OGH 4Ob74/05v

OGH4Ob74/05v15.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst D***** OHG, *****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei S*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Julia Hagen und Mag. Martin Künz, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 36.336,42 EUR sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei und Kostenrekurs der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Februar 2005, GZ 2 R 267/04p-120, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 25. August 2004, GZ 7 Cg 227/98x-114 in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Rechtssache befindet sich im vierten Rechtsgang; hinsichtlich Vorbringen, Verfahrensgang und Sachverhalt wird auf die Entscheidungen 4 Ob 34/01f = ÖBl 2001, 229 - Großkunden-Rückvergütung, 4 Ob 210/02i = ÖBl 2003, 188 (Barbist) - Großkunden-Rückvergütung II und 4 Ob 110/04m = ÖBl 2005, 26 (Barbist) - Großkunden-Rückvergütung III verwiesen.

Noch unerledigter Gegenstand des Rechtsstreits ist allein das Schadenersatzbegehren der Klägerin von 36.336,42 EUR aus der Gewährung des Rabattsystems an Großunternehmer. Die Klägerin stützte ihr Begehren auf § 1 UWG, auf §§ 1293 ff ABGB "und auf jeden erdenkbaren anderen Rechtsgrund". Bei der Berechnung des Vermögensschadens, den die Klägerin durch die jahrzehntelange Rabattdiskriminierung und die dadurch bewirkte systematische Schlechterstellung im Wettbewerb erlitten habe, sei nach der Differenzmethode auf die Vermögenslage der Klägerin abzustellen, wie sie sich ohne die gesetzwidrige Benachteiligung durch die Beklagte darstellte. Die hypothetische Gleichbehandlung der Klägerin lasse sich in drei Rechenmodellen darstellen:

