OGH 6Ob210/22h

OGH6Ob210/22h25.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, Schweiz, vertreten durch MMag. Johannes Wechselberger, Rechtsanwalt in Mayrhofen, wider die beklagten Parteien 1. W*, 2. R*, vertreten durch Dr. Alexander Katholnig, MBL, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen 64.800 EUR sA (Revisionsinteresse 32.400 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 27. September 2022, GZ 5 R 27/22t‑29, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00210.22H.0125.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Unionsrecht, Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Es trifft zwar zu, dass das Urteil des Berufungsgerichts entgegen seiner Ankündigung auf Seite 13, zur (analogen) Heranziehung des § 6 Abs 5 MaklerG durch das Erstgericht werde unter Punkt D) eingegangen, keinen solchen Punkt D) und auch keine Ausführungen zum genannten Thema enthält. Dieser Umstand begründet jedoch keine erhebliche Rechtsfrage, weil das Berufungsgericht die Bestätigung des stattgebenden Teils des erstgerichtlichen Urteils nicht mit der vom Erstgericht angenommenen analogen Anwendung von § 6 Abs 5 MaklerG begründet hat. Die insoweit in der Berufung bekämpfte Rechtsansicht des Erstgerichts spielt somit in der Begründung des Berufungsgerichts keine tragende Rolle.

[2] 2. Die Revision releviert als erhebliche Rechtsfrage, ob vor dem Hintergrund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl 2002 L 114/6) 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr gemäß § 373b Abs 1 iVm § 373a Abs 1 GewO 1994 bereits durch den Abschluss eines über 7-monatigen Maklervertrags überschritten werden oder ob hierfür nur die Tage einer physischen Anwesenheit in Österreich relevant sind.

[3] 2.1. Die international agierende, in der Schweiz ansässige Klägerin ist hauptsächlich im An- und Verkauf von Immobilien tätig. Etwa zwei bis drei Tage im Monat, jedenfalls weniger als 90 Tage im Jahr, ist sie auch in Österreich tätig. In der Schweiz ist das Immobiliengewerbe nicht legitimiert, somit ist keine spezifische Ausbildung nachzuweisen. Die Klägerin verfügt über eine Schweizer, nicht jedoch über eine österreichische Gewerbeberechtigung.

[4] Für die gegenständliche, in Österreich gelegene Immobilie hatte die Abgeberin der Klägerin am 28. 9. 2020 einen Alleinvermittlungsauftrag bis 30. 4. 2021 erteilt. Diese inserierte die Immobilie auf der Webseite www.*.at.

[5] 2.2. Nach § 373a Abs 1 Satz 1 GewO 1994 dürfen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der EU oder eines Vertragsstaats des EWR, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder Vertragsstaat des EWR niedergelassen sind und dort eine Tätigkeit befugt ausüben, auf die die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzuwenden wären, diese Tätigkeit vorübergehend und gelegentlich unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer in Österreich ausüben.

[6] Nach § 373b Abs 1 Satz 1 GewO 1994 gelten die Bestimmungen des § 373a für Staatsangehörige der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Gesellschaften, die nach schweizerischem Recht gegründet wurden und ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung in der Schweiz haben, sinngemäß mit der Maßgabe, dass von ihnen Dienstleistungen in Österreich erbracht werden dürfen, deren tatsächliche Dauer 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr nicht überschreitet.

[7] § 373b Abs 1 Satz 1 GewO 1994 wurde mit BGBl I 2002/111 (damals als § 373a Abs 2 Satz 2 GewO 1994) eingeführt und setzte das genannte Abkommen um (ErläutRV 1117 BlgNR 21. GP  95).

[8] Nach Art 5 Nr 1 dieses Abkommens wird einem Dienstleister einschließlich Gesellschaften gemäß Anhang I, unbeschadet besonderer Abkommen über die Erbringung von Dienstleistungen zwischen den Vertragsparteien (einschließlich des Abkommens über das öffentliche Beschaffungswesen, sofern es die Erbringung von Dienstleistungen umfasst), das Recht eingeräumt, Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu erbringen, deren tatsächliche Dauer 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr nicht überschreitet.

[9] 2.3. Normadressaten des Abkommens sind dessen Vertragsparteien, somit die EU und die EU-Mitgliedstaaten einerseits und die Schweiz andererseits, nicht aber unmittelbar die darin angesprochenen Dienstleister.

[10] Innerstaatlich umgesetzt wurde die zitierte Bestimmung – wie ausgeführt – in der Gewerbeordnung, deren Normadressaten die Dienstleister sind. Die wechselseitige Regulierung der Dienstleistungen ist somit in Österreich im Gewerberecht verortet.

