OGH 1Ob230/22p

OGH1Ob230/22p22.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI M* P*, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 30.100 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2022, GZ 14 R 124/22s‑14, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00230.22P.1122.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Voraussetzung für den geltend gemachten Amtshaftungs‑/Schadenersatzanspruch des Klägers ist, dass er tatsächlich der am besten qualifizierte Bewerber war und bei rechtmäßiger Vorgangsweise (korrekte Abwicklung des Verfahrens) mit der ausgeschriebenen Funktion betraut worden wäre (vgl RS0102403 [T3]; RS0112461 [T5]). Das Gebot, den bestgeeigneten Bewerber auszuwählen, ist letztlich ein Willkürverbot. Welcher Kandidat als besser geeignet befunden wird, hängt nach § 9 Abs 4 Ausschreibungsgesetz (AusG) nicht nur von einigermaßen vergleichbaren Kriterien wie Ausbildung und Berufserfahrung ab, sondern wesentlich auch von nicht messbaren Faktoren, wie der Fähigkeit zur Menschenführung, organisatorischen Fähigkeiten und der persönlichen Zuverlässigkeit. Die Bewertung dieser Faktoren muss innerhalb einer sachlich begründbaren Bandbreite dem Entscheidungsträger überlassen bleiben (9 ObA 75/20z mwN [Pkt 7.1.]).

[2] 2. Für die Behauptung, der Entscheidungsträger habe bei der Besetzung der ausgeschriebenen Funktion dieses Ermessen in unsachlicher Weise überschritten, trifft den Kläger die Beweislast. Er muss behaupten und beweisen, dass er ohne Verletzung des der Beklagten bei der Besetzung der ausgeschriebenen Funktion eingeräumten Ermessensspielraums mit dieser Funktion betraut worden wäre (9 ObA 75/20z [Pkt 7.2.] = RS0102403 [T12]; vgl RS0109832). Ob ein Ermessensmissbrauch vorliegt, kann stets nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden; eine Auflistung aller im Bestellungsverfahren zu beachtenden Kriterien ist nicht möglich (RS0102403 [T2, T7]; RS0112461 [T3, T8]).

[3] 3. Der Kläger bewarb sich auf die Position eines Leiters einer bestimmten Abteilung im F*. Sowohl diese Abteilung als auch das F* wurden neu geschaffen. Auf die Stelle ernannt wurde der von der Begutachtungskommission als „im höchsten Ausmaß geeignet“ beschriebene Bewerber, während der Kläger, der für die ausgeschriebene Position als „im hohen Ausmaß geeignet“ erachtet wurde, nicht zum Zug kam.

[4] Das Berufungsgericht beurteilte die Ernennung des Mitbewerbers auf die ausgeschriebene Stelle als sachgerecht. Die Begutachtungskommission habe als sachlich wichtigstes Kriterium erachtet, dass der Leiter der Abteilung ab dem Beginn seiner Tätigkeit ein möglichst breites technisches und praktisches Wissen zu möglichst vielen von der F* berührten Bereichen habe, um sofort in der Lage zu sein, die anstehenden technischen und organisatorischen Probleme bei der Vereinheitlichung bisheriger und der Schaffung neuer Abläufe möglichst rasch und effizient zu lösen. Die weitaus breitere praktische Erfahrung habe der ernannte Mitbewerber aufgewiesen, der mehr als zwei Drittel der Tätigkeit in der Abteilung abgedeckt habe, wohingegen die praktische Erfahrung des Klägers nur ein Drittel der Tätigkeiten der Abteilung umfasst habe. Der Kläger hätte sich in wesentliche Tätigkeitsbereiche (Organtätigkeit der F* im Außendienst, in die Marktüberwachung und in das F*) – im Gegensatz zum Mitbewerber – erst von Grund auf neu einarbeiten müssen. Nachvollziehbar sei, dass der vielfältigeren praktischen Erfahrung des Mitbewerbers ein höheres Gewicht beigemessen worden sei als dem durch ein Universitätsstudium erworbenen theoretischen Wissen und der langjährigen Führungserfahrung des Klägers. Inwiefern die vom Kläger abgelegte Dienstprüfung für die tatsächliche inhaltliche Bewältigung der Tätigkeitsbereiche der Abteilung von konkreter Relevanz gewesen wären, führe er nicht aus.

[5] 4. Diese Beurteilung ist nicht korrekturbedürftig. Der Kläger vermag nicht darzulegen, welche Relevanz die von ihm im Jahr 1994 abgelegte Dienstprüfung und seine Erfahrung „auf übernationaler Ebene“ für die konkrete Tätigkeit haben sollte. Er gesteht zu, dass der ernannte Mitbewerber beträchtlich umfangreichere Erfahrung auf jenen Fachgebieten aufweist, die zum „Kompetenzbereich des Arbeitsplatzes“ gehören.

[6] Wenn er sich selbst „Innovationsfähigkeit“ zuschreibt, entfernt er sich von den getroffenen Feststellungen. Gegenüber der Begutachtungskommission setzte er in Bezug auf die Weiterentwicklung der Behörde auf bereits eingespielte Verfahren und zeigte wenig Reformbereitschaft; entsprechend wurde von ihm für die Zukunft wenig Innovatives vorgestellt.

[7] Die in der Ausschreibung genannte Bewerbungsvoraussetzung eines erfolgreich abgeschlossenen technischen Diplomstudiums erfüllen sowohl er als auch der Mitbewerber. Dass der Kläger über „ausgeprägtere“ Führungserfahrung verfügt, steht fest. Wenn aber der Entscheidungsträger dem Mitbewerber, der mehr Praxiserfahrung aufweist und von Beginn an zwei Drittel aller Tätigkeiten der technischen Abteilung im F* abdeckt, den Vorzug gibt, liegt diese Beurteilung im nicht zu beanstandenden Ermessensspielraum.

Stichworte