Modell 1 lege eine Rückvergütung für die Klägerin von 5 % zugrunde, wie sie ihre Mitbewerber erhalten hätten. Die Klägerin habe zwischen 1988 und 1997 bei der Beklagten Waren im Einkaufswert von rund 243 Mio S netto bezogen. 5 % Rückvergütung hätte sich für diesen Zeitraum auf rund 12 Mio S belaufen, die der Klägerin als zusätzlicher Gewinn zur Verfügung gestanden wären. Sie hätte damit ihre Konkurrenzfähigkeit steigern und zusätzliche Marktanteile und Gewinne erzielen können. Wie sich der Gesamtmarkt unter diesen Prämissen entwickelt hätte, könne bei diesem Modell dahingestellt bleiben, weil in diesem Rechtsstreit ohnehin nur ein Teilbetrag von 36.336,42 EUR verlangt werde. Modell 2 stelle allein auf die durch Wegfall der Großkundenvergütung gesteigerte Konkurrenzfähigkeit der Klägerin und die dadurch ausgelöste hypothetische Marktentwicklung ab. Dieses Modell sei aus rechtlichen Gründen nicht angebracht, weil nicht die Auszahlung an sich, sondern die Auszahlung nach dem durch das gesetzwidrige Rabattsystem vorgegebenen Verteilungsschlüssel gesetzwidrig gewesen sei. Für den Fall, dass sich die Gerichte dieser Rechtsansicht nicht anschließen sollten, werde geltend gemacht, dass schon bei bloßer Nichtauszahlung des Großkundenrabatts die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin gegenüber dem Begünstigten so gesteigert worden wäre, dass sie unter Bedachtnahme auf die gesamte hypothetische Marktsituation in der Zeit von 1988 bis 1997 zusätzliche Gewinne von weit mehr als dem begehrten Betrag erzielt hätte. Die Schadensberechnung nach Modell 3 gehe von der Verteilung der rechtswidrig gewährten Rückvergütungen auf alle S*****-Kaufleute nach sachlich gerechtfertigten Gesichtspunkten aus. Die offiziellen Preiskonditionen der Beklagten in Form ihres "cost-plus-Systems" würden ungefähr jene Einsparungen abgelten, die die Beklagte durch die größere Abnahmemenge ihres Kunden habe. Für eine Verteilung der tatsächlich ausgeschütteten Rückvergütungen an alle S*****-Kaufleute erscheine deshalb eine Verteilung nach dem Verhältnis ihrer Einkäufe bei der Beklagten am ehesten sachgerecht. Dies käme einer allen S*****-Kaufleuten zugute kommenden Preissenkung gleich. Der Einkaufsumsatz der Firma S***** errechne sich mit 245,952.000 S. Abzüglich der Einstiegsgröße von 27,060.000 S ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von 218,892.000 S. Bei der Berechnung der Großkundenrückvergütungen in den festgestellten Stufen ergebe sich auf dieser Basis für 1998 eine Summe von insgesamt 27,570.302,31 S. Der Einkaufsumsatz der Klägerin bei der Beklagten habe 1998 rund 30 Mio S oder 1,25 % des gesamten "GH-Umsatzes" ausgemacht. Der der Klägerin zustehende Anteil an den gesetzwidrig ausgeschütteten Rabatten betrage daher rund 350.000 S. Auch für die Jahre 1976 bis 1997 sei der Betrag, welcher der Klägerin von der Beklagten rechtswidrig vorenthalten worden sei, unter Bedachtnahme auf die Indexanpassung der Rabattstaffel mit rund 350.000 S pro Jahr anzunehmen. Es sei daher selbst ohne Hinzurechnung der durch die Marktverzerrung verursachten zusätzlichen Schäden offensichtlich, dass der Vermögensschaden der Klägerin den strittigen Teilbetrag von 36.336,42 EUR um ein Vielfaches übersteige.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Für die Klägerin hätten sich im Falle der Nichtgewährung der Großkundenrückvergütung an die S***** GmbH im maßgeblichen Zeitpunkt keine vermögensrechtlichen Auswirkungen ergeben. Auf Grund ihres Einkaufsumsatzes und der Attraktivität ihrer Verbrauchsmärkte für andere Lieferanten hätte die S***** GmbH keine Konditionsverschlechterungen in Kauf nehmen müssen, sondern andere Lieferanten gefunden, die sie zu mindestens gleich günstigen Konditionen beliefert hätten. Der Wegfall des hohen Einkaufsumsatzes hätte zu einer Verschlechterung des Deckungsbeitrags und damit im Ergebnis zu einer Erhöhung der Grundpreise für die selbstständigen S*****-Einzelhändler und damit auch für die Klägerin geführt. Die Beklagte hätte mit Sicherheit nicht allen selbstständigen S*****-Kaufleuten eine Begünstigung von 5 % gewährt, wenn sie die Rechtswidrigkeit der Großkundenrückvergütung erkannt hätte. Eine aliquote Aufteilung aller tatsächlich vergüteten Rabatte finde weder im Gesetz noch in den Vereinbarungen der Streitteile Deckung und würde zur Diskriminierung aller Nichtbegünstigten führen. Die Klägerin habe die Schadensminderungspflicht verletzt. Durch Eingehen einer Systempartnerschaft wäre sie grundsätzlich in den Genuss der damit verbundenen Vergütung von 1,7 % des Warenbezugs gekommen. Durch eigene Expansionsinitiativen oder Zusammenschluss mit anderen Unternehmen hätte sie die Möglichkeit gehabt, die Bedingungen für einen Großkundenrabatt zu erreichen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen: Die Klägerin erfuhr im Frühjahr 1998, dass es bei der Beklagten einen Großkundenrabatt mit einer Umsatzrückvergütung von bis zu 5 % gibt. Hätte die Klägerin vom Großkundenrabattsystem schon vor 1998 Kenntnis gehabt, hätte sie ihre Geschäftsstrategie gegenüber der tatsächlich gewählten geändert und hätte expandiert, bis sie die Einstiegsgröße für die Großkundenrückvergütung erreicht hätte. Dazu wäre es erforderlich gewesen, dass die Klägerin zusätzliche Geschäfte eröffnet und Kunden über ihren Standort hinaus gewinnt. Die Klägerin hätte diese Expansionen mit der Großkundenrückvergütung finanzieren wollen. Ob eine derartige Expansion ausgehend von ihrem Standort wirtschaftlich möglich gewesen wäre, wie lange die Klägerin für die Expansion benötigt hätte und welche Finanzierungskosten damit verbunden gewesen wären, sei nicht feststellbar. Die