[11] 2.4. Die Fragestellung der Revision ist nur dann relevant, wenn die Beklagten aus der von ihnen behaupteten illegalen Tätigkeit der Klägerin in Österreich die Ungültigkeit des zwischen den Parteien zustandegekommenen Maklervertrags und somit den Entfall ihrer Provisionspflicht folgern (können). Dies ist zu verneinen:

[12] 2.5. Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts, der die Revision nicht widerspricht, ist auf den Maklervertrag österreichisches Vertragsrecht anzuwenden. Gemäß Art 10 Abs 1 Rom I‑VO sind das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Vertrags oder einer seiner Bestimmungen nach dem Recht zu beurteilen, das nach dieser Verordnung anzuwenden wäre, wenn der Vertrag oder die Bestimmung wirksam wäre. Nach herrschender Ansicht betreffen Fragen der Wirksamkeit neben Willensmängeln und deren Rechtsfolgen insbesondere auch die Nichtigkeit infolge Gesetzes- oder Sittenverstoßes, die Folgen der Teilnichtigkeit, die Umdeutung und die Vertragsaufhebung (vgl Ferrari in Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht³ Art 10 Rom I‑VO Rz 10 ff; Spellenberg in MünchKomm BGB8 Art 10 Rom I‑VO Rz 145 ff, 157 ff; Bach in Spindler/Schuster [Hrsg], Recht der elektronischen Medien4 [2019] Rom I‑VO Art 10 Rz 2). Das österreichische Vertragsstatut ist daher auch maßgeblich für die Beurteilung einer allfälligen Nichtigkeit infolge Gesetzesverstoßes; konkret ist dieser daher nach § 879 Abs 1 ABGB zu beurteilen.

[13] 2.6. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rechtsgeschäft mangels ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion im Verbotsgesetz nur dann nichtig, wenn dies der Zweck des Verbotsgesetzes verlangt (RS0016837). Nach ebenso ständiger Rechtsprechung führt das Fehlen der erforderlichen Gewerbeberechtigung nicht zur Nichtigkeit des davon betroffenen Vertrags iSd § 879 Abs 1 ABGB: Der Zweck der gewerberechtlichen Norm, dass nur dazu befugte Personen mit Befähigungsnachweis die Tätigkeit als Handelsagent entfalten dürfen, besteht darin, allzu große Berufskonkurrenz und die Ausübung des Berufs durch ungeeignete Personen zu verhindern. Das Verbot, ohne Zulassung tätig zu werden, soll aber nicht die von unbefugten Personen getroffenen Vereinbarungen, die von anderen Personen in gleicher Weise hätten geschlossen werden können, rückgängig machen und damit dem Geschäftspartner des unberechtigten Vermittlers vielleicht Vermögensvorteile verschaffen (1 Ob 533/54; RS0029666). Das Fehlen der Gewerbeberechtigung oder der einschlägigen Berufsbefugnis führt jedenfalls nicht zum Entfall des Entgelt-, Honorar- oder – wie hier – Provisionsanspruchs (RS0029666 [T1, T2]; vgl auch RS0038569).

[14] 2.7. Selbst wenn man mit der Revision annähme, der bloße Abschluss eines eine Immobilie in der Europäischen Union betreffenden Maklervertrags durch einen Schweizer Immobilienmakler mit einer Laufzeit von mehr als 90 Arbeitstagen pro Kalenderjahr, verbunden mit dem Inserieren des Objekts auf einer in der EU abrufbaren Webseite für mehr als 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr, bilde schon einen Verstoß gegen § 373b Abs 1 Satz 1 GewO 1994, änderte dies nichts am Provisionsanspruch des Schweizer Maklers bei Vorliegen der sonst dafür erforderlichen Voraussetzungen. Die von der Revision formulierte Rechtsfrage hat somit keine Entscheidungsrelevanz.

[15] 3. Auch die weitere in der Revision als erheblich bezeichnete Frage, ob unter die Aufklärungs- und Benachrichtigungspflichten des Maklers gemäß § 3 Abs 3 MaklerG auch die schriftlichen Informationspflichten des § 373a Abs 8 GewO 1994 fallen, ist nicht entscheidungsrelevant:

[16] Die Revision bezieht sich darauf, dass die Klägerin die Beklagten nicht darüber aufgeklärt hat, über keine Gewerbeberechtigung in Österreich, sondern nur über eine solche in der Schweiz zu verfügen. Tatsächlich ordnet § 3 Abs 4 Satz 2 MaklerG an, dass, soweit dem Makler ein Provisionsanspruch zusteht, der Auftraggeber wegen Verletzung wesentlicher Pflichten auch eine Mäßigung nach Maßgabe der durch den Pflichtverstoß bedingten geringeren Verdienstlichkeit des Maklers verlangen kann.

[17] Allerdings würde, selbst wenn man den von der Beklagten relevierten Gesetzesverstoß annähme, dieser angesichts seiner (geringen) Schwere jedenfalls keine Mäßigung auf weniger als die Hälfte der an sich geschuldeten Provision rechtfertigen (zu den Kriterien und zur Einzelfallbezogenheit der Mäßigung nach § 3 Abs 4 MaklerG vgl RS0111058 [T1, T2, T3, T5, T7, T11]), wobei bereits das Erstgericht den halben Provisionsanspruch der Klägerin rechtskräftig abgewiesen hat.

[18] Der in der Revision zitierte Rechtssatz RS0115498 und die dort indizierten Entscheidungen sind nicht einschlägig, weil sie den gänzlichen Entfall der Provision nicht auf § 3 Abs 4 MaklerG, sondern auf § 6 Abs 4 MaklerG stützen. Ein Fall nach dieser Bestimmung liegt hier nicht vor.

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