OGH 17Ob10/22b

OGH17Ob10/22b12.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* AG, *, vertreten durch die Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz, gegen die beklagte Partei F* Gesellschaft m.b.H., *, vertreten durch die Weinhäupl Edtbauer Treml Anwälte GmbH in Ried im Innkreis, und die Nebenintervenientin E* GmbH, *, vertreten durch diePutz & Rischka Rechtsanwälte KG in Wien, wegen 477.290,47 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2022, GZ 1 R 167/21s‑71, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 29. September 2021, GZ 2 Cg 21/18w‑64, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0170OB00010.22B.0712.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie als Teilurteil einschließlich ihres in Rechtskraft erwachsenen Teils lautet:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution 81.014,14 EUR  samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 8. 5. 2018 zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 353.222,78 EUR samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 8. 5. 2018 wird abgewiesen.

2. Es wird mit Rechtswirkung zwischen der klagenden und der beklagten Partei festgestellt:

Falls die beklagte Partei mit der Zahlung einer Quote gemäß dem Sanierungsplan im Verfahren * im Sinne des § 156a IO in Verzug gerät, lebt die Forderung im Ausmaß des § 156a IO, das heißt maximal im Gesamtbetrag von 434.236,92 EUR (gesamt wiederaufgelebte 2. und 3. Quote) wieder auf und die beklagte Partei ist diesfalls schuldig, der klagenden Partei den entsprechenden Betrag von maximal gesamt 434.236,92 EUR zuzüglich unternehmerischer Zinsen seit 8. 5. 2018 zu bezahlen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte war im Jahr 2011 Auftragnehmerin der Klägerin (bzw deren Rechtsvorgängerin, der G* R* GmbH, *, welche später mit der Klägerin als übernehmender Gesellschaft verschmolzen wurde). Das von der Beklagten geleistete Werk (unter anderem Glaserei‑ und Jalousienarbeiten am Firmensitz der Klägerin) erwies sich letztlich als mangelhaft. Die Klägerin meldete im über das Vermögen der Beklagten am 8. 5. 2018 eröffneten Insolvenzverfahren eine (einen in Anspruch genommenen Haftrücklass berücksichtigende) Forderung in Höhe von 717.559,20 EUR an, die vom Masseverwalter in der Prüfungstagsatzung vom 11. 7. 2018 bestritten wurde. Der am selben Tag von den Gläubigern angenommene (und mit insolvenzgerichtlichem Beschluss vom 5. 9. 2018 bestätigte) Sanierungsplan sieht eine vom Masseverwalter ausgeschüttete Barquote von 6 % innerhalb von sechs Wochen, eine zweite Quote von 7 % binnen 12 Monaten und eine dritte Quote von 7 % binnen 24 Monaten ab Annahme des Sanierungsplans (nicht jedoch vor dessen Bestätigung) vor.

[2] Weil die Klägerin rechtzeitig Prüfungsklage nach § 110 IO erhoben hatte, wurde ihre Barquote nach § 150 Abs 3 IO durch Erlag bei Gericht sichergestellt (6 % von 717.559,20 EUR = 43.053,55 EUR). Eine Zahlung oder Sicherstellung durch Erlag der zweiten oder dritten Quote der Forderung der Klägerin unterblieb. Für den Fall eines Verzugs der Schuldnerin mit der Erfüllung des Sanierungsplans war in diesem vorgesehen, dass § 156a IO mit der Maßgabe gilt, dass die Nachfrist vier Wochen zu betragen und die schriftliche Mahnung eingeschrieben zu erfolgen hat.

[3] Die Klägerin mahnte mit eingeschriebenem Brief vom 23. 4. 2021 die Beklagte unter Setzung einer Nachfrist von 14 Tagen und forderte sie – unter Nennung des jeweils geforderten Betrags – zur Zahlung der zweiten und dritten Quote zu Handen ihrer anwaltlichen Vertretung auf. Auf das drohende Wiederaufleben wurde hingewiesen. Das Schreiben ging der Beklagen spätestens am 11. 5. 2021 zu.

