OGH 8ObA87/22k

OGH8ObA87/22k23.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Sylvia Zechmeister (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D* K*, vertreten durch Prutsch & Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei P* GmbH, *, vertreten durch AIGNER‑PICHLER Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 4. Oktober 2022, GZ 6 Ra 42/22a‑34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00087.22K.0223.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Revision zieht grundsätzlich nicht in Zweifel, dass lange Krankenstände wegen der mangelnden Einsetzbarkeit der Arbeitskraft und des auch vertretungsweise nicht mehr bewältigbaren Leistungsausfalls einen personenbezogenen Kündigungsgrund bilden können (RIS‑Justiz RS0051801 [T1]). Sowohl bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitnehmers als auch der Personen‑ und Betriebsbedingtheit der Kündigung muss aber die künftige Entwicklung der Verhältnisse nach der Kündigung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses herangezogen werden, soweit sie mit der angefochtenen Kündigung noch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen (RS0051801 [T4], RS0051785 [T1]). Die Interessenabwägung kann dabei naturgemäß nur nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls erfolgen. Sie stellt, soweit sie unter Heranziehung der vom Obersten Gerichtshof in seiner Judikatur erarbeiteten Grundsätze erfolgt, wegen dieser Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage dar, der zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung iSd § 502 Abs 1 ZPO Bedeutung zukommen würde (RS0051785 [T7]).

[2] Ausgehend von diesen Grundsätzen hält sich die Entscheidung des Berufungsgerichts im Rahmen des ihm bei der Abwägung der betrieblichen und persönlichen Interessen offenstehenden Ermessensspielraums.

[3] Bei Ausspruch der Kündigung war der Kläger seit mehreren Monaten durchgehend im Krankenstand, dessen Ende offen war und von dem absehbar war, dass er noch lange dauern würde. Soweit die Revision davon ausgeht, die Beklagte habe vor der Kündigung keine Zukunftsprognose angestellt, geht sie nicht von den bindenden Feststellungen aus.

[4] Soweit die Revision neuerlich moniert, dass die Beklagte dem Kläger einen Ersatzarbeitsplatz anbieten hätte müssen, ist darauf zu verweisen, dass bereits das Berufungsgericht dieses Vorbringen als unzulässige und überdies unschlüssige Neuerung beurteilt hat. Dem hat die Revision nichts entgegenzusetzen. Auch hier wird nicht dargelegt, welche Tätigkeit der Kläger trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen theoretisch ausüben hätte können, befand er sich doch nicht nur bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern auch darüber hinaus noch rund ein Dreivierteljahr bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz im Krankenstand und war eine Genesung im Kündigungszeitpunkt nicht absehbar. Spätere– als fast an ein Wunder grenzend – eingestufte Entwicklungen vermögen an der einmal bejahten Berechtigung der ausgesprochenen Kündigung nichts zu ändern.

[5] Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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