OGH 1Ob592/86

OGH1Ob592/8614.7.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich H***, Innenarchitekt, Linz, Rathausgasse 5, vertreten durch Dr. Gerhard Gfrerer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Luise F***-S***, Pensionistin, Linz, Rathausgasse 5/II, vertreten durch Dr. Wolfgang Moringer, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 882,50 s.A. und Räumung infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 8.April 1986, GZ 13 R 659/85-23, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 30. Mai 1985, GZ 9 C 177/85-10, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Mietzinsrückstandes von S 882,50 sA. und die Räumung der von ihr gemieteten Wohnung in Linz, Rathausgasse 5/II, weil er den Mietvertrag wegen des Zinsrückstandes gemäß § 1118 ABGB als aufgelöst erkläre. Der im Mietvertrag vom 21.8.1961 mit monatlich S 450,-- festgelegte Mietzins war dort derart wertgesichert vereinbart, daß der Vermieter berechtigt sein soll, den Hauptmietzins in entsprechender Höhe neu zu vereinbaren, wenn sich der Preis für eine Semmel (damals 55 g) um mehr als 20 % erhöhe. Die Beklagte bestritt den Zinsrückstand; für den Fall der Richtigkeit des behaupteten Rückstandes wendete sie eine diesen übersteigende Überzahlung zur Aufrechnung ein.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Beklagte dem Kläger an rückständigem Mietzins bis einschließlich 30.5.1985 den Betrag von S 66,78 schulde. Es stellte fest: Nach dem Erwerb der Liegenschaft am 15.9.1978 habe der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 31.7.1979 mitgeteilt, in Anbetracht der inzwischen eingetretenen Semmelpreiserhöhung von 118,18 % (von S 0,55 auf S 1,20) betrage der Mietzins ab August 1979 monatlich S 981,81. Diesen erhöhten Mietzins habe die Beklagte in der Folge auch bezahlt. Nach weiteren Erhöhungen (darunter einmal wegen Anhebung der Umsatzsteuer) habe der Kläger mit Schreiben vom 4.5.1984 der Beklagten mitgeteilt, daß die Berechnung des Mietzinses aufgrund des Verbraucherpreisindex ab 1.8.1983 eine Anhebung auf S 1.409,75 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer, somit insgesamt auf S 1.550,72, rechtfertige und dieser neue Zins ab Mai 1984 vorgeschrieben werde. Auf dieses Schreiben habe der Mieterschutzverband Österreichs am 8.5.1984 erwidert, die Zinserhöhung betrage nach dem Verbraucherpreisindex 1976 ab Juni 1984 S 1.462,47. Trotz Bezugnahme auf den Verbraucherpreisindex habe der Kläger jedoch die vertragliche Wertsicherung gemeint und den neuen Zins auch anhand der Erhöhung des Semmelpreises berechnet gehabt. Der Kläger habe daher mit Schreiben vom 22.5.1984 geantwortet, der Berechnung sei nicht der genannte Index, sondern die Preisentwicklung der maschingeformten Semmel zugrundezulegen, deren Preis ab 1983 S 1,60 betrage, so daß der Mietzins so wie von ihm bekanntgegeben zu berechnen sei. Die Beklagte habe ab Mai 1984 bis zuletzt einen monatlichen Mietzins von S 1.462,47 bezahlt. Der Semmelpreis habe sich am 31.5.1981 auf S 1,40, am 1.6.1982 auf S 1,50, am 1.8.1983 auf S 1,60, am 1.1.1984 auf S 1,65 und am 1.8.1984 auf S 1,70 erhöht.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, der Mietzins sei nicht nach dem Verbraucherpreisindex 1976, sondern durch den jeweiligen Semmelpreis wertgesichert. Dieser Wertsicherung entspreche im Zeitraum vom Mai 1984 bis Mai 1985 für die Monate Mai bis Juli 1984 ein Mietzins von S 1.295,93, weil der Semmelpreis erst am 1.8.1984 um mehr als 20 % erhöht worden sei. Dennoch habe die Beklagte schon ab Mai 1984 monatlich S 1.462,47 und somit um monatlich S 202,54, insgesamt um S 607,62 zuviel bezahlt. Ab August 1984 errechne sich der monatliche Mietzins mit S 1.390,83 zuzüglich 