European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0030OB00114.22V.0720.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[2] 2.1. Gemäß § 74 erster Fall EheG verwirkt der Berechtigte den Unterhaltsanspruch nach Ehescheidung, wenn er sich nach der Scheidung einer schweren Verfehlung gegen den Verpflichteten schuldig macht. Die Unterhaltsverwirkung nach dieser Bestimmung setzt unter Berücksichtigung aller objektiven und subjektiven Umstände eine besonders schwerwiegende, das Maß schwerer Eheverfehlungen iSd § 49 EheG übersteigende Verfehlung gegen den früheren Ehegatten voraus, sodass dem Verpflichteten die Unterhaltsleistung für alle Zukunft nicht mehr zumutbar ist (vgl RS0078153).
[3] 2.2. Die Erstattung einer Anzeige durch den Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltsverpflichteten kann zur Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 74 EheG führen, wenn sie nicht in Wahrung berechtigter eigener Interessen, sondern im vollen Bewusstsein, die Interessen des Verpflichteten zu beeinträchtigen, erstattet wird (vgl RS0057429). Nicht schon objektiv unrichtige, sondern nur bewusst wahrheitswidrige Anschuldigungen können zur Unterhaltsverwirkung führen (RS0078153 [T8]). Objektiv unzutreffende Beschuldigungen sind nur dann rechtswidrig, wenn entweder damit der Rahmen des sachdienlichen (notwendigen) Vorbringens überschritten wird oder die Anschuldigungen wider besseres Wissen geäußert wurden (vgl RS0093379).
[4] 3. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen nicht abgewichen, indem sie die vom Kläger geltend gemachte Unterhaltsverwirkung verneinten:
[5] 3.1. In ihrer Sachverhaltsdarstellung vom 12. September 2017 an die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Betrugs und der betrügerischen Krida führte die Beklagte insbesondere aus, der Kläger, der ihr seit dem Jahr 2011 keinerlei Unterhalt mehr leistet, habe ua ein Grundstück in Rumänien verschwiegen. Nach den Feststellungen ist der Kläger tatsächlich bücherlicher Hälfteeigentümer eines Grundstücks in Rumänien; dass er diesen Liegenschaftsanteil mittlerweile aufgrund einer (mündlichen) Vereinbarung „außerbücherlich“ an seine Schwiegermutter übertragen hat, weil er ein ihm von dieser gewährtes Privatdarlehen nicht mehr bedienen konnte, kann daran nichts ändern.
[6] 3.2. Ihre im Anschluss an diese Sachverhaltsdarstellung abgelegte Zeugenaussage vom 11. Jänner 2018, wonach der Kläger ein in ihrem „außerbücherlichen“ Eigentum stehendes Grundstück in Kroatien ohne ihr Wissen um 70.000 EUR verkauft habe, hat die Beklagte nicht wider besseres Wissen, sondern im Vertrauen auf die Richtigkeit ihr zugetragener Informationen getätigt. Da die Beklagte niemals in das kroatische Grundbuch eingetragen wurde, kann keine Rede davon sein, dass dem Kläger ein Verkauf der Liegenschaft ohne ihre Mitwirkung gar nicht möglich gewesen wäre.
[7] 3.3. Der maßgebliche Inhalt der von ihr am 8. April 2019 – im Zusammenhang mit einer Strafanzeige des Stiefbruders des Klägers gegen diesen – unterfertigten „eidesstaatlichen Versicherung“, nämlich dass der Kläger im Rahmen des gegen ihn geführten Strafverfahrens ausgeführt habe, der von seiner Ehegattin gehaltene Pkw der Marke BMW sei von seiner Mutter finanziert worden, entsprach den Tatsachen.
[8] 3.4. Dass die Beklagte den Stiefbruder des Klägers bei dessen Rechtsverfolgung gegen diesen dadurch unterstützte, dass sie ihm sämtliche Verhandlungsprotokolle der von ihr mit dem Kläger geführten Gerichtsverfahren zukommen ließ, hatte seine Ursache darin, dass im Gegenzug der Stiefbruder des Klägers die Beklagte bei ihren (bislang vergeblichen) Versuchen unterstützte, ihren titulierten Unterhaltsanspruch einbringlich zu machen.
[9] 4. Die Verneinung der Unterhaltsverwirkung durch die Vorinstanzen hält sich demnach im Rahmen der maßgeblichen Judikaturgrundsätze.
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