[4] Die Beklagte beantragte am 11. 5. 2021 beim Insolvenzgericht die vorläufige Feststellung des Ausfalls der Klägerin mit einem Betrag von maximal 200.000 EUR gemäß § 156b IO. Dabei vertrat sie – so wie auch im Prozess – die Ansicht, die Mahnung sei rechtsunwirksam, da bei bestrittenen Forderungen nicht an den Gläubiger zu zahlen, sondern allenfalls zu hinterlegen sei und darüber hinaus eine vier- und nicht zweiwöchige Zahlungsfrist vereinbart worden sei.

[5] Mit Schreiben vom 15. 6. 2021, welches am Folgetag zugestellt wurde, mahnte die Klägerin die Beklagte erneut. Das Schreiben entsprach formell und inhaltlich jenem vom 23. 4. 2021 mit der Ausnahme, dass die Nachfrist – dem Sanierungsplan entsprechend – mit vier Wochen angegeben war. Wie im Schreiben vom 23. 4. 2021 wurde die Beklagte auch im Schreiben vom 15. 6. 2021 zur Zahlung (nicht Hinterlegung) aufgefordert.

[6] Über den Antrag nach § 156b IO wurde vom Insolvenzgericht am 20. 7. 2021 – und damit erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 15. 7. 2021 – entschieden. Der Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass § 156b Abs 1 IO zu § 150 Abs 3 und 4 IO subsidiär sei. Bei Bestreitung einer angemeldeten Insolvenzforderung komme § 150 Abs 3 und 4 IO zur Anwendung, sofern die Frist zur Klageanbringung noch offen ist oder ein entsprechendes Verfahren bereits eingeleitet oder fortgesetzt wurde. Dieser Beschluss wurde im Insolvenzverfahren vom Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht unter Billigung dieser Begründung am 26. 8. 2021 bestätigt und ist rechtskräftig.

[7] Dass die Beklagte wegen ihrer Werkleistung anhaftender Mängel der Klägerin für Sanierungskosten in Höhe von 620.338,45 EUR einzustehen hätte, wäre es nicht zur Annahme des Sanierungsplans gekommen, ist vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr strittig.

[8] Die Klägerin begehrte in ihrer am 9. 8. 2018 eingebrachten (Prüfungs‑)Klage zunächst die Feststellung einer Insolvenzforderung im Betrag von 717.559,20 EUR. Nach rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans änderte sie in der Tagsatzung vom 28. 11. 2018 das Begehren auf Zahlung von 43.053,53 EUR sA (= 6 % von 717.559,20 EUR = erste Quote) ab und erhob auch ein auf Haftung der Beklagten für Schäden und Nachteile gerichtetes Feststellungsbegehren. Es folgte in der Tagsatzung vom 13. 1. 2021 eine Klageänderung dahin, dass Zahlung von 143.511,84 EUR (= 20 % von 717.559,20 EUR) begehrt wurde; ferner wurden mehrere Eventualbegehren erhoben. In der Tagsatzung vom 15. 7. 2021 änderte die Klägerin letztlich ihr Hauptbegehren – gestützt darauf, dass hinsichtlich der zweiten und dritten Quote wegen gehöriger Mahnung nach § 156a IO die Forderung wiederaufgelebt sei – auf Zahlung von 477.290,47 EUR sA (= 14/20 von 620.338,45 EUR zzgl 43.053,55 EUR).

