European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070NC00002.23P.0221.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Zur Fortführung des Verfahrens ist das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zuständig.
Der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 12. Dezember 2018, GZ *‑3, mit dem dieses seine Unzuständigkeit aussprach, wird ersatzlos behoben.
Begründung:
[1] Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl regte beim Bezirksgericht Ried im Innkreis mit Schreiben vom 15. November 2022 für die Durchführung eines Aberkennungsverfahrens die Bestellung eines Kurators gemäß § 11 AVG für die abwesende Person an.
[2] Mit Verfügung des Bezirksgerichts Ried im Innkreis vom 18. November 2022 wurde der Akt dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien „zuständigkeitshalber überwiesen“, weil dieses für die Anregung sachlich und örtlich zuständig sei.
[3] Mit Beschluss vom 12. Dezember 2022 erklärte sich das Bezirksgericht Innere Stadt Wien für unzuständig und überwies die Außerstreitsache an das Bezirksgericht Ried im Innkreis.
[4] In der Folge wurde der Akt dem Obersten Gerichtshof gemäß § 47 JN zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt vorgelegt.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Die Entscheidung nach § 47 JN hat beim Obersten Gerichtshof im Fünfersenat zu erfolgen (RS0126085).
[6] 2. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt (§ 47 JN) setzt grundsätzlich voraus, dass die konkurrierenden Beschlüsse rechtskräftig sind (RS0046374; 2 Nc 11/15p). Eine Zustellung der Unzuständigkeitsbeschlüsse kommt aber dann nicht in Betracht, wenn – wie hier – noch keine Partei, der Rekurslegitimation zukäme, bekannt ist (vgl RS0125498, wonach § 11 AVG der Behörde nicht die Rechtsstellung einer Amtspartei einräumt). Zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist daher eine sofortige Entscheidung im vorliegenden Kompetenzkonflikt geboten (6 Nc 26/09i; 2 Nc 5/16g).
[7] 3. Gemäß § 44 Abs 1 JN hat das unzuständige Gericht in den dort genannten Verfahren die Sache nach Möglichkeit an das zuständige Gericht zu überweisen. Nach ständiger Rechtsprechung bleibt der Überweisungsbeschluss – der auch in der Verfügung liegen kann, die Akten zuständigkeitshalber einem anderen Gericht zu übermitteln (RS0046346) – für das Adressatgericht so lange maßgebend, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wurde. Das Adressatgericht kann seine Unzuständigkeit daher nicht mit der Begründung aussprechen, dass das überweisende Gericht zuständig sei, wobei es grundsätzlich nicht auf die Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses ankommt (RS0046391; RS0002439). Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann das Gericht, an das überwiesen wurde, dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst (RS0081664 [T1]; RS0046391 [T6]). Auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses ist bei der Entscheidung nach § 47 JN daher auch dann Bedacht zu nehmen, wenn der Unzuständigkeitsbeschluss des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgte (RS0046391 [T8]).
[8] 4. Der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien, mit dem es die Übernahme der Führung der Abwesenheitskuratel ablehnte und die Außerstreitsache an das überweisende Gericht übertrug, verletzte demnach die Bindungswirkung des vorausgehenden Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Ried im Innkreis, weshalb dieser – ohne auf die Frage nach dessen Richtigkeit einzugehen – aufzuheben war. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien ist daher zur Fortführung der Außerstreitsache zuständig.
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