10 % Umsatzsteuer, daher zusammen S 1.529,91, so daß die Beklagte seither monatlich um S 67,44 und daher bis 30.5.1985 insgesamt um S 674,40 zu wenig bezahlt habe. Bei Gegenüberstellung der Über- und der Minderzahlungen ergebe sich ein Rückstand von S 66,78. Das Rekursgericht stellte fest, daß sich die Beklagte weder am 28.2.1985 noch am 30.5.1985 im Mietzinsrückstand befunden habe, sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige, und ließ den Revisionsrekurs zu. Das Mietverhältnis sei den Bestimmungen des Mietengesetzes unterworfen gewesen; da die Wohnung außerhalb von Wien gelegen sei und aus mehr als einem Wohnraum samt Küche bestehe, habe 1961 bei Zutreffen der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 MG idF vor dem Mietrechtsänderungsgesetz 1967 eine freie Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses und damit auch eine Wertsicherungsvereinbarung getroffen werden können. Nunmehr sei das Mietrechtsgesetz anzuwenden, nach dessen § 16 Abs 1 ein angemessener Mietzins verlangt werden könne, zumal die Fälle des § 16 Abs 1 Z 4 und 7 MRG jenen des § 16 Abs 2 Z 1 und 2 MG in der erwähnten Fassung ähnelten. Daher komme § 44 MRG nicht zur Anwendung, zumal die Beklagte ohnedies keine Zinsminderung begehre. Das Erstgericht sei unangefochten von einer Schwellenwertklausel mit revolvierender Wirkung ausgegangen. Unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Semmelpreiserhöhungen seien die Mietzinsvorschreibungen bis 1.1.1984 richtig gewesen. Dagegen sei die Vorschreibung vom 4.5.1984 einerseits verfrüht und zum andern überhöht gewesen, weil die vertragliche Schwellenwertklausel erst wieder am 1.8.1984 überschritten worden sei und dann auch nur eine Mietzinserhöhung auf S 1.529,91 gerechtfertigt habe. Gemäß § 16 Abs 6 zweiter Satz MRG werde eine Wertsicherung dem Mieter gegenüber erst dadurch wirksam, daß der Vermieter spätestens 14 Tage vor dem Zinstermin den ziffernmäßigen Erhöhungsbetrag bzw. den aufgewerteten Mietzins bekanntgebe; bei Unterschreitung der Frist trete die Erhöhung erst vom nächsten Termin an ein, sei also nicht überhaupt unwirksam. Diese ein rückwirkendes Erhöhungsbegehren ausschließende Bestimmung sei auch auf Wertsicherungen für nach dem 31.12.1981 fällig gewordene Mietzinse in Altverträgen anzuwenden. Dennoch sei weder bei Klagseinbringung noch im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlußfassung ein Mietzinsrückstand der Beklagten vorgelegen. Erblicke man erst in der Klage ein ordnungsgemäßes Erhöhungsbegehren, so sei dieses erst nach deren Zustellung am 7.3.1985, somit vom 1.4.1985 an wirksam geworden, so daß die Beklagte vom Mai 1984 bis einschließlich März 1985 monatlich um S 202,54 zuviel an Mietzins gezahlt habe, was infolge der Aufrechnungseinrede zur sofortigen Tilgung einer allfälligen Mietzinsdifferenz für die Zeit danach geführt habe. Lasse man dagegen die Wirksamkeit des Erhöhungsbegehrens vom Mai 1984 bis zum Zeitpunkt der Überschreitung des Schwellenwertes am 1.8.1984 fortbestehen, so könne es nur als Erhöhungsbegehren mit bzw unmittelbar nach der Semmelpreiserhöhung gelten; dann aber habe die Mietzinserhöhung gemäß § 16 Abs 6 zweiter Satz MRG für den August 1984 noch nicht eintreten können. Somit habe die Beklagte im Zeitraum vom Mai 1984 bis August 1984 um S 810,16 zuviel und vom September 1984 bis Mai 1985 um S 606,96 zuwenig an Mietzins bezahlt. Auch dann hätte die Aufrechnungseinrede bewirkt, daß kein Rückstand vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zwar zulässig, weil zur Frage, ob und inwieweit verfrühte und überhöhte Erhöhungsbegehren im Sinne des § 16 Abs 6 zweiter Satz MRG wirksam seien, Rechtsprechung fehlt; er ist aber nicht berechtigt.