[9] Für den Fall der auch nur teilweisen Abweisung dieses Klagebegehrens stellte die Klägerin nunmehr nachstehendes Eventualbegehren: „Es wird mit Rechtswirkung zwischen der klagenden und beklagten Partei festgestellt: Falls die beklagte Partei mit der Zahlung einer Quote gemäß dem Sanierungsplan im Verfahren * im Sinne des § 156a IO in Verzug gerät, lebt die Forderung im Ausmaß des § 156a IO, das heißt maximal im Betrag von EUR 434.236,92 wieder auf und die beklagte Partei ist diesfalls schuldig, der klagenden Partei den entsprechenden Betrag von maximal EUR 434.236,92 zuzüglich Unternehmerzinsen seit 8. 5. 2018 zu bezahlen und der Klägerin die Prozesskosten zu Handen der Klagevertreterin zu ersetzen, dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution.“

[10] Die Beklagte und ihre Nebenintervenientin bestritten – soweit für das Revisionsverfahren noch relevant – das Wiederaufleben der Verbindlichkeit der Beklagten hinsichtlich der zweiten und dritten Quote. Gegen das Feststellungsbegehren wurde kein substantiierter Einwand erhoben.

[11] Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, „die Einwilligung in die Ausfolgung eines Betrags von EUR 8.648,08 aus dem vom Sanierungsverwalter im Sanierungsverfahren * bei der Verwahrstelle des OLG Linz zu HMB * erlegten Betrag gemäß Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis zu * zu erteilen“ und „einen Betrag von EUR 20.178,85 samt Unternehmerzinsen aus dem Betrag von EUR 10.089,42 von 12. 07. 2019 bis 11. 07. 2020 und aus EUR 20.178,85 seit 12. 07. 2020 zu bezahlen“, und stellte mit Rechtswirkung zwischen den Streitparteien folgendes fest: „Falls die beklagte Partei mit der Zahlung einer Quote gemäß dem Sanierungsplan im Verfahren * im Sinne des § 156a IO in Verzug gerät, lebt die Forderung im Ausmaß des § 156a IO, das heißt maximal im Betrag von EUR 80.715,42 wieder auf und die beklagte Partei ist diesfalls schuldig, der klagenden Partei den entsprechenden Betrag von maximal EUR 80.715,42 zuzüglich Unternehmerzinsen seit 8. 05. 2018 zu bezahlen.“ Rechtlich vertrat das Erstgericht soweit für das Revisionsverfahren von Interesse die Ansicht, dass hinsichtlich der zweiten und dritten Quote noch kein quotenmäßiges Wiederaufleben eingetreten, jedoch ein solches mangels gerichtlichen Erlags nicht ausgeschlossen sei.

[12] Das Berufungsgericht verurteilte mit dem angefochtenen Teilurteil in teilweiser Abänderung des Ersturteils die Beklagte zur Zahlung von 434.236,92 EUR(= 14/20 von 620.338,45 EUR) samt 9,2 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 8. 5. 2018. Im Übrigen – somit in Hinsicht auf ein weiteres Zahlungsbegehren von 43.053,55 EUR(= erlegte erste Quote) samt Zinsen – hob es das Ersturteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Zur zweiten und dritten Quote trat das Berufungsgericht dem Prozessstandpunkt der Klägerin bei, es sei wegen gehöriger Mahnung nach § 156a IO zu einem quotenmäßigen Wiederaufleben der Forderung gekommen. Die Beklagte habe das Zinsenbegehren, insbesondere den Beginn des Zinsenlaufs mit 8. 5. 2018, nicht substantiiert bestritten. Dass im ersten Mahnschreiben irrig eine 14‑tägige statt richtig vierwöchige Nachfrist gesetzt und zur Zahlung statt richtig zum Erlag aufgefordert worden sei, schade der Klägerin nicht. Die Beklagte werde nämlich vom seinerzeitigen Masseverwalter vertreten; dessen Wissen über die Notwendigkeit, innerhalb von vier Wochen nach Erhalt der Mahnung den Erlag vorzunehmen, sei der Beklagten zuzurechnen. Darauf, dass sie einen Antrag nach § 156b IO gestellt habe, könne sich die Beklagte nicht berufen, weil diese Bestimmung gegenüber der Sicherstellungsverpflichtung nach § 150 Abs 3 und 4 IO subsidiär sei. Mangels Rechtsprechung zu der angenommenen Subsidiarität und den Erfordernissen an eine qualifizierte Mahnung nach § 156a Abs 2 IO ließ das Berufungsgericht die Revision und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zu.

