OGH 7Ob186/22m

OGH7Ob186/22m22.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L* AG, *, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A* NV, *, vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, wegen 44.706 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. August 2022, GZ 4 R 86/22d‑189, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 8. März 2022, GZ 25 Cg 11/16g‑185, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00186.22M.0322.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Transportrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die C* AG (in der Folge Auftraggeberin) beauftragte die Beklagte, den Transport von Bestandteilen eines Spanplattenwerks von Österreichin die Türkei zu organisieren und durchzuführen. In diesem Vertrag ist unter anderem festgehalten, dass die Auftraggeberin die Verladung und Verstauung der Güter im Transit sicher für den Transport auszuführen hat.

[2] Die Beklagte betraute die Klägerin mit der Durchführung von Teilen des Transports. In den schriftlichen Auftragsbestätigungen verweist die Klägerin auf die Geltung ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Darin ist unter anderem festgehalten, dass sie den Transport auf Basis der Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen (AÖSp) durchführt und dass das Gut in geeigneter Weise für die vorgesehenen Beförderungsarten verladen, verstaut und gesichert werden muss. Weiters ist dort festgehalten, dass die Fahrer als Erfüllungsgehilfen des Be- und Entladers handeln, wenn sie beim Be- und Entladen mithelfen und die Klägerin für diese Tätigkeit keine Haftung übernimmt.

[3] Zur Verladung des Transportguts auf die Sattelauflieger bediente sich die Auftraggeberin einer Drittunternehmerin, die die Anweisungen im Rahmen der Verladung erteilte und gemeinsam mit den Mitarbeitern der Auftraggeberin die Ladungssicherung vornahm. Die Beklagte gab hingegen keine Anweisungen, wie die Ladungssicherung erfolgen sollte.

[4] Die Klägerin überließ jeweils einen Sattelauflieger zwei Subfrachtführern, die die Transporte durchführten. Beim Transport von Pressrahmen kippte die Ladung und beschädigte die Sattelauflieger.

[5] Die Klägerin begehrt Zahlung von 44.706 EUR. Die Verladung sei Aufgabe der Beklagten gewesen, weil die Beklagte der Klägerin den Transportauftrag erteilt habe und daher als Absenderin gelte. Außerdem ergebe sich die Verladepflicht der Beklagten aus den vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Leute der Beklagten hätten die Verladung nicht ordnungsgemäß durchgeführt, sodass die Sattelauflieger beschädigt worden seien.

[6] Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin seien nicht wirksam vereinbart worden. Die Pflicht zur Verladung und Ladungssicherung habe die Klägerin getroffen, nicht jedoch die Beklagte. Die Beklagte sei bestenfalls Erfüllungsgehilfin der Auftraggeberin. Sie treffe auch kein Verschulden an der Beschädigung der Sattelauflieger. Zudem habe die Klägerin bei der Verladung ihre Warnpflicht verletzt. Auch die Höhe der Klagsforderung werde bestritten.

[7] Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, dass nicht die Beklagte, sondern die Auftraggeberin für die Verladung und Ladungssicherung verantwortlich gewesen sei.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin seien nicht wirksam vereinbart worden. Die Beklagte habe sich gegenüber der Klägerin somit vertraglich nicht zur Beladung und Ladungssicherung verpflichtet. Vielmehr sei die Verladung – für die Klägerin erkennbar und entsprechend der zwischen der Beklagten und der Auftraggeberin getroffenen Vereinbarung – durch die Auftraggeberin erfolgt. Daher sei diese bzw die von ihr beauftragte Unternehmerin auch nicht Erfüllungsgehilfin der Beklagten. Im vorliegenden Fall seien somit weder die Klägerin noch die Beklagte zur Beladung und Ladungssicherung verpflichtet gewesen. Mangels Passivlegitimation der Beklagten sei das Klagebegehren abzuweisen.

[9] Gegen diese Entscheidungrichtet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[10] Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[11] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. Die Klägerin zieht die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der geltend gemachte Anspruch nach österreichischem Sachrecht zu beurteilen sei, in der Revision nicht in Zweifel. Auf die selbständig zu beurteilende Rechtsfrage des anwendbaren Rechts ist daher nicht einzugehen (6 Ob 236/19b; 7 Ob 24/22p).