Investitionskraft der Klägerin wäre allein durch die Kenntnis ihres Geschäftsführers vom Großkundenrabattsystem nicht erhöht worden. Hätte die Beklagte die Rechtswidrigkeit ihres auf Großkunden beschränkten Rabattsystems erkannt, hätte sie nicht die Rabatte auf die selbstständigen S*****-Kaufleute gleichmäßig verteilt oder allen Einzelhändlern oder nur der Klägerin über das "cost-plus-System" hinaus weitere Rabatte gewährt. Vielmehr hätte sie die Voraussetzungen der Rabatte für Großkunden dahingehend geändert, dass dem Nahversorgungsgesetz entsprochen worden wäre. Wäre der Großkundenrabatt an die Großkunden nicht ausgezahlt worden, hätte sich an der Ertragsfähigkeit der Klägerin nichts geändert. Vermögensrechtliche Auswirkungen für die Klägerin wären nicht eingetreten, weil bei einem Verzicht auf das Rabattsystem für Großkunden die Konkurrenzsituation für die anderen Lebensmittelhändler unverändert geblieben wäre.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die von der Klägerin angeführten drei Modelle der Schadensberechnung schlössen einander gegenseitig aus, weil sie auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhten. Das Schadensberechnungsmodell 1 setze voraus, dass die Beklagte der Klägerin - hätte sie die Rechtswidrigkeit des Großkundenrabattsystems erkannt - eine 5 %-ige Rückvergütung gewährt hätte. Das Modell 3 wiederum setze voraus, dass die Beklagte - hätte sie die Rechtswidrigkeit des Großkundenrabattsystems erkannt - die tatsächlich ausgeschütteten Rückvergütungen an alle S*****-Kaufleute verteilt hätte. Diese Modelle scheiterten, weil nicht erwiesen sei, dass die Beklagte der Klägerin einen zusätzlichen Rabatt eingeräumt oder die tatsächlich ausgeschütteten Rückvergütungen auf alle S*****-Kaufleute nach dem Verhältnis ihrer Einkäufe aufgeteilt hätte. Für diese Umstände wäre jeweils die Klägerin beweispflichtig gewesen. Hinsichtlich des Modells 2 mache die Klägerin lediglich geltend, dass schon bei bloßer Nichtauszahlung des Großkundenrabatts ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Begünstigten so gesteigert worden wäre, dass sie unter Bedachtnahme auf die gesamte hypothetische Marktsituation in der Zeit von 1988 bis 1997 zusätzliche Gewinne von weit mehr als dem eingeklagten Betrag erzielt hätte. Dieses Vorbringen sei nicht schlüssig, weil sich daraus nicht ergebe, inwieweit sich die hypothetische Marktsituation für die Klägerin dadurch verändert hätte, dass die rechtswidrigen Vergütungen für alle Begünstigten entfallen wären, und wie sie unter Zugrundelegung der gesamten hypothetischen Marktsituation zusätzliche Gewinne in Höhe des Klagsbetrags erzielt hätte. Die Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich Betriebswirtschaft zur konkreten Schadensbemessung für das weitere Vorbringen der Klägerin sei ein unzulässiger Erkundungsbeweis. Die Berufung auf ein einzuholendes Sachverständigengutachten ersetze fehlendes Tatsachenvorbringen nicht. Es wäre Sache der Klägerin gewesen darzulegen, welche vermögensrechtlichen Auswirkungen eine Gleichbehandlung der Abnehmer bei Wegfall des Großkundenrabatts mit Rücksicht auf die daraus sich entwickelnde Marktsituation auf die Ertragssituation der Klägerin gehabt hätte; sie habe aber trotz Anleitung ihr Schadenersatzbegehren nicht konkretisiert.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Beurteilung der Schlüssigkeit einer Klage in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinausgehe. Die Klägerin berufe sich auf drei alternative Modelle der Schadensberechnung, die sich gegenseitig ausschlössen. Trotz Erörterung habe sich die Klägerin nicht auf eines dieser drei Modelle festgelegt, sodass nach wie vor unklar sei, auf welche Weise die Klägerin den ihr nach ihren Behauptungen entstandenen Schaden berechne. Die zu Modell 2 angeführten Behauptungen seien nicht ausreichend präzisiert worden. Es fehle Vorbringen dazu, mit welchen anderen Kaufleuten gemeinsam die Klägerin welche andere Marktstrategie verfolgt hätte und über welche zusätzliche finanzielle Mittel die Klägerin verfügt hätte, um ihre Marktposition gegenüber der Konkurrenz auszubauen. Dem Modell 1 sei entgegenzuhalten, dass durch Rabatte bewirkte Ersparnisse beim Einkauf betriebswirtschaftlich nicht Gewinnen gleichzuhalten seien; Modell 3 lasse unberücksichtigt, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten zwar Anspruch auf Unterlassung des Gewährens von wettbewerbswidrigen Großkundenrabatten, nicht aber auf eine zusätzliche Rabattgewährung ohne vertragliche Grundlage habe. Das Schadenersatzbegehren sei daher zu Recht abgewiesen worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Fortentwicklung der Rechtsprechung zum Ausmaß der Darlegungspflicht und zu Beweislast und Beweismaß im Schadenersatzprozess nach einer Wettbewerbsverletzung zulässig; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Berufungsgericht habe zu hohe Anforderungen an die Schlüssigkeit ihres Vorbringens gestellt. Die Klägerin sei bei Berechnung des ihr entstandenen Vermögensschadens von der Differenzmethode ausgegangen und habe zum rechtmäßigen Alternativverhalten der Beklagten drei alternative Denkmodelle entwickelt. Dabei handle es sich um eine Rechtsfrage, weshalb sich die Klägerin nicht auf eines dieser Modelle habe festlegen müssen. Die tatsächlichen Grundlagen zur Schadensberechnung habe die Klägerin jedenfalls ausreichend dargelegt und behauptet. Allumfassendes Vorbringen zu komplexen Kausalitätsketten wirtschaftlicher Entwicklungen sei bei marktbezogenen Wettbewerbsverstößen weder möglich noch notwendig. Letzlich sei die Höhe der berechtigten Forderung nach § 273 Abs 1 ZPO auszumessen.

