn 36), Art 16 Abs 1 der VKrRL sei dahin auszulegen, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegte Kosten betreffe. Diese Entscheidung erging ausschließlich zur Auslegung von Art 16 Abs 1 der VKrRL und traf zu Art 25 der WiKrRL keine Aussage.
[19] II.2.4. Mit der Novelle BGBl I 2021/1 strich der Gesetzgeber aufgrund dieser Entscheidung nicht nur in § 16 Abs 1 VKrG, sondern auch in § 20 Abs 1 HIKrG (jeweils) im letzten Satz das Wort „laufzeitabhängige“. Hintergrund war die Überlegung, dass § 16 Abs 1 VKrG bei vorzeitiger Rückzahlung nur eine Verringerung der laufzeitabhängigen Kosten vorsehe, was nach dem Urteil Lexitor zu einschränkend sei (ErläutRV 478 BlgNR 27. GP 2). Aufgrund der beinahe wortgleichen Vorgaben sei § 16 Abs 1 VKrG beinahe wortgleich wie § 20 Abs 1 HIKrG formuliert, sodass auch § 20 HIKrG entsprechend geändert werden solle (ErläutRV 478 BlgNR 27. GP 4). § 20 Abs 1 HIKrG idF dieser Novelle trat mit 1. Jänner 2021 in Kraft und ist auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2020 geschlossen bzw gewährt werden (§ 31 Abs 5 HIKrG).
[20] II.2.5. Der EuGH hat mit Urteil vom 9. Februar 2023 in der Rechtssache C‑555/21 , UniCredit Bank Austria AG, die vom Obersten Gerichtshof zu 5 Ob 66/21y gestellte Vorlagefrage wie folgt beantwortet:
Art 25 Abs 1 WIKrRL ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass das Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nur die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten umfasst, nicht entgegensteht.
[21] Der EuGH befasste sich dabei mit dem Begriff der „Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“ gemäß Art 4 Z 3 der WiKrRL, der sämtliche Kosten umfasse, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen habe und die dem Kreditgeber bekannt seien. Ausdrücklich ausgenommen davon seien Notargebühren, Gebühren für die Eintragung der Eigentumsübertragung in das Grundbuch, wie Kosten für die Grundbucheintragung und damit verbundene Steuern, sowie Entgelte, die der Verbraucher für die Nichteinhaltung der im Kreditvertrag festgelegten Verpflichtungen zahlen müsse (Rn 24). Ob derartige Kosten zu diesen Gesamtkosten gehörten, obliege der Prüfung des nationalen Gerichts (Rn 25). Unter Berücksichtigung der Erwägungsgründe der WiKrRL stellt der EuGH fest, dass die in Art 25 Abs 1 WiKrRL vorgesehene Ermäßigung nicht darauf abziele, den Verbraucher in die Lage zu versetzen, in der er sich befände, wenn der Kreditvertrag für eine kürzere Laufzeit oder einen geringeren Betrag oder ganz allgemein zu anderen Bedingungen geschlossen worden wäre, sondern darauf, den Vertrag an die sich durch die vorzeitige Rückzahlung geänderten Umstände anzupassen. Damit könne das Ermäßigungsrecht nicht die Kosten umfassen, die unabhängig von der Vertragslaufzeit dem Verbraucher entweder zu Gunsten des Kreditgebers oder zu Gunsten Dritter für Leistungen auferlegt werden, die zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung bereits vollständig erbracht worden seien (Rn 28 ff).
[22] Zur Frage, welche Kosten von der Laufzeit abhängen und der verhältnismäßigen Kürzung unterliegen können, stellt der EuGH auf das ESIS‑Merkblatt ab, das der Kreditgeber dem Verbraucher gemäß Art 14 Abs 1 und 2 WiKrRL auszufolgen hat. Dieses Merkblatt sehe eine Aufschlüsselung der vom Verbraucher zu zahlenden Kosten danach vor, ob es sich um einmalige oder regelmäßige Kosten handelt (Rn 34) und ermögliche damit, sowohl dem Verbraucher als auch dem nationalen Gericht die Prüfung, ob eine Art von Kosten objektiv mit der Vertragslaufzeit zusammenhänge (Rn 35). Diese standardisierte Aufschlüsselung verringere den Handlungsspielraum der Kreditinstitute. Die in der Entscheidung Lexitor noch angesprochene Gefahr eines missbräuchlichen Verhaltens des Kreditgebers rechtfertige es daher nicht, die laufzeitunabhängigen Kosten in das in Art 25 Abs 1 der WiKrRL vorgesehene Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits einzubeziehen (Rn 32 ff). Sache der nationalen Gerichte sei es, dafür Sorge zu tragen, dass Kosten, die dem Verbraucher unabhängig von der Laufzeit des Kreditvertrags auferlegt würden, nicht objektiv ein Entgelt des Kreditgebers für die vorübergehende Verwendung des vertraglich vereinbarten Kapitals oder für Leistungen darstellten, die den Verbraucher zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung noch erbracht werden müssten. Insoweit geht der EuGH von einer Nachweispflicht des Kreditgebers aus, ob es sich bei den betreffenden Kosten um einmalige oder regelmäßige Kosten handelt (Rn 38).
