OGH 8Ob118/22v

OGH8Ob118/22v24.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, *, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A* N*, und 2. DDr. C* T*, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien Mag. S* N*, alle vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Juni 2022, GZ 40 R 133/22p‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00118.22V.1024.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] Gemäß § 14 Abs 3 MRG treten nach dem Tod des Hauptmieters unter anderem Verwandte in gerader Linie in den Mietvertrag ein, sofern sie ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter der Wohnung gewohnt haben.

[2] Gemeinsamer Haushalt iSd § 14 Abs 3 MRG setzt ein auf Dauer angelegtes gemeinsames Wohnen und Wirtschaften voraus (RIS‑Justiz RS0069741 [T2]). Der Angehörige muss seinen Lebensschwerpunkt in der aufgekündigten Wohnung haben (RS0068296 [T12, T14, T15]).

[3] Im hier zu entscheidenden Fall wuchs die 1991 geborene Nebenintervenientin in der aufgekündigten Wohnung in Wien, deren Hauptmieter zuletzt ihr am 29. 5. 2019 verstorbener Großvater war, auf und wohnte in ihr durchgehend mit Ausnahme einer Zeitspanne von etwa neun Monaten im Jahr 2016 gemeinsam mit ihrem Großvater.

[4] Die Klägerin möchte zum einen aus dem Umstand, dass die Nebenintervenientin seit einem nicht mehr näher feststellbaren Zeitpunkt vor Jänner 2016 auch ein Zimmer in einer Studenten‑Wohngemeinschaft (WG) in Wien hatte, ableiten, dass kein gemeinsamer Haushalt mit dem Großvater vorgelegen habe. Nach den Feststellungen wechselte die Nebenintervenientin seit Herbst 2016 ohne speziellen Rhythmus zwischen der aufgekündigten Wohnung und der WG‑Wohnung, wobei sie „deutlich öfter (an deutlich mehr Tagen) in der aufgekündigten Wohnung war und auch dort übernachtete, als in der WG‑Wohnung“. Dass die Vorinstanzen angesichts dessen von einem Lebensschwerpunkt der Nebenintervenientin in der aufgekündigten Wohnung ausgehen, bedarf keiner Korrektur. Die Ansicht der Klägerin in der außerordentlichen Revision, den Aufenthalten der Nebenintervenientin in der aufgekündigten Wohnung könne „nicht mehr als Besuchscharakter beigemessen werden“, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

[5] Die Klägerin führt für ihren Standpunkt, § 14 Abs 3 MRG sei nicht verwirklicht, zum anderen ins Treffen, dass allein der Großvater das Leben in der aufgekündigten Wohnung finanzierte. Nach der Rechtsprechung setzt gemeinsames Wirtschaften als Merkmal des „gemeinsamen Haushaltes“ zwar voraus, dass die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden. Bei großen Einkommens- oder Altersunterschieden schließt nach der Rechtsprechung der Umstand, dass ein Teil die gesamten Kosten trägt und der andere nichts dazu beiträgt, die Annahme gemeinsamer Wirtschaftsführung aber nicht aus (RS0069759).

[6] Die Richtigkeit der Beurteilung der Vorinstanzen, das befristete Mitmietrecht der Nebenintervenientin an der WG‑Wohnung mit im Todeszeitpunkt unmittelbar bevorstehendem Befristungsablauf sei dem Hauptmietrecht an der aufgekündigten Wohnung weder rechtlich, noch faktisch gleichwertig gewesen, sodass die Nebenintervenientin auch ein dringendes Wohnbedürfnis gehabt habe, zieht die Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision nicht in Zweifel.

[7] Da es der Klägerin nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte