OGH 8ObA2/23m

OGH8ObA2/23m25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E* M*, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, wegen 1.866 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. November 2022, GZ 8 Ra 74/22v‑41, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00002.23M.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Wurde eine Pauschalentlohnung von Überstunden ohne Vorbehalt des Widerrufs vereinbart, ist es fester Entgeltbestandteil geworden und kann auch bei Verringerung der Überstundenleistung des Arbeitnehmers unter das seinerzeit zugrundegelegte Ausmaß vom Arbeitgeber nicht einseitig widerrufen werden (RS0051648), es sei denn, diese Möglichkeit wurde ausdrücklich vereinbart (RS0051758; Schrank, Arbeitszeitgesetze Kommentar4 § 10 AZG Rz 27 ua).

[2] 2. Der Klägerin wurde in Ergänzung zu ihrem ursprünglichen Arbeitsvertrag ein Überstundenpauschale für 8 Stunden monatlich gegen „jederzeitigen Widerruf“ gewährt. Sie hat die mit dem Pauschale abgedeckten Überstunden regelmäßig geleistet.

[3] Die Beklagte entzog ihr nach den bindenden Feststellungen das Pauschale und untersagte ihr in der Folge ausdrücklich weitere Überstunden, weil die Klägerin über mehrere Jahre fast ausnahmslos ihre vorgegebenen Arbeitsziele nicht erreichen konnte und gegenüber vergleichbaren Angestellten im Schlussfeld angesiedelt war.

[4] Ausgehend von diesem Sachverhalt hält sich die – grundsätzlich einzelfallbezogene – Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Beklagte ihr Widerrufsrecht nicht aus unsachlichen Gründen in Anspruch genommen hat, innerhalb des ihm bei dieser Beurteilung zukommenden Ermessensspielraums.

[5] 3. Der Revision ist zuzugestehen, dass die vom Berufungsgericht darüber hinaus für seine rechtliche Begründung zitierte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Ruhen des Anspruchs auf Überstundenpauschale während der Inanspruchnahme von Elternteilzeit hier nicht einschlägig ist und das Ergebnis nicht tragen könnte. Es geht im vorliegenden Fall nicht um eine durch Gesetz begründete Unmöglichkeit, dem Arbeitnehmer während der Teilzeit Überstunden anzuordnen, sondern um die Ausübung vertraglicher Gestaltungsrechte.

[6] 4. Genauso wenig einschlägig ist aber die vom Erstgericht herangezogene und in der Revision zitierte Judikatur zum vereinbarten Recht auf Widerruf einer Betriebspension, das nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden darf (RS0017784). Bei einem echten Überstundenpauschale, das so wie hier kein verdeckter Gehaltsbestandteil, sondern tatsächlich laufend durch entsprechende Überstundenleistung gedeckt ist, handelt es sich um keine einer Betriebspension vergleichbare Leistung. Soweit nach einem zulässigen Widerruf des Pauschales weiterhin Überstunden anfallen, sind sie dem arbeitsvertraglichen Synallagma entsprechend einzeln zu entlohnen. Ein Anspruch des Arbeitnehmers, jedenfalls zu Überstunden herangezogen zu werden, besteht ohne ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung nicht (und ist insbesondere hier nicht Gegenstand des Klagebegehrens).

[7] 5. Wenn die Revision geltend macht, dass der Klägerin das widerrufene Pauschale zumindest bis zum Ausspruch des Überstundenverbots gebührt hätte, vermag sie nicht darzulegen, weshalb die Wirksamkeit des Widerrufs der Pauschalierung davon abhängig sein sollte. Jene Überstunden, die die Klägerin nach der Einstellung des Pauschales mangels gegenteiliger Anordnung noch geleistet hat, wurden ihr unstrittig aufgrund einer Einzelabrechnung bezahlt.

Stichworte