OGH 5Ob24/22y

OGH5Ob24/22y14.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. P*, vertreten durch Mag. Holger Hensel, Rechtsanwalt in Wien, 2. M*, 3. I*, ZVR *, vertreten durch Mag. Michael Raeser, öffentlicher Notar in Wien, wegen Grundbuchshandlungen ob der EZ * KG *, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erstantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 1. Dezember 2021, AZ 46 R 269/21f, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00024.22Y.0714.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Zweitantragsteller brachte unter Berufung auf die ihm von der vormaligen Liegenschaftseigentümerin, dem Erstantragsteller, einer Pfandgläubigerin sowie dem Drittantragsteller erteilte Vollmacht (§ 5 Abs 4a NO und § 77 Abs 1 und 2 GBG) sowie im eigenen Namen beim Erstgericht einen „Antragscontainer“ ein. Im Antrag 1 begehrte er namens der vormaligen Liegenschaftseigentümerin, des Erstantragstellers, der Pfandgläubigerin und im eigenen Namen die Vormerkung des Eigentumsrechts für den Erstantragsteller sowie die Eintragung des Pfandrechts von 220.000 EUR für die Pfandgläubigerin gegen den vorgemerkten Eigentümer. Im Antrag 2 begehrten der Erstantragsteller, der Drittantragsteller und der Antragstellervertreter im eigenen Namen als Zweitantragsteller die Einverleibung des Eigentumsrechts für den Drittantragsteller und die Löschung der Anmerkung des Beisatzes „gegen vorgemerkten Eigentümer“ in Bezug auf das Pfandrecht.

[2] In den Anträgen hatte der Antragstellervertreter auf den ihm einseitig unwiderruflich erteilten Treuhandauftrag und die Rückziehung eines zuvor gestellten entsprechenden Grundbuchsgesuchs durch den Erstantragsteller verwiesen. Der von diesem und der vormaligen Liegenschaftseigentümerin behauptete Vollmachtswiderruf sei unzulässig.

[3] Dem Gesuch 1 gab das Erstgericht zu TZ 3431/2021, dem Gesuch 2 zu TZ 3432/2021 statt, ohne sich mit der Frage der wirksamen Vollmachtserteilung auseinanderzusetzen. Nur die Entscheidung über Gesuch 2 ist Gegenstand dieses Revisionsrekursverfahrens.

[4] Das Rekursgericht gab dem vom Erstantragsteller erhobenen Rekurs gegen den Beschluss TZ 3432/2021 nicht Folge, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit insgesamt 30.000 EUR übersteigend und ließ den Revisionsrekurs nicht zu. Die vom Rekurswerbergeäußerten Bedenken an einer wirksamen Bevollmächtigung des Antragstellervertreters teilte es nicht. Das Antragsvorbringen, die Vollmachtskündigung durch den Erstantragsteller sei bei mehrseitiger Treuhandvereinbarung unwirksam, hielt es für schlüssig.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs des Erstantragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[6] 1.1. Vorauszuschicken ist, dass das Rekursgericht im Kopf seiner Entscheidung zwar zutreffend den Erstantragsteller nennt, als Zweitantragstellerin allerdings die Pfandgläubigerin, die – nach dem maßgeblichen Inhalt des Antrags 2 – dort nicht als Antragstellerin angeführt war. Weitere Antragsteller laut Gesuch 2sind vielmehr einerseits der Antragstellervertreter persönlich, andererseits (Pkt 8 des Antrags unter „Personen“) der nun vom erkennenden Senat als Drittantragsteller genannte Verein, der die Liegenschaft im Weg der Schenkung vom Erstantragsteller erworben hat.

[7] 1.2. Gemäß § 76a Abs 1 GBG sind zur Antragstellung im Grundbuchsverfahren nur die durch die begehrte Grundbuchshandlung berechtigte und die durch die begehrte Grundbuchshandlung belastete Partei legitimiert (RIS-Justiz RS0006730). Dies trifft auf den Treuhänder persönlich nicht zu. Das Rekursgericht hat allerdings die im Rekurs daraus abgeleitete Nichtigkeit verneint, darauf kommt der Revisionsrekurs nicht mehr zurück. An der Legimation des Erst- und Drittantragstellers besteht hingegen kein Zweifel.

[8] 2.1. Ob der Erstantragsteller und die vormalige Liegenschaftseigentümerin den Antrag 1 (TZ 3431/2021) wirksam noch vor Vollzug der Eintragung zurückgezogen haben, wirft im hier zu beurteilenden, nur den Antrag 2 betreffenden Verfahren keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

[9] 2.2. Vorausgehende Anträge betreffend dieselbe Einlage sind bei der Entscheidung insoweit zu berücksichtigen als diese bewilligt wurden. Auf die Rechtskraft kommt es dabei nicht an, zumal die Gültigkeit der Eintragung deren Rechtskraft nicht voraussetzt (5 Ob 17/11b; Rassi Grundbuchsrecht³ Rz 5.20 mwN). Nur solange über einen offenen vorausgehenden Antrag noch nicht entschieden wurde, darf über das nachfolgende Gesuch nicht entschieden werden. Lediglich in dem Fall, dass ein eingebrachter Antrag die Bewilligung eines vorausgehenden Gesuchs voraussetzt (§ 21 GBG), wäre bei Abweisung des ersten Antrags mit der Erledigung des späteren Gesuchs bis zur Rechtskraft des Abweisungsbeschlusses abzuwarten, sofern nicht der Folgeantrag aus anderen Gründen abgewiesen werden muss (RS0121902; Rassi aaO). Wird allerdings der vorangegangene Antrag bewilligt, kann das nachfolgende Gesuch (ohne Abwarten der Rechtskraft) ebenfalls bewilligt und die Eintragung vorgenommen werden, zumal im Fall der Beseitigung der Eintragung im späteren Rekursweg diese samt allen davon abhängigen Folgeeintragungen zu löschen ist (5 Ob 17/11b; Rassi aaO Rz 5.21 f; Kodek in Kodek Grundbuchsrecht² § 102 GBG Rz 7).