[23] II.3.1. Aufgrund der Gewährung des gegenständlichen Kredits im Jahr 2018 ist im vorliegenden Fall § 20 Abs 1 HIKrG idF BGBl I 2015/135 anzuwenden, nach dem (nur) „laufzeitabhängige Kosten“ der verhältnismäßigen Verringerung unterliegen.
[24] II.3.2. Aus der Regelung des § 20 Abs 1 HiKrG idF BGBl I 2015/135 zog der Oberste Gerichtshof (wie schon zur gleichlautenden Regelung des § 16 Abs 1 VKrG) vor der Entscheidung des EuGH Lexitor den Umkehrschluss, dass laufzeitunabhängige Entgelte bei vorzeitiger Tilgung nicht aliquot zu reduzieren seien (6 Ob 13/16d [Pkt 6.2.]; 10 Ob 31/16f [Pkt 5.6.2]). Während dieser Umkehrschluss für den Bereich des VKrG durch die Entscheidung Lexitor nicht mehr zulässig scheint, steht nach der nun ergangenen Entscheidung des EuGH Art 25 WiKrRL einem solchen Umkehrschluss nicht entgegen. Aus unionsrechtlicher Sicht ist es daher nicht geboten, bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits laufzeitunabhängige Kosten tatsächlich verhältnismäßig zu verringern (5 Ob 25/23x). Die von den Vorinstanzen aufgeworfene Frage richtlinienkonformer Interpretation des § 20 Abs 1 HKrG (auch) im Lichte der Entscheidung Lexitor zur VKrRL (vgl hierzu 3 Ob 216/21t [Pkt 10. aE]; 5 Ob 197/21p [Pkt 6.2], die eine richtlinienkonforme Interpretation contra legem in Bezug auf § 16 Abs 1 VKrG aF ablehnen) stellt sich daher hier nicht.
[25] II.3.3. Die Frage, welche Kosten von der Laufzeit abhängen und der verhältnismäßigen Kürzung unterliegen können, kann nach dem EuGH anhand des ESIS‑Merkblatts überprüft werden. Um eine Umgehung der Schutzvorschriften der WIKrRL zu verhindern, haben die nationalen Gerichte dafür Sorge zu tragen, dass die Kosten, die dem Verbraucher unabhängig von der Laufzeit des Kreditvertrags auferlegt werden, nicht objektiv ein Entgelt des Kreditgebers für die vorübergehende Verwendung des vertraglich vereinbarten Kapitals oder für Leistungen darstellen, die dem Verbraucher zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung noch erbracht werden müssten; der Kreditgeber muss insoweit nachweisen, ob es sich bei den betreffenden Kosten um einmalige oder um regelmäßige Kosten handelt (EuGH C‑555/21 , UniCredit Bank Austria AG, Rn 38).
[26] II.4. Auf den vorliegenden Fall angewendet ergibt sich daraus folgendes:
[27] II.4.1. Zu den vom Kläger nach seinem Vorbringen als Verwaltungskostenbeitrag (782,86 EUR und 178,57 EUR), Bearbeitungsgebühr (3.288 EUR und 750 EUR) sowie KSV‑Gebühr (jeweils 1,30 EUR) verrechneten Kosten brachte die Beklagte ausdrücklich vor, dass diese laufzeitunabhängige Kosten darstellten, weil sie nach objektiver Betrachtung eine Einmalleistung abgelten würden (ON 3 Seite 2). Dieses Vorbringen ließ der Kläger – der die auch vom EuGH angesprochene Umgehungsmöglichkeit erkannte – auf Tatsachenebene unwidersprochen, sodass es als zugestanden anzusehen ist (§ 267 ZPO). Dieses Zugeständnis kann auch noch in dritter Instanz verwertet werden (RS0040083). Aus dem vom Erstgericht unbekämpft festgestellten Sachverhalt ergibt sich überdies, dass diese Entgelte anfielen bzw dem Kläger verrechnet wurden, sodass der Beklagten insgesamt der Beweis gelungen ist, dass es sich dabei um einmalige Kosten handelte. Diese Kosten werden durch die vorzeitige Rückzahlung des Kredits daher nicht berührt. Die geforderte anteilige Refundierung kommt daher nicht in Betracht.