Der Klägerin ist zuzustimmen, dass es häufig notwendig sein wird, den durch eine Wettbewerbsverletzung entstandenen Schaden nach § 273 ZPO festzusetzen. Rechtsprechung und Lehre stimmen darin überein, dass die Anforderungen an den Nachweis des Schadens nicht zu streng sein dürfen. Unlautere Handlungen können die Mitbewerber in verschiedener Weise beeinträchtigen. Dazu kommt, dass das Marktgeschehen von einer Vielzahl von Faktoren bestimmt wird, sodass es äußerst schwierig ist, die genaue Gestalt und Höhe des Schadens zu ermitteln (s Goldmann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, § 9 Rz 72 mwN; Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht23 § 9 UWG Rz 1.35). Die Entscheidung 3 Ob 417/53 (= SZ 26/189 = ÖBl 1953, 52) lässt es daher genügen, dass der Verletzte die Richtung andeutet und dartut, dass ein Schaden "mit hoher Wahrscheinlichkeit" eingetreten ist. Es ist dann Sache des Verletzers durch Gegenbeweis darzutun, dass ein Schaden nicht eingetreten sein kann. Wird der Gegenbeweis nicht erbracht, so ist der Schaden aufgrund der maßgeblichen Gesichtspunkte nach § 273 ZPO zu ermitteln (zur Anwendung des § 273 ZPO bei einem Wettbewerbsverstoß s auch 4 Ob 334/59 = ÖBl 1960, 4; 4 Ob 319/62 = ÖBl 1962, 69; 4 Ob 49/98d; RIS-Justiz RS00040378).

