OGH 4Ob136/54

OGH4Ob136/5425.1.1955

SZ 28/15

Normen

ABGB §1151
ABGB §1151

 

Spruch:

Kein Dienstverhältnis eines Flüchtlings, der für gewährtes Quartier und Verpflegung fallweise verschiedene Arbeiten verrichtet.

Entscheidung vom 25. Jänner 1955, 4 Ob 136/54.

I. Instanz: Arbeitsgericht Hartberg; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der Kläger fand im unmittelbaren Anschluß an das Kriegsende als Flüchtling im Hause der Beklagten aus menschlicher Hilfsbereitschaft Unterkunft und Verpflegung. Er leistete im Hause der Beklagten im Laufe der Zeit verschiedene Dienste, für die er 20.430 S begehrt.

Sämtliche Instanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen des Obersten Gerichtshofes:

Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes hat der Kläger in der Zeit vom Juni 1945 bis Jänner 1949 für die Beklagten als Gegenleistung für die ihm gewährte Unterkunft und Verpflegung laufend verschiedene Arbeiten, so insbesondere Reparaturen an Schlössern und am Dache, teilweise auch Arbeiten auf dem Felde, verrichtet. Wird berücksichtigt, daß der Kläger auch für eine große Zahl anderer Personen tagsüber, und zwar gegen Entlohnung, Arbeitsleistungen erbracht hat, ohne die Zustimmung der Beklagten hiezu einholen zu müssen, so ergibt sich schon daraus zwingend, daß der Kläger weder den Beklagten noch auch anderen Personen gegenüber eine dauernde Verpflichtung zur persönlichen Arbeit übernommen hat. Aus der beiliegenden tagebuchsweisen Aufstellung des Klägers geht aber auch hervor, daß die vorwiegend für Haus und Wirtschaft der Beklagten geleistete Tätigkeit eine durchaus ungeregelte war, wobei nur in Ausnahmsfällen dem Kläger besondere Aufträge zu bestimmten Verrichtungen erteilt wurden. Die Art der Gesamttätigkeit des Klägers läßt daher den Schluß zu, daß sich dieser für die ihm gewährte Unterkunft und Verpflegung im Hause und der Wirtschaft der Beklagten nützlich erweisen wollte, so daß die Arbeiten vorwiegend aus eigenem Antrieb, nicht aber nach ihm erteilten Weisungen, geleistet wurden. Da nach den Feststellungen die für andere Personen geleisteten Arbeiten die Tätigkeit des Klägers schließlich in einem derartigen Umfang in Anspruch nahmen, daß er sich in dem ihm von den Beklagten gewährten Quartier sogar eine Uhrenreparaturwerkstätte einrichtete, die regen Zuspruch seitens der Bevölkerung hatte, kann auch von einer persönlichen und wirtschaftlichen Unterordnung des Klägers den Beklagten gegenüber nicht gesprochen werden, zumal er die Arbeiten für andere Personen verrichtete, ohne daß die Zustimmung der Beklagten hiezu für erforderlich erachtet wurde. Mangels dauernder Zuverfügungstellung der persönlichen Arbeitskraft des Klägers, mangels Weisungsgebundenheit seiner Tätigkeit, schließlich mangels persönlicher und wirtschaftlicher Eingliederung in den Wirtschaftsorganismus der Beklagten (siehe Herrenhausbericht zu § 1151 ABGB., Nr. 78 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Herrenhauses XXI. Session 1912 S. 206 ff.) können sohin die zwischen den Parteien bestehenden Beziehungen nicht als Dienstverhältnis im Sinne des § 1151 ABGB. gewertet werden. Daß ein Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart worden wäre, war jedoch nach den getroffenen Feststellungen nicht als erwiesen anzunehmen. Wird von dieser rechtlichen Beurteilung ausgegangen, so erscheint es auch belanglos, welche Zeit die vom Kläger geleisteten Dacharbeiten und die sonstige für die Beklagten verrichtete Tätigkeit in Anspruch nahm, da schon die ungeregelte Art der Gesamttätigkeit des Klägers, wie bereits erörtert, ein hinreichend deutliches Bild darüber ergibt, daß sich der Kläger, ohne eine Dauerverpflichtung zur persönlichen Arbeitsleistung den Beklagten gegenüber zu übernehmen, durch seine vorwiegend aus eigenem Antrieb verrichteten Arbeitsleistungen lediglich für die ihm gewährte Unterkunft sowie für die längere Zeit hindurch gewährte Verpflegung erkenntlich zeigen wollte. Der gerügte Verfahrensmangel liegt daher gleichfalls nicht vor und erscheint die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes in ihrer Gesamtheit fehlerfrei.

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