European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130NS00047.22Y.0928.000
Spruch:
Für die Durchführung des Strafverfahrens ist das Landesgericht Innsbruck zuständig.
Gründe:
[1] Zu AZ 71 Hv 33/20k des Landesgerichts für Strafsachen Graz war – aufgrund zweier rechtswirksamer (§ 4 Abs 2 StPO) Anklagen nach Verfahrensverbindung (§ 37 Abs 3 StPO) – ein als Jugendstrafsache (§ 1 Abs 1 Z 4 JGG) geführtes, schöffengerichtliches Hauptverfahren gegen den Jugendlichen * A* sowie die jungen Erwachsenen * B* und * N* wegen (ausschließlich) in Innsbruck begangener Taten anhängig (vgl ON 5 sowie ON 8 in ON 55). Der (einzige) jugendliche Angeklagte hatte – die Sonderzuständigkeit nach § 29 JGG (hier iVm § 34 JGG und § 37 Abs 3 StPO) begründend – zur Zeit des Beginns des gegen ihn geführten Strafverfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel des Landesgerichts für Strafsachen Graz (ON 2 S 39).
[2] Eine der beiden Anklagen, die Anklageschrift ON 5, war (beim Landesgericht für Strafsachen Graz als Schöffengericht) gegen A* und B* wegen einer von den Genannten als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) begangenen, jeweils als Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB beurteilten Tat erhoben worden. Die weitere, der Strafantrag ON 8 in ON 55, war (beim Bezirksgericht Innsbruck) gegen B* und N* wegen jeweils einer – sonst in einem engen sachlichen Zusammenhang (§ 37 Abs 1 zweiter Satz StPO) mit jener des jeweils anderen stehenden (vgl ON 4.2, 2 in ON 55) – als Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB beurteilten Tat, gegen B* darüber hinaus wegen einem Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB subsumierten Verhaltens eingebracht worden.
[3] Am 13. Mai 2022 verfügte die Vorsitzende die Ausscheidung des Verfahrens gegen N* (ON 1 S 19 verso), in der Hauptverhandlung am 8. Juni 2022 auch jenes gegen den zu dieser nicht erschienenen B* (ON 65 S 2), „aus verfahrensökonomischen Gründen zur Vermeidung von Verzögerungen im verbleibenden Verfahren“. Mit unbekämpft in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 8. Juni 2022 wurde der Jugendliche A* daraufhin vom ihn betreffenden Anklagevorwurf freigesprochen (ON 66).
[4] Mit Verfügung vom 14. Juni 2022 überwies die Vorsitzende die zuvor ausgeschiedenen – teils subjektiv, teils prozessual konnexen (zu den Begriffen Oshidari, WK-StPO § 37 Rz 1), verbunden (§ 37 StPO) in die sachliche Zuständigkeit des Schöffengerichts (§ 31 Abs 3 StPO) ressortierenden – Verfahren gegen B* und N* zuständigkeitshalber dem Landesgericht Innsbruck (ON 1 S 25 f).
[5] Am 29. Juli 2022 verfügte dieses – nach „Rückabtretung“ der Sache an das Landesgericht für Strafsachen Graz (ON 69) und neuerlicher Übermittlung durch Letzteres – gemäß § 38 dritter Satz StPO die Vorlage der Akten an den Obersten Gerichtshof.
Dieser hat erwogen:
[6] Sonderzuständigkeit des Landesgerichts für Strafsachen Graz (als Schöffengericht) für das zunächst gemeinsam geführte (§ 37 StPO, hier iVm § 34 Abs 1 JGG) Hauptverfahren gegen A*, B* und N* bestand vorliegend – gemäß § 29 JGG – nur aufgrund der Eigenschaft des Angeklagten A* als Jugendlicher (§ 1 Abs 1 Z 2 JGG). Im Hinblick darauf, dass das Verfahren gegen Letzteren bereits erledigt ist, die – gemeinsame Führung (§ 34 Abs 1 JGG) überhaupt ermöglichende – Prozesssituation fortbestehender Anhängigkeit des Hauptverfahrens gegen den (einzigen) Jugendlichen damit entfällt, spielen die Voraussetzungen des § 34 Abs 2 JGG (vgl dazu 14 Ns 40/19x; 13 Ns 71/21a, 72/21y) hier jedenfalls keine Rolle mehr (vgl Schroll in WK2 JGG § 34 Rz 6/2). Die örtliche Zuständigkeit für Strafverfahren gegen zum Tatzeitpunkt junge Erwachsene (§ 1 Abs 1 Z 5 JGG) – hier B* und N* – wiederum richtet sich mangels einer diesbezüglichen Sonderbestimmung im JGG (vgl Schroll in WK2 JGG § 29 Rz 1 und § 34 Rz 2) nach § 36 Abs 3 StPO (hier iVm § 37 StPO), also primär nach dem Ort der Tatausführung (dazu RIS‑Justiz RS0127231).
Rechtliche Beurteilung
[7] Gemäß § 36 Abs 4 StPO bleibt ein Gericht auch dann für das Hauptverfahren örtlich zuständig, wenn es ein Verfahren gegen einen Angeklagten oder wegen einer Straftat ausscheidet, es sei denn, dass (soweit hier relevant) ein Gericht mit Sonderzuständigkeit ein Verfahren wegen einer allgemeinen strafbaren Handlung ausscheidet.
[8] Wie dargelegt besteht für die – hier analog § 27 StPO ausgeschiedenen (RIS‑Justiz RS0133815; zur Zulässigkeit Oshidari, WK‑StPO § 37 Rz 12 und 17) – streitverfangenen Verfahrensteile (gegen B* und N*) isoliert betrachtet keine Sonderzuständigkeit, vielmehr liegt insoweit ein Verfahren wegen „allgemeiner“ strafbarer Handlungen vor. Hiervon ausgehend greift – soweit es das Verfahren gegen B* wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB betrifft in Durchbrechung der perpetuatio fori (Schroll in WK2 JGG § 34 Rz 6/1, vgl auch § 29 Rz 13 f) – der angesprochene Ausnahmetatbestand des § 36 Abs 4 StPO:
[9] Für das (verbleibende) Verfahren gegen B* und N* ist das Landesgericht Innsbruck örtlich zuständig, in dessen Sprengel – nach Anklagevorwurf und Aktenlage (vgl RIS‑Justiz RS0131309 [T3]) – die angeklagten Taten ausgeführt wurden.
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