European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00240.22W.0217.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Der Rekurswird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft in Wien, der Beklagte ist seit 2001 Hauptmieter eines in diesem Haus gelegenen Mietobjekts. Dabei handelte es sich ursprünglich um eine Wohnung, die spätestens seit 1981 vom Rechtsvorgänger des Beklagten untervermietet und als Büro genutzt wurde. Auf Anfrage der Hausverwaltung wurde dem Beklagten, kurz nachdem er Mieter geworden war, statt dem Kellerabteil, das anderweitige Verwendung finden sollte, ein Lagerraum um ein Entgelt von 7,27 EUR angeboten, was der Beklagte annahm. Mietzinse wurden für beide Einheiten getrennt vorgeschrieben, teilweise zusammen und teilweise gesondert bezahlt. Mit einem Schreiben der Hausverwaltung vom 7. 4. 2014 wurde der Mietzins sowohl für das Büro als auch für den Lagerraum angehoben. Der Beklagte kam mit seinen Zahlungen den Mietzinsvorschreibungen nur teilweise nach, insbesondere weil er seit Oktober 2012 weniger für das Lager bezahlte. Er stellte zu keiner Zeit einen Antrag bei der Schlichtungsstelle auf Überprüfung der Mietzinshöhe.
[2] Die Klägerin erhob Mietzins- und Räumungsklage. Sie brachte vor, den Beklagten treffe ein grobes Verschulden am Mietzinsrückstand. Die Anhebung des Mietzinses sei nach § 45 MRG zulässig erfolgt. Zudem sei eine Überprüfung des ordnungsgemäß vorgeschriebenen Mietzinses aufgrund erfolgter Präklusion ohnehin nicht mehr möglich.
[3] Der Beklagte wendete unter anderem ein, ein einheitliches Mietverhältnis von Wohnung und Lagerraum liege nicht vor. Auf das erst nach dem 1. 3. 1994 begründete Mietverhältnis betreffend das Lager sei § 45 MRG nicht anzuwenden. Die Präklusion nach § 16 Abs 8 MRG könne sich überdies nur auf die Höhe des begehrten Mietzinses beziehen, sie erfasse aber nicht sonstige Mängel wie die Wahl der unrichtigen Kategorie (Geschäftsräume statt richtig Wohnungskategorie B). Das Anhebungsbegehren der Klägerin weise die Mindestanforderungen nicht auf und sei unwirksam, weshalb eine Präklusion von vornherein ausscheide.
[4] Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten mit Teilurteil zur Zahlung von 2.629,79 EUR sA, das Mehrbegehren für vor Juli 2019 eingeklagte Mietzinse wies es wegen Verjährung ab. Es liege ein einheitliches Mietverhältnis vor. Das Schreiben vom 7. 4. 2014 sei klar strukturiert und ausreichend aufgeschlüsselt. Eine Überprüfung des vorgeschriebenen Mietzinses komme nicht mehr in Betracht, weil der Beklagte innerhalb der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG keinen Überprüfungsantrag bei der Schlichtungsstelle bzw bei Gericht gestellt habe.
[5] Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht hob den stattgebenden Teil dieser Entscheidung auf und verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurück. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass die Anhebungsschreiben die erforderlichen Voraussetzungen nach § 45 Abs 1 und § 16 Abs 9 MRG enthielten. Ein einheitliches Mietverhältnis liege jedoch nicht vor. Da das Lager nach dem 1. 3. 1994 angemietet worden sei, schulde der Beklagte insoweit nach dem Gesetz keinen Mindestmietzins; eine Präklusion nach § 45 Abs 1 oder § 16 Abs 9 MRG habe insoweit nicht erfolgen können. Für das ursprüngliche Mietobjekt sei jedoch Präklusion der Einwendungen des Beklagten eingetreten, weil die Heranziehung einer unrichtigen Kategorie durch die Klägerin nicht deren Anhebungsberechtigung dem Grunde nach, sondern die Höhe des begehrten Mietzinses betreffe und der Beklagte daher dessen Überprüfung bei der Schlichtungsstelle bzw bei Gericht beantragen hätte müssen. Die Aufhebung sei notwendig, weil sich aus den Feststellungen die Höhe der jeweiligen Vorschreibungen für das ursprüngliche Mietobjekt und das Lager, die darin enthaltenen Beträge nach § 45 MRG, allfällige Guthaben und geleistete Zahlungen nicht ergeben würden.
[6] Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil keine Rechtsprechung zur Frage vorliege, „ob und in welchem Umfang die Anfechtung der Unwirksamkeit eines Anhebungsbegehrens nach § 45 Abs 1 MRG bzw dessen Wertsicherung nach § 16 Abs 9 MRG zur Vermeidung des Eintritts einer Präklusion erforderlich“ sei.
Rechtliche Beurteilung
[7] DerRekurs des Beklagten, ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird darin nicht aufgezeigt:
[8] 1. Nach § 16 Abs 8 Satz 1 und 2 MRG, auf dessen vergleichbare Präklusionswirkung sich der Rekurs auch für den vorliegenden Fall stützen will, sind nur bestimmte Einwendungen, nämlich Verstöße gegen die gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften, der Präklusion unterstellt (5 Ob 137/19m[ErwGr 4.2.]).Mit der Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 Satz 2 MRG verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, Beweisproblemen auszuweichen, die sich bei einer Mietzinsüberprüfung lange nach Abschluss der Mietzinsvereinbarung (RS0112180), namentlich wegen der Maßgeblichkeit der „Urkategorie“ und der sonstigen Umstände im möglicherweise schon Jahrzehnte zurückliegenden Vereinbarungszeitpunkt stellen (5 Ob 166/10p [ErwGr 3.2.]). Das Erfordernis, die Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung binnen drei Jahren geltend machen zu müssen, bedeutet im Grunde die Sanierung teilnichtiger, das erlaubte Zinsausmaß überschreitender Mietzinsvereinbarungen durch Fristablauf (RS0083814).