[10] 2.3. Hier hing zwar die Bewilligung des Gesuchs 2 des „Antragscontainers“ von der Bewilligung des Gesuchs 1 ab, zum relevanten Entscheidungszeitpunkt erster Instanz war aber dieses Gesuch 1 bewilligt worden. Auf die Rechtskraft dieses Bewilligungsbeschlusses kommt es dabei nicht an. Die Frage, ob die behauptete Antragsrückziehung bei der Entscheidung über das Gesuch 1 zu berücksichtigen gewesen wäre, ist (nur) im Rechtsmittelverfahren betreffend die Bewilligung des Gesuchs 1 zu klären, zumal sich diese Rückziehung auch nur auf dieses Gesuch bezog. Ob das Erstgericht anlässlich der Entscheidung über das Gesuch 2 auch auf Eingaben zum Gesuch 1 (TZ 3431/2021) Bedacht hätte nehmen müssen, ist daher nicht weiter zu erörtern.

[11] 3.1. Gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG hat das Grundbuchsgericht das Ansuchen und dessen Beilagen einer genauen Prüfung zu unterziehen und darf die grundbücherliche Eintragung nur dann bewilligen, wenn kein gegründetes Bedenken gegen die Befugnis der Antragsteller zum Einschreiten vorhanden ist. Unter einen solchen Mangel der Eintragungsvoraussetzungen werden auch Bedenken gegen Bestehen und Umfang der Vollmacht desjenigen subsumiert, der in Vertretung des Antragstellers ein Grundbuchsgesuch überreicht (5 Ob 117/97k; 5 Ob 242/05g). Bedenken an der Vollmacht des Einschreiters, die sich aus den für das Grundbuchsgesuch vorgelegten Urkunden ergeben, können ungeachtet des Neuerungsverbots (§ 122 Abs 2 GBG) auch im Rekursverfahren noch geltend gemacht werden (5 Ob 117/97k; RS0106932 [T1]).

[12] 3.2. Auf die Frage, ob das Erstgericht anlässlich der Bewilligung des Gesuchs 2 des „Antragscontainers „ Zweifel an der wirksamen Bevollmächtigung des Erstantragstellervertreters bereits aufgrund dessen eigenen Vorbringens im Antrag haben hätte müssen, kommt es für die rechtliche Beurteilung allerdings nicht an. Wie erwähnt haben hier nicht nur der Erstantragsteller (als vorgemerkter Eigentümer entsprechend Gesuch 1), sondern auch der drittantragstellende Verein als Erwerber der Liegenschaft den Einverleibungsantrag gestellt. Der Drittantragsteller scheint ebenfalls als durch den Treuhänder vertreten auf. Auch auf dessen Vollmacht hat sich der Antragstellervertreter berufen, was ihm auch im Grundbuchsverfahren zusteht, ohne einen schriftlichen Vollmachtsnachweis vorlegen zu müssen (RS0035804 [T17]). Der für die Befugnis zum Einschreiten maßgebliche Zeitpunkt ist dabei der Zeitpunkt der Einbringung des Grundbuchsgesuchs (5 Ob 226/20a). Ob man aus dem Antragsvorbringen selbst Bedenken gegen den aufrechten Bestand der Bevollmächtigung durch den Erstantragsteller und die vormalige Liegenschaftseigentümerin ableiten könnte, kann dahinstehen. Dass (auch) der Drittantragsteller als nunmehriger Erwerber der Liegenschaft diese Vollmacht widerrufen hätte, ergibt sich aus dem Antragsvorbringen nämlich nicht. Dies wird auch im Revisionsrekurs nicht behauptet, den auch nur der Erstantragsteller erhoben hat. Selbst wenn man mit dem Erstantragsteller von einem wirksamen Vollmachtswiderruf durch ihn ausgehen wollte, würde das nichts daran ändern, dass jedenfalls eine wirksame Bevollmächtigung des Antragstellervertreters für den Grundbuchsantrag des Drittantragstellers vorlag. Auch insoweit kann der Revisionsrekurswerber daher keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.

[13] 4. Dass das Rekursgericht mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung zeitlich bereits vor der Entscheidung über den im Verfahren über das Gesuch 1 des „Antragscontainers“ erhobenen Rekurs entschieden hat, ist nicht zu beanstanden, weil das Gesuch 1 bewilligt wurde und – wie erwähnt – die Rechtskraft dieses Bewilligungsbeschlusses nicht abzuwarten war. Der daraus – erkennbar – abgeleitete Verfahrensmangel liegt daher ebenfalls nicht vor.

[14] 5. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 126 Abs 2 GBG iVm § 71 Abs 3 AußStrG).

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