OGH 12Os134/22f

OGH12Os134/22f19.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Jänner 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Lonin in der Strafsache gegen * E* wegen des Verbrechens nach § 3g VerbotsG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 8. September 2022, GZ 6 Hv 54/22y‑19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00134.22F.0119.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten werden zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * E* mehrerer Verbrechen nach § 3g VerbotsG schuldig erkannt.

[2] Danach hat er sich „seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt spätestens im Jahr 2010 bis dato“ in G* und an anderen Orten des Bundesgebiets in mehreren Angriffen auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er die auf seinem linken Unterschenkel selbst angebrachten Tätowierungen eines Hakenkreuzes sowie der Zahlenkombinationen „18“ und „88“, wobei „18“ für „Adolf Hitler“ und „88“ für die nationalsozialistische Parole „Heil Hitler“ steht, in propagandistischer Aufmachung für andere Personen sichtbar zur Schau trug, indem er etwa kurze Hosen trug sowie diese Tätowierungen seinem damaligen Zellennachbarn in der Justizanstalt Graz‑Karlau * A* präsentierte, wobei er es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich „billigend“ damit abfand, dass dieses Verhalten dazu geeignet ist, (zumindest) eine der spezifischen Zielsetzungen der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP), nämlich Antijudaismus, Rassismus, Totalitarismus, extremen Deutschnationalismus, Militarismus und Glorifizierung der Person von Adolf Hitler als Führer im Inland oder mit Auswirkungen auf die Republik Österreich zu neuem Leben zu erwecken oder zu propagieren und solcherart zu aktualisieren.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 10a und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

[4] Die Tatsachenrüge (Z 10a) verfehlt den ihr gesetzlich eröffneten Anfechtungsrahmen (RIS‑Justiz RS0119583 [T7]), indem sie die Bestimmung des § 3g VerbotsG als „mehr als vage gefasst“ kritisiert und eine „konkrete Feststellung“ vermisst, „auf welche Art und Weise der Angeklagte die Tätowierungen in propagandistischer Aufmachung“ präsentiert haben soll. Als Rechtsrüge (Z 11 lit a) verstanden, entbehrt das Vorbringen einer Darlegung, weshalb die hier festgestellten Tatumstände, nämlich das sichtbare und mit dem Vorsatz auf Betätigung im nationalsozialistischen Sinn erfolgte Zur‑Schau‑Tragen der am Unterschenkel des Angeklagten befindlichen Tätowierungen, nämlich eines Hakenkreuzes sowie der Zahlenkombinationen „18“ und „88“, welche für den Namen „Adolf Hitler“ und die nationalsozialistische Parole „Heil Hitler“ stehen, durch Tragen von kurzen Hosen und Präsentieren derselben gegenüber * A* (US 3 f), für die rechtliche Beurteilung nach § 3g VerbotsG nicht ausreichen sollten (vgl Lässig in WK2 VerbotsG § 3g Rz 4 ff).

[5] Dass es für eine Deliktsverwirklichung nach § 3g VerbotsG auf das Vorliegen von Tatbestandsmerkmalen des § 3d VerbotsG („öffentlich“ oder „vor mehreren Leuten“) ankäme, leitet die Beschwerde (nominell Z 10a, inhaltlich Z 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO) mit der Behauptung, das Erfordernis einer derartigen qualifizierten Publizitätswirkung werde „gleichermaßen für den Auffangtatbestand des § 3[g] VerbotsG zu gelten haben“, nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565). Dementsprechend geht auch die Kritik ins Leere, der Wahrspruch lasse offen, an „welchen anderen Orten des Bundesgebiets, zu welchen anderen Zeitpunkten als spätestens im Jahr 2010 (…) sowie wem gegenüber sonst noch […] der Angeklagte diese Tätowierungen zur Schau getragen haben soll“ (vgl insofern RIS‑Justiz RS0079825 [T4, T6], RS0079913 [T4]).

[6] Unter Hervorhebung der Einlassung des Angeklagten, die selbst gestochenen Tätowierungen „mit einem Pflaster“ abgedeckt zu haben, um diese nicht zur Schau zu tragen, sowie mit dem Hinweis auf die – eigene Wahrnehmungen zu einer rechten Gesinnung oder zu Tätowierungen des Angeklagten verneinenden – Angaben des Zeugen * K* (ON 18 S 16 ff) erschöpft sich die Beschwerde darin, den auf Betätigung im nationalsozialistischen Sinn gerichteten Vorsatz zu bestreiten, und wendet sich damit nach Art einer im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 344 StPO iVm § 283 Abs 1 StPO) in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Geschworenen (§ 302 Abs 1 StPO iVm § 258 Abs 2 StPO).

[7] Soweit die Rechtsrüge (Z 11 lit a) auf die Ausführungen zur Tatsachenrüge (Z 10a) verweist (vgl aber RIS‑Justiz RS0115902) und abermals das Vorliegen der subjektiven Tatseite in Abrede stellt, vernachlässigt sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[8] Es war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

[9] Gleiches gilt für die in der Rechtsmittelschrift ausgeführte Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe, weil der Angeklagte gegen das Urteil nur das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde (ON 18 S 20), nicht aber auch eine Berufung wegen Strafe innerhalb der in § 294 Abs 1 StPO vorgesehenen Frist angemeldet hat (RIS‑Justiz RS0100243).

[10] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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