European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00036.23X.0324.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der erstbeklagten und der zweitbeklagten Partei die mit 1.079,75 EUR (darin 179,96 EUR USt) sowie der drittbeklagten Partei die mit 1.032,91 EUR (darin 172,15 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Kläger waren von 1992 bis 2017 Aktionäre der C* AG, konnten zusätzlich Punkte über Punktekorbverträge erwerben und nutzten diese auch für Urlaube.
[2] Der Erstbeklagte war Aufsichtsratsvorsitzender, der Zweitbeklagte Vorstandsvorsitzender der AG. Die Drittbeklagte war ihre Abschlussprüferin. Am 31. 10. 2017 wurde über das Vermögen der AG ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet.
[3] Die Kläger begehren Schadenersatz von den Beklagten, weil sie bei Kenntnis der wahren Umstände ihren Vertrag aus wichtigem Grund kündigen hätten können und sie für die von ihnen erworbenen (und nicht verbrauchten) Punkte bei Verkauf (noch) einen bestimmten Betrag erhalten hätten. Auch der Clubbeitrag als Vorauszahlung für die weiteren Jahre wäre nicht mehr angefallen. Der Zweitbeklagte hätte ab dem Jahr 2010 keine weiteren Beherbergungs‑ oder Punktekorbverträge mehr abschließen dürfen. Der Erstbeklagte wäre verpflichtet gewesen, auf den Zweitbeklagten insoweit einzuwirken und hätte erforderlichenfalls Vertragspartner selbst informieren müssen. Die drittbeklagte Prüferin hätte den Bestätigungsvermerk des Jahresabschlusses ab dem Geschäftsjahr 2010 versagen oder allenfalls eingeschränkt erteilen müssen; sie hätte auf die überdies schlechte Finanzsituation der AG und deren Insolvenzgefährdung hinweisen müssen.
[4] Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass die Kläger, wenn sie erfahren hätten, dass die AG inhaltlich der jeweiligen Jahresabschlüsse bereits im Jahr 2001 ein negatives Eigenkapital und einen bestimmten Bilanzverlust aufgewiesen und sich das negative Eigenkapital sowie der Bilanzverlust in den Folgejahren bis 2008 auf bestimmte Beträge erhöht habe, ihre bestehenden Verträge aus wichtigem Grund aufgelöst und in der Folge keine weiteren Beherbergungs‑Punktekorb‑Verträge mehr geschlossen hätten oder dass sie so verfahren wären, wenn sie erfahren hätten, dass ab dem Jahr 2010 von den Wirtschaftsprüfern der Bestätigungsvermerk betreffend den Jahresabschluss der AG eingeschränkt oder eine Bestandsgefährdung ausgewiesen worden wäre. Darüber hinaus traf es umfangreich Feststellungen zur wirtschaftlichen Entwicklung der AG ab dem Jahr 2001, zur Ausweisung von negativem Eigenkapital und Bilanzverlusten in den jeweiligen Jahresabschlüssen, zu abgegebenen (und im Wirtschaftsleben keineswegs unüblichen) liquiditätsstärkenden Patronatserklärungen, Rangrücktrittsvereinbarungen sowie Zinsfreistellungs‑ und Besserungsvereinbarungen, zu den gut dokumentierten stillen Reserven sowie zum Ablauf der Prüfungen durch die Drittbeklagte und deren Ergebnis.
[5] Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab.
Rechtliche Beurteilung
[6] Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts liegt eine erhebliche Rechtsfrage nicht vor. Dies Zurückweisung der Kläger bedarf nur einer kurzen Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO):
[7] 1. Die Begründung des Berufungsgerichts, die ordentliche Revision sei (doch) zulässig, weil eine Fehlbeurteilung nicht ausgeschlossen sei, wenn man annehme, die Feststellungen könnten für die Beurteilung der Haftung der Drittbeklagten nicht ausreichen, läuft darauf hinaus, den festgestellten Sachverhalt in dritter Instanz ganz generell einer Überprüfung auf seine Richtigkeit hin zuzuführen. Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO angesprochen.
[8] Abseits einer (nicht entscheidungswesentlichen) Feststellung zur Kenntnis der Kläger im Hinblick auf den Einwand der Verjährung, moniert die Revision nicht, welche Tatsachen für die Beurteilung des Vorgehens der Drittbeklagten noch festzustellen wären.
