OGH 2Nc11/15p

OGH2Nc11/15p2.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 21. Juni 1984 verstorbenen R***** S*****, zuletzt wohnhaft CH‑*****, über das Ersuchen um eine Entscheidung im Zuständigkeitsstreit zwischen dem Bezirksgericht Silz und dem Bezirksgericht Salzburg, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020NC00011.15P.0702.000

 

Spruch:

Zur Führung der Verlassenschaftssache ist das Bezirksgericht Silz zuständig.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die am 21. 6. 1984 verstorbene R***** S*****, eine Schweizer Staatsbürgerin, ist aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 10. 10. 1983 Alleinerbin nach der am 24. 2. 1983 verstorbenen, zuletzt in R*****, im Sprengel des Bezirksgerichts Silz wohnhaft gewesenen M***** J***** R*****. Mit Schreiben vom 15. 4. 2014 teilte der Gerichtskommissär dem Bezirksgericht Silz mit, dass nachträglich ein Bausparguthaben der M***** J***** R***** bei der Bausparkasse W***** in Salzburg über 32.778,74 EUR hervorgekommen sei. Aufgrund der bis dahin gepflogenen Nachforschungen habe ein Rechtsnachfolger der Erbin R***** S***** nicht eruiert werden können. Betreffend R***** S***** habe in Österreich noch keine Abhandlung stattgefunden. Mangels letzten gewöhnlichen Aufenthalts der Verstorbenen in Österreich sei für die Abhandlung jenes Verlassenschaftsgericht zuständig, in dem sich das nachträglich vorgekommene Vermögen befinde, somit das Bezirksgericht Salzburg.

Am 2. 12. 2014 fasste das Bezirksgericht Silz den Beschluss, die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Verlassenschaftssache gemäß § 105 JN an das Bezirksgericht Salzburg zu übertragen, und sprach aus, dass die Übertragung mit der Übernahme der übertragenen Geschäfte durch das Bezirksgericht Salzburg wirksam werde. Dieser Beschluss wurde dem Gerichtskommissär und der Bausparkasse W***** zugestellt.

Das Bezirksgericht Salzburg sprach hierauf mit Beschluss vom 30. 3. 2015 aus, dass es für das Verlassenschaftsverfahren nach R***** S***** nicht zuständig sei und dass es die Übernahme der Zuständigkeit zur Besorgung dieser Verlassenschaftssache ablehne. Gemäß § 106 AußStrG sei keine inländische Gerichtsbarkeit gegeben und liege daher die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Salzburg für das Verlassenschaftsverfahren nach ihr nicht vor. Auch dieser Beschluss wurde den beteiligten Gerichtskommissären und der Bausparkasse zugestellt.

Nunmehr legte das Bezirksgericht Silz den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Zuständigkeitsentscheidung nach § 47 JN vor.

1. Die Entscheidung nach § 47 JN hat beim Obersten Gerichtshof im Fünfersenat zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0126085).

2. Eingangs ist festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung die individuelle Zuständigkeit des Verlassenschaftsgerichts die rechtskräftige Einantwortung des Nachlasses in Bezug auf Aufgaben überdauert, die noch zur Abhandlungspflege zu rechnen sind. Dazu gehört unter anderem auch die Nachtragsabhandlung (RIS‑Justiz RS0013544). Ob eine derartige Nachtragsabhandlung hinsichtlich des nunmehr hervorgekommenen Vermögens der M***** J***** R***** von deren Verlassenschaftsgericht bereits durchgeführt wurde und dieses neu hervorgekommene Verlassenschaftsvermögen der Alleinerbin R***** S***** auf Grundlage der bereits erfolgten Einantwortung zugewiesen wurde (vgl RIS‑Justiz RS0037097), ist nicht aktenkundig.

Dennoch wurde bereits ein Verlassenschaftsverfahren hinsichtlich des Bausparkassenguthabens in Bezug auf die in der Schweiz verstorbene R***** S***** eröffnet.

3. § 111 JN ist eine Bestimmung für das Pflegschafts- und nicht das Verlassenschaftsverfahren. Nach der allgemeinen Regelung des § 44 JN ist aber unter anderem für eine zur nichtstreitigen Gerichtsbarkeit gehörende Rechtssache dann, wenn ein anderes als das angerufene Gericht sachlich oder örtlich zuständig ist, die Unzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen oder auf Antrag durch Beschluss auszusprechen und die Rechtssache an das örtlich und sachlich zuständige Gericht zu überweisen.

4. Erklärt sich auch das Gericht, an das die Rechtssache übertragen wurde, für unzuständig, setzt die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem solchen negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN nach der Rechtsprechung grundsätzlich voraus, dass die konkurrierenden Beschlüsse rechtskräftig sind (RIS-Justiz RS0046374; 2 Nc 4/15h). Wie in der zuletzt genannten Entscheidung kam aber auch hier eine Zustellung des Unzuständigkeitsbeschlusses nicht in Betracht, weil noch keine Partei, der Rekurslegitimation zukäme, bekannt ist. Zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist daher eine sofortige Entscheidung im vorliegenden Kompetenzkonflikt geboten (vgl auch 6 Nc 26/09i).

5. Im konkreten Fall hat das Bezirksgericht Silz aber nicht seine Unzuständigkeit ausgesprochen, sondern seine (offenbar als gegeben erachtete) Zuständigkeit bloß an das andere, die Übernahme deselben ablehnende Bezirksgericht „übertragen“. Es liegen daher hier nicht zwei, die eigene Zuständigkeit verneinende und daher einen negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN konstituierende Gerichtsbeschlüsse vor.

Eine Rückstellung des Akts an das Bezirksgericht Silz, zur Nachholung des eigenen Unzuständigkeitsbeschlusses, erscheint aber insofern überflüssig, als nach ständiger Rechtsprechung der Überweisungsbeschluss unabhängig von seiner Zustellung an die Parteien für das Adressatgericht so lange maßgebend bleibt, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wurde, sodass das Adressatgericht seine Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen kann, das überweisende Gericht sei zuständig (RIS‑Justiz RS0046391 ua, 6 Nc 19/08h zum Verlassenschaftsverfahren), wobei es grundsätzlich nicht auf die Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses ankommt (6 Nc 19/08h mwN, RIS‑Justiz RS0046391).

Es hat daher jedenfalls bei der Zuständigkeit des Bezirksgerichts Silz zu verbleiben, das im Weiteren iSd § 106 Abs 1 Z 2 JN zu beurteilen haben wird, ob überhaupt inländische Gerichtsbarkeit für die Abhandlung einer Verlassenschaft nach R***** S***** vorliegt.

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