OGH 1Ob21/23d

OGH1Ob21/23d21.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Mag. G*, vertreten durch Mag. Manuela Prohaska, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Antragsgegnerin Mag. A*, vertreten durch Mag. Elisabeth Kaser, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Oktober 2022, GZ 45 R 222/22p‑109, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00021.23D.0321.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Familienrecht (ohne Unterhalt)

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

I. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

II. Die Eingaben der Antragsgegnerin vom 9. März 2023 und am 13. März 2023 werden zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] I.: Die 1981 geschlossene Ehe der Parteien wurde 2019 geschieden, die eheliche Lebensgemeinschaft im April 2018 aufgehoben. Seither wohnt die Antragsgegnerin allein in der im Miteigentum der Parteien stehenden ehemaligen Ehewohnung mit einem Wert von 562.000 EUR. Darüber hinausunterliegen nach den Feststellungen eine gemeinsame Wohnung in Kroatien mit einemWert von 101.000 EUR und Sparguthaben von 145.400 EUR sowie von 317.000 EUR der nachehelichen Aufteilung. Diese Beträge hatte die Antragsgegnerin bereits im November 2017 ohne Wissen und Willen des Antragstellers auf eines ihrer Konten transferiert.

[2] Die Vorinstanzenwiesen dem Antragsteller die Miteigentumsanteile der Antragsgegnerin an der Ehewohnung und der Wohnung in Kroatien gegen Leistung einer Ausgleichszahlung von 100.300 EUR zu.

[3] Die Antragsgegnerin wäre bei Zuteilung der Ehewohnung zu einer angemessenen Ausgleichszahlung an den Antragsteller nicht in der Lage. Der Wert des aufzuteilenden Vermögens betrage 1.125.400 EUR. Davon habe die Antragsgegnerin bereits Vermögenswerte von 462.400 EUR an sich gebracht und seither im großen Ausmaß verringert. Zur Abgeltung der Zuteilung der Ehewohnung und der Wohnung in Kroatien sei ihr noch ein Betrag von 100.300 EUR zuzusprechen, damit jeder 526.700 EUR des aufzuteilenden Vermögens erhalte.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Die Aufteilung hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0113732). Eine solche zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin auch nicht auf.

[5] 2. Gemäß § 83 Abs 1 EheG hat die Aufteilung nach Billigkeit zu erfolgen, um ein für beide Teile tragbares, den Umständen des Einzelfalls gerecht werdendes Ergebnis zu finden (RS0057910 [T1]). Im Allgemeinen entspricht es der Billigkeit, dass die Ehewohnung bei grundsätzlich gleich gewichteten ehelichen Beiträgen demjenigen überlassen wird, der darauf mehr angewiesen ist (RS0057733; RS0057621). Das wäre hier wohl die Antragsgegnerin, zumal der Antragsteller nicht mehr in Österreich aufhältig ist. Allerdings hat der Senat als Fachsenat in Aufteilungssachen das Ansinnen von Parteien, ihnen die Ehewohnung zuzuweisen, obwohl sie nicht in der Lage sind, eine angemessene Ausgleichszahlung aufzubringen, bereits wiederholt abgelehnt und klargestellt, dass eine Übertragung von Liegenschaftseigentum eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit voraussetzt (1 Ob 67/19p mwN; vgl auch RS0057610).

[6] 3. An der Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Antragsgegnerin zu einer (schon zu ihren Gunsten abgerundeten) Ausgleichszahlung in der Höhe von 450.000 EUR nicht in der Lage wäre, um den Antragsteller für den Verlust seines Miteigentumsanteils an der Ehewohnung und den Hälfteanteil an den Sparguthaben zu entschädigen, und die Ehewohnung daher dem Antragsteller zuzuweisen sei, weckt der Revisionsrekurs keine Bedenken:

[7] Die Vorinstanzen sind von einem Aufteilungsschlüssel von 1 : 1 (also von annähernd gleichteiligen Beiträgen der Ehegatten) ausgegangen. Die Prämisse der Rechtsmittelwerberin, das Erst- und das Rekursgericht hätten angenommen, der Antragsteller habe einen größeren Beitrag als sie geleistet, ist daher unrichtig.

[8] Dem Vorwurf, das Rekursgericht habe das Alleinverschulden des Antragstellers unberücksichtigt gelassen, ist die Rechtsprechung entgegenzuhalten, dass weder der Wohlbestehensgrundsatz noch der Aufteilungswunsch des schuldlos geschiedenen Ehepartners dazu führen darf, dass der andere Teil sein Eigentum entschädigungslos oder gegen unverhältnismäßig geringe Gegenleistung aufzugeben hätte (RS0057579 [T3]; RS0057387 [T24]). Auf das liefe der Aufteilungsvorschlag der Antragsgegnerin aber hinaus, nach dem der Antragsteller wesentlich weniger als 450.000 EUR bekommen sollte. Indem sie dem Wert des Hälfteanteils an der Ehewohnung (281.000 EUR) bloß die Hälfte der Ersparnisse (231.200 EUR) und den Wert des Hälfteanteils an der Wohnung in Kroatien gegenüberstellt, übergeht sie außerdem, dass sie auch eine Ausgleichszahlung für die dem Antragsteller entzogene Hälfte der Ersparnisse zu leisten hätte, sollte diesem nicht über die Zuteilung der Ehewohnung ein Wertausgleich zukommen.

[9] Ihre Behauptung, aus den Feststellungen ergebe sich, dass sie sich ausreichend Vermögen zugewendet habe, um einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen, trifft jedenfalls nicht zu. Das Erstgericht hat vielmehr (disloziert) festgestellt, dass die Antragsgegnerin die sich zugeeigneten ehelichen Ersparnisse von 462.400 EUR „bereits einseitig wesentlich vermindert hat“. Dies steht im Einklang mit der von ihr im Rekurs beantragten Feststellung, wonach sie im Juni 2021 von den 317.000 EUR (nur) noch über 145.627 EUR verfügt habe. Wie sie damit (auch wenn sie zusätzlich noch 145.400 EUR haben sollte, was aber ihren Angaben im Verfahrenshilfeantrag vom 14. 1. 2022 widerstreiten würde, in dem sie – unter Wahrheitspflicht – ihre Ersparnisse mit 227.000 EUR beziffert hat), eine Ausgleichszahlung von 450.000 EUR, wenn auch allenfalls nur in Raten, finanzieren will, erklärt sie nicht, zumal sie im Rekurs eingeräumt hat, dass ihr eine Kreditaufnahme (aufgrund ihres Alters) nur erschwert möglich sein werde und sie neben den Unterhaltsleistungen des Antragstellers von 1.200 EUR im Monat bloß eine Pension von 570 EUR im Monat bezieht.

[10] 4. Auch im Verfahren außer Streitsachen gilt der Grundsatz, dass ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz – von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen, wie aus Gründen des Kindeswohls oder bei von Amts wegen aufzugreifender Verfahrensmängel – nicht mehr zum Gegenstand der Bekämpfung der rekursgerichtlichen Entscheidung gemacht werden kann (RS0050037; RS0043919 ua).

[11] II.: Die (ohne Anwaltsunterschrift) eingebrachten Eingaben der Antragsgegnerin vom 9. 3. 2023 und 13. 3. 2023 verstoßen gegen den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels und sind daher zurückzuweisen (RS0041666).

Stichworte