[9] 2.1. Die Vorinstanzen kamen auf Basis des im (mit Einstellung beendeten) Strafverfahren eingeholten Gutachtens, in dem auch der Hinweis der Drittbeklagten in den Ergänzungen der Bestätigungsvermerke einer Prüfung unterlag, zum Ergebnis, es habe die Drittbeklagte die Jahresabschlüsse der Geschäftsjahre 2000/2001 bis 2017 ordnungsgemäß geprüft, sie habe ihren gesetzlichen Berichtspflichten entsprochen und habe die Bestätigungen vertretbar erteilt. Darin liegt keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Revision bemängelt konkret (und über pauschale Ausführungen hinaus) lediglich, die Prüferin habe ab dem Jahresabschluss 2011 bewusst § 274 Abs 3 UGB, wonach der Prüfer auf die Umstände, auf die er in besonderer Weise aufmerksam gemacht hat, ohne das Berufungsurteil (gemeint offenkundig: das Prüfungsurteil) einzuschränken, verletzt. Damit entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, dem sich dies nicht entnehmen lässt. Diese in Abs 3 leg cit enthaltene Anordnung wurde überdies erst mit BGBl I 2015/22 eingeführt. Sie war gemäß § 906 Abs 28 UGB erst auf den Jahresabschluss 2016 anzuwenden, der aber vor Eröffnung des Sanierungsverfahrens am 31. 10. 2017 noch gar nicht erstellt gewesen war. Nur der Vollständigkeit halber sei inhaltlich zur Kritik der Revision, der von der Drittbeklagten (ohnehin und schon in den Vorjahren) aufgenommene Hinweis sei nicht ausreichend („feigenblattartig“), es sei die Nennung weiterer (konkreter gefasster) Umstände erforderlich gewesen, angemerkt, dass die Abschlussprüferin diesbezüglich ihre Redepflicht erfüllt hatte und die Ausübung der Redepflicht nicht in jedem Falle auch zu einer hinweisenden Ergänzung zum Bestätigungsvermerk führen muss (vgl Prachner/Szaurer in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 274 Rz 47 [Stand 1. 3. 2019, rdb.at]; Köll/Milla in Zib/Dellinger, Unternehmensgesetzbuch [2015] § 274 Rz 37).
[10] 2.2. Die Revision kann auch zum fehlenden Kausalitätsnachweis des Handelns der Drittbeklagten – worin aber eine selbständig tragende Begründung für die Abweisung des Klagebegehrens liegt – keine erhebliche Rechtsfrage ansprechen. Auch ein geringeres Beweismaß für den Kausalitätsbeweis (RS0022900) ändert nichts an der von der Revision selbst eingeräumten Beweislast hinsichtlich des Kausalzusammenhangs (vgl dazu auch 7 Ob 172/14s; 5 Ob 231/21p; 6 Ob 234/17f).
[11] Wie sich die Kläger (bei Erteilung und Kenntnis von einem – ihrer Ansicht nach richtigerweise zu erteilenden – eingeschränkten Bestätigungsvermerk) konkret verhalten hätten, ist – anders als die Revision behauptet – nicht Rechts-, sondern Tatfrage (vgl 4 Ob 74/05v; 6 Ob 4/17g). Die Ausführungen zum Anscheinsbeweis (unter Hinweis auf die zu 10 Ob 46/13g und 6 Ob 187/13p ergangenen Entscheidungen) zielen nach der Revision bloß dahin ab, auf der Sachverhaltsebene (richtigerweise) zugrunde zu legen, dass die Kläger von einem eingeschränkten Bestätigungsvermerk über die Medien Kenntnis erlangt hätten. Ausgehend von der in der Berufung erfolglos bekämpften Negativfeststellung zu ihrem Verhalten im Fall einer solchen Kenntnis ist daraus (mangels festgestellter Verhaltensänderung) für sie aber nichts zu gewinnen.
[12] 3.1. Es bedarf auch die – in der Zulassungsbegründung gar nicht erwähnte – Verneinung der Haftung von Erst‑ und Zweitbeklagten keiner Korrektur. Das Bestehen einer Aufklärungspflicht (deren Verletzung dem erstbeklagten Vorstandsvorsitzenden und dem zweitbeklagten Aufsichtsratsvorsitzenden vorgeworfen wurde) hängt im Allgemeinen davon ab, ob der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte. Die Berücksichtigung und Abwägung dieser Umstände ist eine Frage des Einzelfalls und stellt keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RS0016390 [insb T9]). Das Berufungsgericht hat sich, abseits seiner Beschäftigung mit den aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen entspringenden Anforderungen betreffend die Aufklärungspflicht (unter Hinweis auf RS0016390 [bes T5]), überdies mit der Frage befasst, inwieweit sich aus dem die Aufgaben der Organe der Aktiengesellschaft und deren Pflichten gegenüber den Aktionären regelnden Aktiengesetz eine Informationspflicht ableiten ließe. Es hat dabei (unter Hinweis auf die im Spannungsverhältnis von §§ 70, 84, 95 f, 118 AktG von den Organen zu treffende Ermessensentscheidung) eine Verletzung der Aufklärungspflicht vertretbar verneint. Auf die dazu angestellten Erwägungen geht die Revision nicht ein. Sie wirft mit der Wiederholung des eigenen (gegenteiligen) Standpunkts unter Berufung auf Treuepflichten im Dauerschuldverhältnis keine neuen Argumente auf und beschäftigt sich nicht mit den zum AktG angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts.
[13] 3.2. Das Erstgericht hat auch hinsichtlich dieser Vorwürfe zu allen von den Klägern in erster Instanz konkret über allgemein gehaltene Vorwürfe („sehr“ bzw „überaus schlechte“ bzw „desaströse Finanzlage“) hinausgehenden konkret geltend gemachten Umständen (Angaben zu negativem Eigenkapital und zu Bilanzverlusten, auf die sie ihren Vorwurf der fehlenden Aufklärung bezogen haben) eine Negativfeststellung zu einer Verhaltensänderung bei Erfüllung dieser Informationspflicht getroffen. Damit kann sich die Revision nicht mehr auf andere, im Verfahren erster Instanz nicht genannte Gesichtspunkte stützen.
[14] Ebenso wie hinsichtlich der gegenüber der Drittbeklagten erhobenen Vorwürfe haben die Kläger auch hinsichtlich dieser von ihnen haftungsbegründend beurteilten unterlassenen Aufklärungen durch Erst- und Zweitbeklagten den Kausalitätsnachweis nicht erbracht.
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