European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0220DS00013.22I.1212.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Standes- und Disziplinarrecht der Anwälte
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Der Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt.
[2] Danach hat sie
(a) trotz mit Schreiben vom 10. August 2017 erfolgter (ES 3) Bestreitung der diesbezüglichen Honorarforderungen den bei ihr eingegangenen Betrag von 27.922,64 Euro weder an die Klienten ausgefolgt noch gerichtlich hinterlegt und
(b) seit 15. Dezember 2020 fällige Forderungen der T*gesellschaft mbH sowie des * Z* von 172.852 Euro zuzüglich Kosten und Zinsen nicht bezahlt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung der Beschuldigten geht fehl.
[4] Der Verzicht des DSt auf die in der StPO vorgesehene Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe bedeutet, dass der von den Kategorien der (die Schuldfrage betreffenden) Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich von der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erfasst wird. Letztere meint demnach im DSt die Berufungspunkte des § 464 Z 1 und 2 erster Fall StPO (RIS‑Justiz RS0128656 [T1]).
[5] Da die Beschuldigte aber weder in der Berufungsschrift noch bei Anmeldung ihrer Berufung Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnet hat, ist ihre Berufung unter dem Aspekt des allfälligen Vorliegens von Nichtigkeitsgründen einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 467 Abs 2 erster Satz StPO iVm § 77 Abs 3 DSt).
[6] Soweit die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im engeren Sinn (§ 464 Z 2 erster Fall StPO) den Ersatz der zum Schuldspruch (b) hinsichtlich der allfälligen Anhängigkeit eines Exekutionsverfahrens getroffenen Feststellungen begehrt, bezieht sie sich – prozessordnungswidrig (Ratz, WK‑StPO § 464 Rz 6) – nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände. Insoweit maßgebend ist vielmehr die Feststellung, wonach die Beschuldigte mit Schiedsspruch des Schiedsgerichts der Salzburger Rechtsanwaltskammer vom 26. November 2020 rechtskräftig zur Bezahlung von 172.852 Euro zuzüglich Kosten und Zinsen verurteilt worden ist (ES 4). Da dieser rechtskräftige Schiedsspruch gemäß § 1 Z 16 EO ein Exekutionstitel ist, stand spätestens mit seinem Vorliegen die gesetzliche angeordnete Zahlungspflicht dem Grunde wie der Höhe nach fest und war diese daher im Sinn des § 4 RL‑BA 2015 von der Beschuldigten zu erfüllen (Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 §§ 3, 4 RL‑BA 2015 Rz 21).
[7] Mit ihren Rechtsausführungen zur behaupteten Relevanz von exekutionsrechtlichen Klagen im gegenständlichen Disziplinarverfahren verlässt die Berufung den – in der Bekämpfung der vom Disziplinarrat festgestellten Tatsachen gelegenen (11 Os 132/06f, SSt 2007/79; RIS‑Justiz RS0122980; eingehend mwN Ratz, WK‑StPO § 464 Rz 2 und 8) – gesetzlichen Anfechtungsrahmen.
[8] Argumente, die geeignet wären, Bedenken gegen die Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung zu wecken und solcherart die dort getroffenen Konstatierungen substantiiert in Frage zu stellen, sind der Berufung nicht zu entnehmen.
[9] Der Disziplinarrat verhängte über die Beschuldigte nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 1.500 Euro und wertete dabei das Zusammentreffen zweier Disziplinarvergehen sowie eine einschlägige Vorstrafe als erschwerend, die „angespannte private und finanzielle Situation“ der Beschuldigten und die lange Verfahrensdauer als mildernd.
[10] Nach ständiger Judikatur sind die für die Strafbemessung maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) auch für das anwaltliche Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (RIS‑Justiz RS0054839). Im Hinblick darauf hat der Disziplinarrat die erschwerenden und die mildernden Umstände zutreffend erfasst, wobei die „angespannte private und finanzielle Situation“ zwar keinen besonderen Milderungsgrund darstellt, im Rahmen der allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung aber durchaus Berücksichtigung finden kann (§ 32 Abs 2 zweiter Satz StGB).
[11] Ausgehend von den dargestellten Strafbemessungsgründen, insbesondere dem einschlägig getrübten Vorleben, erweist sich die vom Disziplinarrat ausgesprochene Sanktion auch unter Berücksichtigung der Einkommens‑ und Vermögensverhältnisse der Beschuldigten (§ 16 Abs 6 DSt) einer Reduktion keinesfalls zugänglich.
[12] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
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