Nach der deutschen Rechtsprechung hat der Geschädigte dem Gericht soweit es ihm möglich ist eine tatsächliche Grundlage zu unterbreiten, damit das Gericht den Schaden wenigstens grob schätzen kann (BGH GRUR 1980, 841 Tolbutamid). An Art und Umfang der vom Geschädigten beizubringenden Schätzungsgrundlagen sind dabei nur geringe Anforderungen zu stellen (BGH GRUR 1993, 55 Tchibo/Rolex II).

Auch die deutsche Rechtsprechung geht damit davon aus, dass die Anforderungen an den Nachweis des durch eine Wettbewerbsverletzung entstandenen Schadens nicht zu streng sein dürfen. Der Zuspruch von Schadenersatz setzt aber in jedem Fall voraus, dass der Kläger konkrete Anhaltspunkte für den von ihm durch einen Wettbewerbsverstoß erlittenen Schaden behauptet und beweist und der Beklagte nicht den Gegenbeweis erbringt, dass ein Schaden nicht eingetreten sein kann.

Die Klägerin begehrt den Ersatz des ihr durch die gesetzwidrige Rabattgewährung entgangenen Gewinns (§ 16 UWG), den sie im Wege einer Differenzrechnung zwischen dem hypothetischen heutigen Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis und dem heutigen tatsächlichen Vermögenswert zu ermitteln sucht. Dass sie dazu drei Denkmodelle entwickelt hat, wie der von ihr erlittene Schaden berechnet werden kann, macht ihr Vorbringen nicht unschlüssig, weil ein hypothetischer Verlauf nachvollzogen werden muss und dafür zwangsläufig mehrere Varianten zur Verfügung stehen.

Modell 1 setzt den Schaden jenem Betrag gleich, der der Klägerin zugeflossen wäre, hätte auch sie den Großkundenrabatt von bis zu 5 % erhalten; Modell 2 stellt auf den Gewinn ab, den die Klägerin zusätzlich erzielt hätte, hätte auch keiner ihrer Mitbewerber den Großkundenrabatt erhalten; Modell 3 berechnet, wie viel die Klägerin erhalten hätte, hätte die Beklagte den als Großkundenrabatt ausgeschütteten Betrag gleichmäßig auf alle S*****-Kaufleute verteilt.

Die Vorinstanzen haben eine Schadensberechnung nach Modell 1 und 3 abgelehnt, weil nicht erwiesen sei, dass "die Beklagte, hätte sie die Rechtswidrigkeit des auf Großkunden beschränkten Rabattsystems erkannt, der Beklagten einen zusätzlichen Rabatt bis zu 5 % zum 'cost-plus-System' eingeräumt hätte oder dass sie die tatsächlich ausgeschütteten Rückvergütungen an alle S*****-Kaufleute nach dem Verhältnis ihrer Einkäufe aufgeteilt hätte" (AS 171; AS 278). Die Klägerin hält dem entgegen, dass der wesentliche Unrechtsgehalt nicht in der Ausschüttung bestimmter Rabatte an die Wiederverkäufer, sondern in ihrer Verteilung nach sachlich nicht gerechtfertigten, wettbewerbsverzerrenden Kriterien liege. Es gehe nicht um ein "entweder oder", sondern um das "wie". Die Beklagte wäre nicht verpflichtet gewesen, die als Großkundenrabatte verteilten Summen einzubehalten, sondern sie sei im Fall der Rückvergütung verpflichtet gewesen, sie nach einem sachlich gerechtfertigten Schlüssel auf alle Wiederverkäufer zu verteilen.

Die Klägerin verkennt damit, dass der Schaden (= entgangener Gewinn) danach zu bemessen ist, welchen Gewinn die Klägerin "nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten" gehabt hätte (§ 1293 Satz 2 ABGB). Bei der hiefür notwendigen Prüfung des Kausalzusammenhangs ist jener Umstand wegzudenken, ohne den der Schaden nicht eingetreten wäre, und nicht durch einen anderen Umstand, wie die Verteilung des Rabatts nach sachlich gerechtfertigten Kriterien, zu ersetzen (s Koziol, Haftpflichtrecht³ I Rz 3/5, 91 mwN). Der Schaden der Klägerin wäre bereits dann nicht eingetreten, wenn die Beklagte den Rabatt nicht ausgeschüttet hätte; bereits damit hätte sich die Beklagte auch rechtmäßig verhalten. Zu einer Verteilung der hiefür bereitgestellten Summe auch an die Klägerin oder nach sachlichen Kriterien an alle Abnehmer war sie nicht verpflichtet.