[13] Nur gegen die abändernde Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Berufungsurteil dahin abzuändern, dass der Klägerin lediglich ein Betrag von 81.014,14 EUR zugesprochen wird. Als Revisionsgrund wird unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht. Die Beklagte hält ihren Standpunkt aufrecht, dass aus den von ihr im Prozess genannten Gründen beide Mahnungen rechtsunwirksam gewesen seien. Sie bestreitet, dass ihr das Wissen ihrer jetzigen anwaltlichen Vertretung– der der seinerzeitige Masseverwalter angehört – zurechenbar sei. Zudem führt sie ins Treffen, dass die bei Gericht erlegte Barquote auf Basis der überhöht vorgenommenen Insolvenzanmeldung (6 % von 717.559,20 EUR statt – wie der Prozess ergeben habe – von nur geschuldeten 620.338,45 EUR) vorgenommen worden sei; hinsichtlich der „Überzahlung“ sei eine partielle Tilgung der zweiten und dritten Sanierungsplanrate erfolgt.

[14] Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung des Rechtsmittels mangels erheblicher Rechtsfrage, hilfsweise diesem den Erfolg zu versagen.

[15] Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist im Ergebnis auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[16] 1. Die Beklagte brachte nach Ausdehnung der Klage in der letzten Tagsatzung ausdrücklich vor, dass die erste Quote durch den Insolvenzverwalter erlegt worden und der Erlag „mit keinem Erklärungswillen verbunden“ gewesen sei. Erst im Berufungsverfahren nahm die Beklagte den Standpunkt ein, bei Nichterlag sämtlicher Quoten und nicht gänzlichem Durchdringen des Gläubigers im Prüfungsprozess mit seinem Begehren sei eine „überzahlte“ hinterlegte Quote auf die ausstehenden Quoten anzurechnen. Dabei handelt es sich um einen – das Neuerungsverbot nach § 482 Abs 2 ZPO verletzenden – Schuldtilgungseinwand. Wenn die Beklagte in der Revision ausführt, es sei durch den zu hohen Erlag der ersten Quote bereits zu einer teilweisen Erfüllung des Erlags der zweiten bzw dritten Quote gekommen und es sei als Konsequenz dessen insoweit (iSv § 156a Abs 3 IO) kein Wiederaufleben möglich, so ist dies auch vor dem Obersten Gerichtshof als unzulässige Neuerung unbeachtlich (§ 504 Abs 2 ZPO).

[17] 2. Der Antrag der Beklagten an das Insolvenzgericht nach § 156b IO wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Rechtskraft einer anderen Entscheidung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen (§ 230 Abs 3, § 411 Abs 2 ZPO). Dies bedeutet, dass auch die Rechtsmittelinstanzen die Rechtskraft einer Entscheidung berücksichtigen müssen, wenn diese während des Rechtsmittelverfahrens eingetreten ist (RIS‑Justiz RS0074226 [T6]). Aufgrund der Identität der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhalts und der Präjudizialität der im Insolvenzverfahren entschiedenen Hauptfrage (vgl RIS‑Justiz RS0041572) – nämlich der Berechtigung des gestellten Antrags nach § 156b IO – für den vorliegenden Zivilprozess ist in diesem bindend davon auszugehen, dass sich die Beklagte nicht auf § 156b IO berufen kann.

[18] 3. Entscheidungswesentlich ist damit grundsätzlich die Frage, ob die von der Klägerin der Beklagten zugesandten Mahnungen den Erfordernissen des § 156a IO entsprechen und damit wirksam waren. Die Vorschrift lautet:

Verzug

§ 156a. (1) Der Nachlass und die sonstigen Begünstigungen, die der Sanierungsplan gewährt, werden für diejenigen Gläubiger hinfällig, gegenüber welchen der Schuldner mit der Erfüllung des Sanierungsplans in Verzug gerät.