[13] 2.1. Entgegen der von der Klägerin zitierten älteren Rechtsprechung ist nunmehr herrschend, dass das Schweigen eines Unternehmers zu einem ihm zugegangenen „Bestätigungsschreiben“, das vom wirklichen Vereinbarten abweicht, weil es beispielsweiseAllgemeine Geschäftsbedingungen enthält, mit denen sich der Offerent nicht einverstanden erklärt hat, den Vertrag nicht nachträglich ändert (RS0014307 [insb auch T2 und T3]; ausführlich dazu Rauter in Straube/Ratka/Rauter 4 § 346 UGB Rz 67 f). Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann durch Stillschweigen auf ein vom Vereinbarten abweichendes Schreiben eines der Vertragspartner eine Vertragsmodifikation eintreten (RS0014303), wie etwa wenn es sich um geringfügige oder bewusst offengelassene Punkte handelt (8 Ob 507/93 = RS0013966). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor, handelt es sich doch bei der Pflicht zur Verladung und Ladungssicherung nicht um einen geringfügigen Punkt.

[14] 2.2. Dass die Klägerin im Rahmen ihrer schon länger dauernden Geschäftsbeziehung mit der Beklagten in ihren Geschäftspapieren auf die Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinwies und dieser Hinweis unbeanstandet blieb (vgl RS0014506 [T11]), macht sie in ihrer Revision nicht mehr geltend.

[15] 2.3. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin wurden daher nicht Vertragsinhalt.

[16] 3.1. Die CMR regelt – wie auch das UGB – nicht, ob der Frachtführer auch zur Verladung und Verstauung des Guts verpflichtet ist (RS0073725). Eine analoge Anwendung des Art 17 Abs 4 lit c CMR ist wegen des anderen Regelungszwecks (Haftung des Frachtführers) nicht möglich (RS0073684).

[17] Sowohl im Anwendungsbereich der CMR als auch des UGB wird angenommen, dass die Verladung im Zweifel Sache des Absenders ist (RS0073756; 7 Ob 2/16v mwN) und die Sicherung der Ladung mangels anderer Vereinbarung als Bestandteil des Verladevorgangs anzusehen ist (RS0103800 [T1]).

[18] Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Frachtführer – wie hier – den Ersatz seines infolge einer mangelhaften Verladung am Transportmittel entstandenen Schadens begehrt (7 Ob 105/16s mwN; vgl auch RS0062449).

[19] 3.2. Dass der Frachtführer, der seinerseits einen Subfrachtführer beauftragt, diesem gegenüber als Absender gilt, entspricht herrschender Ansicht (7 Ob 135/18f; 7 Ob 109/20k; Thume in MünchKommHGB4 § 407 Rn 13; G. Kirchhof in BeckOKHGB38 § 407 Rn 13). Daraus folgt im Regelfall auch die Verantwortlichkeit des auftraggebenden Frachtführers für die Beladung. Dass ein Abweichen von diesen Grundsätzen in der Entscheidung 7 Ob 135/18f im Rahmen der Behandlung eines außerordentlichen Rechtsmittels als im Einzelfall nicht korrekturbedürftiges Ergebnis der Vertragsauslegung erkannt wurde, beruhte auf den dort ganz spezifischen, nicht verallgemeinerungsfähigen Umständen (Notwendigkeit eines Sondertransportfahrzeugs, ganz spezielle Beladelogistik, die einem Frachtführer üblicherweise nicht zur Verfügung steht; vgl 7 Ob 109/20k). Da solche Umstände hier nicht hervorgekommen sind und die Parteien auch keine Vereinbarung darüber getroffen haben, wen die Pflicht zur Beladung und Ladungssicherungtrifft, kommt die Zweifelsregel zur Anwendung: Die Beklagte ist daher für die von der Auftraggeberin bzw der von dieser beauftragten Drittunternehmerin als ihren Erfüllungsgehilfen vorgenommene Ladungssicherung verantwortlich.

[20] 3.3. Da sich allerdings aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen nicht ergibt, ob die Beklagte bzw ihre Gehilfen die Ladungssicherung mangelhaft vorgenommen haben und wenn dies zutrifft, welche konkreten Schäden dadurch entstanden sind, liegen sekundäre Feststellungsmängel vor.

[21] 4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[22] 5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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