OGH 2Ob62/23s

OGH2Ob62/23s20.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*, wider die beklagte Partei N*, vertreten durch Dr. Susanne Schwarzenbacher, Rechtsanwältin in Wien, als gerichtlich bestellte Erwachsenenvertreterin, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 1. Februar 2023, GZ 39 R 304/22b‑19, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00062.23S.0420.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Bestandrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen erklärten – gestützt auf § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG – die gerichtliche Aufkündigung der Klägerin vom 25. 3. 2022 für rechtswirksam und verpflichteten die Beklagte zur Räumung der gemieteten Wohnräume.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die außerordentliche Revision der beklagten Mieterin ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[3] 1. Eine Kündigung wegen unleidlichen Verhaltens setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus, die durch längere Zeit fortgesetzt wird oder sich in häufigen Wiederholungen äußert und überdies nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigt. Einmalige Vorfälle bilden den Kündigungsgrund nur, wenn sie schwerwiegend sind; jedoch können mehrere, an sich geringfügige Vorfälle den Kündigungstatbestand bilden (RS0070303; RS0067678). Es kommt nicht darauf an, ob den Mieter ein Verschulden trifft, sondern darauf, ob das objektiv in Erscheinung tretende Verhalten als ein grob ungehöriges, das Zusammenwohnen verleidendes angesehen werden muss, auch wenn es etwa auf eine geistige Erkrankung zurückgeführt werden kann. Bei krankheitsbedingtem Verhalten ist jedoch eine Interessenabwägung aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (RS0067733 [insb T5]), die als typische Einzelfallbeurteilung in der Regel nicht revisibel ist (RS0020957 [T4]).

[4] Stellt der Mieter nach der – für Beurteilung des Vorliegens des Kündigungsgrundes grundsätzlich maßgebenden (RS0070378 [T3]) – Zustellung der Aufkündigung sein unleidliches Verhalten ein, ist diese Verhaltensänderung bei Beurteilung des Gesamtverhaltens mitzuberücksichtigen (RS0067519 [T3]) und kann bei Vorliegen einer positiven Zukunftsprognose zur Abweisung der Klage führen, sofern die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten ausgeschlossen werden kann (RS0070378 [T2]). Auch die Frage, ob bei einer Verhaltensänderung nach Einbringung der Aufkündigung der Schluss zulässig ist, dass die Wiederholung der bisherigen Unzukömmlichkeiten auszuschließen ist, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RS0042790).

[5] 2. Wenn das Berufungsgericht unter Hinweis auf das wiederholte Hinauswerfen von Unrat, Essensresten, Wäsche, aber auch schwereren Gegenständen (Flaschen, Tellern, etc) aus der im vierten Stock gelegenen Wohnung auf den Gehsteig sowie den Gang und die Verursachung nächtlichen Lärms durch die an paranoider Schizophrenie und Wahnvorstellungen leidenden Beklagten den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG bejaht, stellt dies keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Dasselbe gilt für die negative Zukunftsprognose. Dass eine Wiederholung der bisherigen – nach Aufkündigung zwar gebesserten, aber nicht völlig eingestellten – Unzulänglichkeiten ausgeschlossen wäre, steht gerade nicht fest.

Stichworte