OGH 8ObA74/22y

OGH8ObA74/22y24.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Robert Brunner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F* D*, vertreten durch Mag. Christian Marchhart, Rechtsanwalt in St. Pölten, dieser vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagten Parteien 1. H* M*, und 2. C* M*, beide vertreten durch Mag. Agnes Lepschy, Rechtsanwältin in Altlengbach, wegen 86.509,66 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Juli 2022, GZ 7 Ra 66/22k‑63, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00074.22Y.1024.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Erstbeklagte und Mutter des Zweitbeklagten ist Eigentümerin mehrerer Einfamilienhäuser niedrigen Wohnstandards. Der Zweitbeklagte unterstützt sie bei der Betreuung und Verwaltung der vermieteten Häuser. Mitte 2016 lernte er den Kläger kennen, woraufhin sich zwischen ihnen eine Freundschaft entwickelte. Dabei erzählte der arbeitslos gemeldete Kläger dem Zweitbeklagten auch von seinen finanziellen Problemen und von seinem Privatkonkurs. Als der Kläger etwa Mitte 2017 eine neue Unterkunft suchte, schlug der Zweitbeklagte nach Abstimmung mit der Erstbeklagten vor, dass der Kläger in einem der leerstehenden Häuser wohnen könne. Der Kläger willigte ein. Es wurde vereinbart, dass er, solange es einen Leerstand gibt, keine Miete bezahlen, sondern lediglich die Stromkosten übernehmen müsse.

[2] Der Kläger unterstützte den Zweitbeklagten gelegentlich, indem er kleine Arbeiten auf der Liegenschaft (zB Grünschnittarbeiten, Müllentsorgen, kleinere Ausbesserungsarbeiten wie Zaunlattenstreichen, Pumpentäusche) übernahm. Auch bat ihn der Zweitbeklagte, wenn er nicht selbst vor Ort war und Handwerker zu diversen Häusern Zutritt benötigten, diesen aufzusperren, was der Kläger auch tat. Wenn Mieter Probleme mit Wasser oder Strom hatten, meldeten sie dies dem Zweitbeklagten, woraufhin wiederholt der Kläger bei ihnen erschien und die kleineren Reparaturarbeiten vornahm. Größere Reparaturen wurden von Fachfirmen durchgeführt, wobei der Kläger diesen gelegentlich bei Abladetätigkeiten oder mit Handlangerdiensten zur Hand ging.

[3] Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend die auf Zahlung von Lohn für den Zeitraum Juni 2017 bis August 2019 gerichtete Klage mit der Begründung ab, der Kläger sei allein aufgrund von Gefälligkeit und Freundschaft tätig geworden; es mangle an einem Arbeitsvertrag.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Revision ist mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[5] Wenn jemand sich auf eine gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen verpflichtet, so entsteht ein Dienstvertrag (§ 1151 Abs 1 HalbS 1 ABGB). Der Abschluss eines solchen kann nicht nur ausdrücklich durch übereinstimmende Willenserklärung der Parteien, sondern auch schlüssig durch ein Verhalten erfolgen, welches bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lässt, dass der andere sich in bestimmter Weise verpflichten wolle (RIS‑Justiz RS0014531). Die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung beziehungsweise der Schlüssigkeit eines Verhaltens hat regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung, es sei denn, es läge eine im Interesse der Rechtssicherheit beziehungsweise der Einzelfallgerechtigkeit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch die Vorinstanz vor (vgl RS0043253 [T1]).

[6] Eine solche liegt hier nicht vor. Vielmehr hält sich die Beurteilung der Vorinstanz im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (und Literatur: Krejci in Rummel, ABGB3 § 1151 Rz 25) zu vergleichbaren Fällen:

[7] In GlU 3727 war der Kläger von der Beklagten und deren Ehemann jahrelang finanziell unterstützt worden. Der Ehemann hatte auf Bitte des Klägers auch dessen exekutiv feilgebotenes Haus erstanden und ihn dieses sodann unentgeltlich zum Gebrauch überlassen. Der Kläger klagte auf Zahlung von Lohn mit dem Vorbringen, er habe über die Jahre mit seinem Poststellwagen der Beklagten auf deren Bestellung elf Fuhren geleistet und für sie fast wöchentlich, wenn er fuhr, zwei bis drei Körbe und Säcke eine kurze Strecke befördert. Der Oberste Gerichtshof bestätigte die Abweisung der Klage durch die Vorinstanz. Aufgrund der Umstände könne das Verhalten des Klägers „nach § 863 ABGB nur als eine geringe Gegengefälligkeit für die bedeutend größere angesehen werden, die ihm durch die Geldaushilfen, die Rettung seines Hauses vor dem Untergang in fremde Hände und die unentgeltliche Belassung desselben zur weiteren Benützung zuging“.

[8] In 4 Ob 136/54 (= SZ 28/15) wurde das Vorliegen eines Dienstverhältnisses bei einem Flüchtling verneint, der von 1945 bis 1949 von den Beklagten Quartier und Verpflegung gewährt erhielt und der fallweise für diese verschiedene Arbeiten, insbesondere Reparaturen an Schlössern und am Dach, teilweise auch Arbeiten am Feld, verrichtete. Der Oberste Gerichtshof begründete dies insbesondere damit, dass „schon die ungeregelte Art der Gesamttätigkeit des Klägers […] ein hinreichend deutliches Bild darüber ergibt, dass sich der Kläger, ohne eine Dauerverpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung den Beklagten gegenüber zu übernehmen, durch seine vorwiegend aus eigenem Antrieb verrichteten Arbeitsleistungen lediglich für die ihm gewährte Unterkunft sowie für die längere Zeit hindurch gewährte Verpflegung erkenntlich zeigen wollte“.

[9] In 4 Ob 144/83 (= ARD 3576/10/84 = REDOK 784) war die Klägerin von der Beklagten in deren Wohnung unentgeltlich beherbergt und verpflegt worden. Als Gegenleistung verrichtete sie ab und zu geringfügige Haushaltsarbeiten. Nach der Beurteilung des Obersten Gerichtshofs fehlte dem auf die Zahlung eines Arbeitsentgelts gerichteten Begehren die Grundlage, weil „eine auch nur schlüssig zustande gekommene rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung von Arbeitsleistungen […] oder eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Entgelts für erbrachte Arbeitsleistungen“ nach den Feststellungen nicht anzunehmen war (Unterstreichung im Original).

[10] Es ist jedenfalls vertretbar, auch im vorliegenden Fall bloße (Gegen‑)Gefälligkeiten anzunehmen, also zu verneinen, dass sich der Kläger iSd § 1151 Abs 1 HalbS 1 ABGB zur Dienstleistung für den Beklagten verpflichtete. Wurden aber die Arbeitsleistungen des Klägers aus Entgegenkommen oder bloßer Gefälligkeit erbracht, so muss ihre Unentgeltlichkeit als stillschweigend vereinbart angesehen werden (3 Ob 512/79 = EvBl 1980/37; vgl auch RS0021861; 8 ObA 91/20w [Pkt I.1.5.]; Krejci in Rummel, ABGB3 § 1152 Rz 29).

[11] Da es dem Kläger nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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