[28] II.4.2. Zu den vom Kläger (hinsichtlich des Darlehens mit der Vertragsnummer *‑15) geltend gemachten „Lebensversicherungsprämien“ (606,96 EUR) brachte die Beklagte umgekehrt nicht vor, dass es sich dabei um von der Laufzeit unabhängige Kosten handle, sondern lediglich, dass es sich dabei nicht um Kosten (des Kredits) iSd § 20 Abs 1 HIKrG handle und diese Prämien für die vereinbarte Lebensversicherung auf den Todesfall verwendet worden seien und der Kläger dafür entsprechenden Versicherungsschutz gehabt habe (ON 3 Seite 3). Aus den von der Beklagten vorgelegten, ihrem Inhalt nach unstrittigen (und daher der Entscheidung zugrunde zu legenden: RS0121557 [T3]; RS0040083 [T1]) Urkunden ergibt sich darüber hinaus, dass diese Lebensversicherung mit dem auf die Unterfertigung des Schuldscheins folgenden Monatsersten (frühestens jedoch mit dem auf den Bewilligungstermin für das Zwischendarlehen folgenden Monatsersten) beginnen (./3 Schuldschein Seite 5) sollte und ihr Ende (jedenfalls) mit der Rückzahlung der gesamten Darlehensschuld bewirkt werden konnte (./1 Antrag Darlehensversicherung Seite 2). Da die Versicherungsdauer (und dementsprechend die Anzahl der zu zahlenden Prämien) somit (auch) von der (durch die vorzeitige Rückzahlung verkürzten) Laufzeit des Kredits abhing, handelt es sich bei dem als „Entgelt aufgrund des Darlehensvertrags“ für die ursprüngliche Laufzeit des Kredits vereinbarten Lebensversicherungsprämien (s ./3 Schuldschein Seite 6) um laufzeitabhängige Kosten iSd § 20 Abs 1 HIKrG, die aufgrund der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits verhältnismäßig zu verringern sind. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kann dagegen nicht eingewendet werden, dass der Kläger einen „entsprechenden“ Versicherungsschutz gehabt habe, weil infolge Rückzahlung des Kredits auch der Versicherungsschutz des Klägers (vorzeitig) endete, obwohl das von ihm nach den Feststellungen gezahlte Entgelt für die ursprünglich vereinbarte Laufzeit berechnet wurde.
[29] Dem in erster Instanz von der Beklagten dagegen erhobenen Einwand, es handle sich nicht um Kosten des Kreditvertrags, hielt schon das Erstgericht entgegen, dass nach Art 3 lit g der VKrRL iVm Art 4 Z 13 der WIKrRL (vgl im Wesentlichen gleichlautend § 2 Abs 9 HIKrG) auch Kosten für Nebenleistungen im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag, insbesondere Versicherungsprämien, erfasst seien, wenn der Abschluss des Vertrags über diese Nebenleistung eine zusätzliche zwingende Voraussetzung dafür sei, dass der Kredit überhaupt oder nach den vorgesehenen Vertragsbedingungen gewährt werde. Auf diese Argumentation ging die Beklagte schon in der Berufung nicht ein und auch die Revision enthält dazu keine Ausführungen, sodass dieser Einwand aus der ansonsten umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden ist (RS0043352 [T35]).
[30] II.4.3. Von den vom Kläger geltend gemachten Kosten verbleiben damit nur die mit ihm bei Vertragsschluss (unter Zugrundelegung einer Laufzeit von 240 Kalendermonaten in Höhe von 606,96 EUR) vereinbarten Lebensversicherungsprämien als laufzeitabhängige und daher anteilsmäßig zu verringernde Kosten. Diese wurden dem Kläger nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts in Höhe von 606,96 EUR verrechnet. Gegen die Berechnung des Rückzahlungsanspruchs durch den Kläger und die Vorinstanzen, die – ausgehend von einer tatsächlichen Laufzeit von 6,6 % der vereinbarten Laufzeit – hinsichtlich dieses Darlehensvertrags eine Rückzahlungsquote von 93,4 % annahmen, wendet sich die Beklagte nicht, sodass sich ein Rückzahlungsanspruch von 566,90 EUR ergibt.
[31] II.5.1. Der Revision der Beklagten war daher teilweise Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Kläger lediglich 566,90 EUR zuzüglich der geltend gemachten (nicht bestrittenen) Zinsen zuzusprechen waren; das Mehrbegehren war demgegenüber abzuweisen.
[32] II.5.2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, im Berufungs- und Rekursverfahren iVm § 50 ZPO.
[33] Die Beklagte obsiegte in erster Instanz mit rund 91 % des Streitwerts. Die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO ist nicht verpflichtend (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.177), sondern rechtfertigt nur aus prozessökonomischen Gründen oder aus Gründen der besonderen Vereinfachung den vollen Kostenzuspruch bei einem verhältnismäßig geringfügigen Unterliegen (9 ObA 1/99h). Da nicht in allen Verfahrensabschnitten die Voraussetzungen des § 43 Abs 2 ZPO erfüllt sind und ein Kostenzuspruch nach Quoten im ersten Verfahrensabschnitt (Verfahren erster Instanz) auch verhältnismäßig unkompliziert zu berechnen ist, bietet die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO keine besondere Vereinfachung. Der Kläger hat der Beklagten daher 82 % der von ihr verzeichneten Vertretungskosten erster Instanz (1.070,10 EUR) zuzüglich Umsatzsteuer (214,02 EUR) und abzüglich 9 % der vom Kläger getragenen Pauschalgebühr (28,26 EUR) für das Verfahren erster Instanz zu ersetzen.
[34] Im Berufungs- und Revisionsverfahren obsiegte die Beklagte mit jeweils rund 89 % des Streitwerts, sodass der Kläger ihr jeweils 78 % der Vertretungskosten und 89 % der von ihr getragenen Pauschalgebühren zu ersetzen hat.
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