OGH 2Nc5/16g

OGH2Nc5/16g25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 6. Jänner 2016 verstorbenen S***** S***** über das Ersuchen um eine Entscheidung im Zuständigkeitsstreit zwischen den Bezirksgerichten Innere Stadt Wien, Linz und Perg in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020NC00005.16G.0225.000

 

Spruch:

Zur Führung der Verlassenschaftssache ist das Bezirksgericht Linz zuständig.

Begründung

Die Erblasserin wohnte im März 2015 in einer Notschlafstelle in Linz und lebte seither „auf der Straße“. Sie starb am 6. Jänner 2016 vor dem Bahnhof in Linz. Nach dem Melderegister hatte sie bis 2014 ihren Hauptwohnsitz im Sprengel des Bezirksgerichts Perg, seither war sie nirgends gemeldet. Beim Bezirksgericht Freistadt war ein Sachwalterschaftsverfahren anhängig, aus dessen Akten sich ergibt, dass der Aufenthalt der Betroffenen zuletzt unbekannt war.

Das Standesamt Linz übermittelte eine Todesfallmitteilung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, das seine Unzuständigkeit aussprach und die Sache an das Bezirksgericht Perg überwies. Dieses übermittelte den Akt unter Hinweis auf den eingangs dargestellten Sachverhalt an das Bezirksgericht Linz, welches dem Bezirksgericht Perg aber mitteilte, den Akt nicht zu übernehmen, weil beim Bezirksgericht Freistadt ein Sachwalterschaftsverfahren anhängig sei. Daraufhin retournierte das Bezirksgericht Perg den Akt an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien, weil „der letzte gewöhnliche Aufenthalt der Verstorbenen nicht ausfindig gemacht werden konnte“.

Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien legt die Akten zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt (§ 47 JN) setzt nach der Rechtsprechung grundsätzlich voraus, dass die konkurrierenden Beschlüsse rechtskräftig sind (RIS‑Justiz RS0046374; 2 Nc 4/15h; 2 Nc 11/15p). Eine Zustellung der Unzuständigkeitsbeschlüsse kommt aber dann nicht in Betracht, wenn noch keine Partei, der Rekurslegitimation zukäme, bekannt ist. Zur Vermeidung eines faktischen Verfahrensstillstands ist in solchen Fällen eine sofortige Entscheidung im Kompetenzkonflikt geboten (2 Nc 4/15h; 2 Nc 11/15p).

2. Gemäß § 44 Abs 1 JN hat das unzuständige Gericht in den dort genannten Verfahren die Sache nach Möglichkeit an das zuständige Gericht zu überweisen. Nach ständiger Rechtsprechung bleibt der Überweisungsbeschluss ‑ der auch in der Verfügung liegen kann, die Akten zuständigkeitshalber einem anderen Gericht zu übermitteln (RIS-Justiz RS0046346) ‑ für das Adressatgericht so lange maßgebend, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wurde. Das Adressatgericht kann seine Unzuständigkeit daher nicht mit der Begründung aussprechen, dass das überweisende Gericht nicht zuständig sei (RIS‑Justiz RS0046391, zuletzt etwa 2 Nc 11/15p), wobei es grundsätzlich nicht auf die Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses ankommt (6 Nc 19/08h mwN, RIS‑Justiz RS0046391). Eine Überweisung an ein drittes Gericht kommt aber in Betracht ( Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 44 JN Rz 4).

4. Eine solche Überweisung an ein drittes Gericht liegt hier in der vom Bezirksgericht Perg verfügten Übermittlung der Akten an das seiner Ansicht nach zuständige Bezirksgericht Linz. Diesem Gericht obliegt daher die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens.

Stichworte