Nur wenn eine derartige Verpflichtung bestünde, könnte der Schaden der Klägerin nach Modell 1 oder 3 bemessen werden. Dabei spielt keine Rolle, dass - wie aufgrund der Erlassung des Unterlassungsgebots nach § 1 UWG feststeht - der Beklagten die Gewährung des sachlich nicht gerechtfertigten Rabatts vorzuwerfen ist. Die Vorwerfbarkeit ihres Verhaltens ist eine Voraussetzung ihrer Verpflichtung zum Schadenersatz; sie ist aber kein Umstand, der bei der Bemessung des Schadens um die allein es hier geht eine Rolle spielte. Maßgebend ist dafür nur, wie sich das Vermögen der Klägerin entwickelt hätte, hätte die Beklagte keinen Großkundenrabatt gewährt; ob und aus welchen Gründen sie allenfalls davon abgesehen hätte, ist für die Schadensbemessung ohne jede Bedeutung. Keine Rolle spielt auch, dass ein der Klägerin zusätzlich zugeflossener Rabatt durch die dadurch bedingte Verringerung des Wareneinsatzes den Gewinn erhöht hätte.

Damit scheidet eine Bemessung des Schadens nach Modell 1 oder 3 aus. Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge hätte die Beklagte wie das Erstgericht festgestellt hat den Rabatt weder der die Schwellenwerte nicht erreichenden Klägerin gewährt noch hätte sie die Rabattsumme nach welchen Kriterien immer auf alle S*****-Kaufleute verteilt.

Modell 2 stellt darauf ab, dass die Konkurrenzfähigkeit der Klägerin gesteigert worden wäre, hätte die Beklagte den Großkundenrabatt nicht gewährt. Der Klägerin ist angesichts der Schwierigkeit, den durch wettbewerbswidriges Verhalten verursachten Schaden zu konkretisieren, zuzubilligen, dass sie die Anspruchsvoraussetzungen schlüssig behauptet hat. Die Beklagte hat allerdings bestritten, dass sich Konkurrenzfähigkeit und Ertragssituation der Klägerin geändert hätten, wäre der Großkundenrabatt nicht gewährt worden.

Das Erstgericht ist ihr darin gefolgt. Es hat festgestellt, dass ein Verzicht auf das Rabattsystem für Großkunden den selbstständigen Einzelhändlern keinen Vorteil bringen würde. Die Konkurrenzsituation für die anderen Lebensmittelhändler bliebe unverändert (AS 161 f). Wäre der Großkundenrabatt an die Großkunden nicht ausgezahlt worden, hätte sich an der Ertragsfähigkeit der Klägerin nichts geändert. Vermögensrechtliche Auswirkungen für die Klägerin wären nicht eingetreten (AS 163).

Die Klägerin hat diese Feststellungen in der Berufung als unrichtig bekämpft (AS 207 ff). Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge als nicht gehörig ausgeführt erachtet. Es würden keine Ersatzfeststellungen gewünscht und keine Beweisergebnisse genannt, auf Grund derer anders lautende Feststellungen zu treffen gewesen wären (AS 278). Die Klägerin bekämpft dies zu Recht als aktenwidrig: Die Klägerin hat ausdrücklich auf ihre Ausführungen zu Beginn der Beweisrüge verwiesen. Dort hat sie sich mit den Beweisergebnissen auseinander gesetzt und im Anschluss daran die Ersatzfeststellung begehrt, "dass ein Wegfall des inkriminierten Rabattsystems und eine entsprechende Veränderung der Einstandspreise der Beklagten zunächst bei S***** zu Gewinneinbußen und bei den Einzelhändlern zu einer Verbesserung der Ertragssituation geführt hätte bzw führen wird" (AS 211).

Da die bekämpften Feststellungen für die Entscheidung erheblich sind, wird sich das Berufungsgericht erneut mit der Beweisrüge zu befassen haben. Kommt das Berufungsgericht zum Schluss, dass die Einwendungen der Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts nicht berechtigt sind, wird es die Feststellungen zu übernehmen und auf dieser Grundlage da die Beklagte den Gegenbeweis erbracht hat das erstgerichtliche Urteil zu bestätigen haben. Erachtet das Berufungsgericht aber die Bedenken für gerechtfertigt, so wird es die dazu aufgenommenen Beweise zu wiederholen, entsprechende Feststellungen zu treffen und auf dieser Grundlage den der Klägerin erwachsenen Schaden nach § 273 ZPO festzusetzen haben.

Der Revision war Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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