[9] In der Rechtsprechung wurde die Anwendung einer unrichtigen Kategorie oder Ausstattung des Bestandobjekts sowohl im Zusammenhang mit der Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 MRG als geltend zu machender Verstoß gegen die gesetzlichen Zinsbildungsvorschriften (5 Ob 232/02g; 5 Ob 158/99t) als auch im Zusammenhang mit der insoweit gleichgelagerten Präklusionsregelung des § 16 Abs 9 MRG (5 Ob 131/14x [mangelhafte Ausstattung der Wohnung]; vgl auch 5 Ob 159/15s; 5 Ob 27/16f) angesehen.
[10] 2. Hingegen verfolgt die Präklusionsregelung nach § 16 Abs 8 MRG nicht das Ziel, zivilrechtlich gänzlich unwirksamen Vereinbarungen Wirksamkeit zu verleihen oder dem Grunde nach unberechtigte Mietzinsanhebungsbegehren zu sanieren (5 Ob 137/19m [ErwGr 4.2.]). Eine (auch analoge) Anwendung der Präklusionsregelung des § 16 Abs 8 und 9 MRG oder des hier anzuwendenden § 45 Abs 1 und 2 MRG scheidet bei einer vom Vermieter ohne jede gesetzliche oder vertragliche Grundlage vorgenommenen Anhebung des vertraglich vereinbarten Hauptmietzinses mangels Vorliegens einer planwidrigen Gesetzeslücke aus (5 Ob 66/12k [ErwGr 6.]).
[11] 3. § 45 Abs 1 MRG räumt dem Vermieter ein Gestaltungsrecht ein, das ihn berechtigt, ein Begehren auf Anhebung immer dann zu stellen, wenn eine Valorisierung (deren Kundmachung mit Verordnung des Bundesministeriums für Justiz) zu einer Erhöhung der in § 45 Abs 1 MRG genannten Beträge führt, auch wenn im Mietvertrag keine Wertsicherung vereinbart wurde. Die Regelung des § 45 Abs 1 MRG nennt in ihrem ersten Satz jene nach Ausstattungskategorie gestaffelten (Fix-)Beträge, auf die der Hauptmietzins bei einem vor dem 1. 3. 1994 geschlossenen Hauptmietvertrag je Quadratmeter Nutzfläche entsprechend der „Urkategorie“ des Bestandobjekts angehoben werden darf, und ordnet in Satz 2 an, dass sich diese Beträge nach der Regel des § 16 Abs 6 MRG valorisieren. Der Vermieter kann ab dem auf die rechtzeitige Anhebung (im Sinn von Verlangen, Begehren oder Vorschreiben) folgenden Zinstermin den Hauptmietzins begehren, der dem sich zu diesem Zeitpunkt nach der Regel des § 45 Abs 1 MRG errechneten Betrag entspricht. Da § 45 Abs 3 Satz 1 MRG regelt, wie der Vermieter vorzugehen hat, will er den Mietzins anheben, bedarf es insoweit auch keines Rückgriffs auf § 16 Abs 9 MRG (5 Ob 67/21w [mit ausführlicher Begründung]).
[12] 4. Das Berufungsgericht war der Auffassung, eine gänzlich ohne gesetzliche oder vertragliche Grundlage vorgenommene Anhebung des Mietzinses liege betreffend das ursprüngliche Mietobjekt nicht vor. Die von der Klägerin bei der Berechnung ihres Anhebungsbegehrens nach § 45 MRG allenfalls herangezogene unrichtige Kategorie des Bestandobjekts sei von der Präklusionsregelung des § 45 Abs 1 MRG umfasst. Das Überschreiten der nach § 45 MRG gesetzlich zulässigen Höhe des begehrten Mindestmietzinses hätte der Beklagte innerhalb der dreijährigen Frist des § 16 Abs 8 MRG bei der Schlichtungsstelle bzw bei Gericht geltend machen müssen.
[13] Diese Ansicht findet Deckung in den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen und steht auch mit dem dargelegten Zweck der hier in Rede stehenden Präklusionsregelungen im Einklang, Beweisproblemen betreffend die „Urkategorie“ möglichst vorzubeugen. Auch aus der vom Rekurs ins Treffen geführten Entscheidung 1 Ob 592/86 ist nichts Gegenteiliges abzuleiten, weil dort ein nicht der Vereinbarung entsprechendes vertragliches Wertsicherungsbegehren zu beurteilen war.
[14] 5. Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts, wonach dem Beklagten jedenfalls aufgrund eines Anhebungsschreibens der Klägerin vom März 2010 bekannt war, dass die Klägerin für das Mietobjekt den Mindestmietzins nach § 45 MRG fordert und der Beklagte auch das Anhebungsschreiben vom April 2014 so verstanden hat, bringt derRekurs keine Argumente vor. In beiden genannten Anhebungsschreiben ist erkennbar, welche Ausstattungskategorie und welche Nutzfläche die Klägerin dem darin begehrten (erhöhten) Mietzins zugrunde gelegt hat. Mit seinem Hinweis auf die dies fordernde Ansicht Vonkilchs (in Hausmann/Vonkilch 4 § 45 MRG Rz 25) zeigt der Rekurs keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[15] 6. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
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