Das Rechtsmittel beschränkt sich ausdrücklich auf die Frage, ob das Schreiben des Klägers vom 4.5.1984 (Beilage 2) als wirksames Erhöhungsbegehren anzusehen sei. Andernfalls käme nämlich erst die Klageschrift, die der Beklagten am 7.3.1985 zugestellt wurde, als solches in Betracht; in diesem Fall hätte die Beklagte in Anbetracht ihrer Überzahlungen keinen Mietzinsrückstand anerlaufen lassen. Die Vorinstanzen haben - und davon geht auch der Kläger in seinem Rechtsmittel aus - zutreffend erkannt, daß die Beklagte nur dann ein Mietzinsrückstand treffen könnte, wenn die Mietzinsvorschreibung des Klägers vom 4.5.1984 am 1.8.1984 wirksam geworden wäre. Das ist aber zu verneinen. Gemäß § 16 Abs 6 zweiter Satz MRG in der hier maßgeblichen Fassung vor der MRG-Novelle 1985 hatte der Hauptmieter, sofern der Vermieter zufolge einer Wertsicherungsvereinbarung zu einer Mietzinserhöhung berechtigt ist, den erhöhten Mietzins vom nächsten Zinstermin angefangen zu entrichten, wenn ihm der Vermieter spätestens 14 Tage vor diesem Termin sein darauf gerichtetes Erhöhungsbegehren bekanntgibt. Wenngleich den Materialien über den Zweck dieser - dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und auch dem Mietengesetz

unbekannte - Bestimmung nichts zu entnehmen ist, kann es doch nicht zweifelhaft sein, daß der Mieter, der im Vertrauen, damit seinen vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, die ihm vorgeschriebenen Beträge bezahlt, vor mitunter nicht unbeträchtlichen Nachforderungen aus der Wertsicherungsklausel geschützt werden soll; es soll demnach Sache des Vermieters sein, für die Vorschreibung des jeweils zulässigen Mietzinses Sorge zu tragen, so daß sein Anspruch für die Vergangenheit endgültig untergegangen ist (5 Ob 531/86; Würth-Zingher, MRG 2 81 Anm 47; Schauer in RdW 1985, 69 ff). Der Kläger war am 4.5.1984 zufolge der vereinbarten Schwellenwertklausel zu einer Zinserhöhung nicht berechtigt und hat diese auch - vom Empfängerhorizont der Beklagten aus gesehen - vertragswidrig auf den Verbraucherpreisindex 1976 gestützt. Daß er diesen nur versehentlich anführte, klärte er zwar in seinem Schreiben vom 22.5.1984 (Beilage G) auf, berief sich darin aber ausdrücklich auf eine Semmelpreiserhöhung ab 1983 (richtig: ab 1.8.1983), die die vereinbarte Wertsicherungsklausel jedoch nicht wirksam werden ließ. Ein solches verfehltes Erhöhungsbegehren mußte von der Beklagten nicht weiter beachtet werden; schon gar nicht war sie verpflichtet, der Vorschreibung dann (wenigstens teilweise) Folge zu leisten, als einige Monate später eine nun den Schwellenwert übersteigende Erhöhung des Semmelpreises stattfand, die aber immer noch nur eine geringere Zinsanhebung rechtfertigte, als ihr vom Kläger vorgeschrieben worden war. Wollte man in dem Schreiben des Klägers vom 4.5.1984 ein dem Gesetz entsprechendes Erhöhungsbegehren erblicken, obgleich darin auf die relevante Preiserhöhung (ab 1.8.1984) gar nicht Bezug genommen worden ist, so müßte man es auch als im Sinne des § 16 Abs 6 zweiter Satz MRG ausreichend ansehen, wenn der Vermieter zunächst - ohne überhaupt berechtigt zu sein - ein solches Begehren dem Mieter bekanntgibt, sofern nur überhaupt in der Folge eine die Zinserhöhung (zumindest teilweise) rechtfertigende Änderung des vereinbarten Wertfaktors eintritt. Ein solches Begehren - und damit auch das Schreiben des Klägers vom 4.5.1984 - müßte dann vom Mieter ständig in Evidenz gehalten weden; gerade dies wollte das Gesetz aber vermeiden. Durch die MRG-Novelle wurde dies nur noch verdeutlicht.

Damit ist erst der Klageschrift mit deren Zustellung die Wirkung eines Erhöhungsbegehrens zugekommen, so daß die Zinserhöhung erst am 1.4.1985 eintreten konnte. Im Zeitraum vom Mai 1984 bis einschließlich März 1985 hatte die Beklagte jedoch monatlich S 202,54 und damit insgesamt S 2.227,94 zuviel an Mietzins entrichtet, so daß eine Minderzahlung in der Zeit danach (insgesamt S 134,88) durch Kompensation getilgt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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