OGH 9ObA109/22b

OGH9ObA109/22b24.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Bernhard Gruber (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Philipp Brokes (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * P*, vertreten durch MMag. Michael Krenn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Fellner Wratzfeld und Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. August 2022, GZ 8 Ra 58/22s-38, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00109.22B.0124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kann die Kündigung beim Gericht angefochten werden, wenn sie wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer erfolgt ist. Voraussetzung für das Vorliegen einer verwerflichen und mit Erfolg anfechtbaren Motivkündigung ist stets, dass das iSd § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG verpönte Motiv für die Kündigung zumindest ein wesentlicher Beweggrund – wenn auch nicht der ausschließliche – war (RS0051661; 9 ObA 104/19p). Die Frage, welches Motiv für die Kündigung als bescheinigt angenommen werden kann, ist dabei eine Frage der vom Obersten Gerichtshof unüberprüfbaren Beweiswürdigung (RS0052037 [T10]; 9 ObA 104/19p; 9 ObA 57/21d [Rz 8]). Macht der Arbeitnehmer glaubhaft, dass die Benachteiligung auf das verpönte Motiv zurückzuführen ist, dann ist eine unzulässige Benachteiligung anzunehmen, sofern nicht der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass ein anderes Motiv mit höherer Wahrscheinlichkeit ausschlaggebend war (RS0052037).

[2] Im vorliegenden Fall wurde das Dienstverhältnis des Klägers von der Beklagten am 6. 11. 2020 zum 28. 2. 2021 gekündigt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass jemals absehbar gewesen wäre, dass er nach seinen Krankenständen wieder die Tätigkeit werde verrichten können. Die Entscheidung über die Kündigung des Klägers wurde von der Beklagten (Personalverantwortlichen) getroffen, weil sie der Ansicht war, dass der Kläger gesundheitlich für die Verrichtung einer Tätigkeit bei der Beklagten nicht geeignet sei und lange Krankenstände habe; diese von ihr angenommenen Umstände waren für sie der Grund, den Kläger zu kündigen. Dass sich der Kläger über Mobbing, über die Nichteinhaltung von Rauchervorschriften oder über die Benachteiligung bei Diensteinteilungen beschwert hätte, waren für sie keine Kündigungsgründe, auch keine Mitgründe.

[3] Die Vorinstanzen wiesen sein Begehren, die Kündigung des Dienstverhältnisses wegen sittenwidriger Motivkündigung für rechtsunwirksam zu erklären und aufzuheben; in eventu festzustellen, dass das zwischen den Streitteilen vereinbarte Dienstverhältnis über den 28. 2. 2021 hinaus ungekündigt im aufrechten Bestand weiter bestehe, ab.

[4] In seiner dagegen gerichteten außerordentlichen Revision bringt der Kläger im Wesentlichen vor, das Vorliegen einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit könne nur dann als zulässiger „anderer Kündigungsgrund" iSv § 105 ArbVG zu werten sein, wenn eine solche tatsächlich vorliege oder der Arbeitgeber von deren Vorliegen begründet ausgehen hätte können. Dem ist entgegenzuhalten, dass es auf die Frage, ob eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit beim Kläger vorlag, hier nicht ankommt, weil das vom Kläger behauptete verpönte Motiv als für die Kündigung (mit‑)ursächlich nicht ausreichend glaubhaft gemacht und nicht festgestellt werden konnte. Erst dann hätte sich die Frage gestellt, ob bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes Motiv für die Kündigung ausschlaggebend war (s § 105 Abs 5 ArbVG).

[5] Soweit der Kläger in seiner Mängelrüge die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage seiner Arbeitsfähigkeit vermisst – wozu Feststellungen vorliegen –, ist die Beurteilung, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, eine Frage der nicht revisiblen Beweiswürdigung (s RS0043320 ua). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge (hier S 11 ff des Berufungsurteils) als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird (RS0043371 [T28]).

[6] Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Stichworte