(2) Ein solcher Verzug ist erst anzunehmen, wenn der Schuldner eine fällige Verbindlichkeit trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung nicht gezahlt hat. Ist der Schuldner eine natürliche Person, die kein Unternehmen betreibt, und ist die Sanierungsplanquote in Raten zu zahlen, deren Laufzeit ein Jahr übersteigt, so ist ein Verzug erst dann anzunehmen, wenn er eine seit mindestens sechs Wochen fällige Verbindlichkeit trotz einer vom Gläubiger unter Einräumung einer mindestens vierzehntägigen Nachfrist an ihn gerichteten schriftlichen Mahnung nicht gezahlt hat.

(3) Die Wirkung des Wiederauflebens erstreckt sich nicht auf Forderungen, die zur Zeit der eingetretenen Säumnis mit dem im Sanierungsplan festgesetzten Betrag voll befriedigt waren; andere Forderungen sind mit dem Bruchteile als getilgt anzusehen, der dem Verhältnis des bezahlten Betrags zu dem nach dem Sanierungsplan zu zahlenden Betrag entspricht. Die Rechte, die der Sanierungsplan den Gläubigern gegenüber dem Schuldner oder dritten Personen einräumt, bleiben unberührt.

(4) Im Sanierungsplan kann von Abs. 1 bis 3 nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden, von Abs. 3 erster Satz kann jedoch abgewichen werden, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Sanierungsplan abgeschlossen worden ist.“

 

[19] 3.1. Seit der Ausgleichsnovelle 1934 (BGBl II 1934/178) ist es nicht mehr notwendig, im Sanierungsplan (früher: Ausgleich oder Zwangsausgleich) das Wiederaufleben vorzusehen. Das Wiederaufleben tritt – sofern nicht anders vereinbart – seither ex lege ein (Erläuterungen zur Novelle in JABl 1934, 91 ff [99]); es ist „einegesetzlich vermutete Bestimmung“ des (heute) Sanierungsplans (1 Ob 845/53 = SZ 26/290).

[20] 3.2. Das Wiederaufleben einer Forderung nach Abschluss und Bestätigung eines Sanierungsplans hat neben dem Vorliegen einer Säumigkeit des Schuldners mit der Sanierungsplanerfüllung die Einhaltung des (heute) in § 156a Abs 2 IO statuierten Vorgehens zur Voraussetzung (7 Ob 659/87). Zumal die hier beklagte Schuldnerin keine natürliche Person ist, hat § 156a Abs 2 Satz 2 IO außer Betracht zu bleiben. Es kommt grundsätzlich nur auf die Erfüllung der Voraussetzungen des Satzes 1 der genannten Vorschrift an. Darüber hinaus ist aufgrund von § 156a Abs 4 IO die Einhaltung der nicht zum Nachteil der Schuldnerin abweichenden Bestimmungen des konkreten Sanierungsplans über das Wiederaufleben erforderlich.

[21] 3.3. Zweck der qualifizierten Mahnung nach (heute) § 156a Abs 2 Satz 1 IO ist, den säumigen Schuldner darauf aufmerksam zu machen, dass er die ihm fürdie Begleichung der Sanierungsplanrate offenstehende Zahlungsfrist nicht eingehalten hat, und ihm die schwerwiegende Folge der Nichtzahlung, nämlich das drohende Wiederaufleben der Forderung, klar vor Augen zu führen (3 Ob 26/66 = SZ 39/41; 3 Ob 41/10s ua). Nach ständiger neuerer Rechtsprechung sind – zur Erreichung des genannten Zwecks – an die qualifizierte Mahnung hohe Anforderungen zu stellen: Die Mahnung hat auf den Sanierungsplan Bezug zu nehmen, die Höhe des geforderten Betrags zu enthalten, den Schuldner die im konkreten Fall vorgesehene Nachfrist einzuräumen und das Wiederaufleben anzudrohen (vgl RIS‑Justiz RS0065338). Zudem muss– argumento § 156a Abs 4 IO – die Mahnung allfällig weitere im Sanierungsplan vorgesehene Bedingungen erfüllen.

[22] 3.4. Die vorliegenden Mahnungen ergingen wie im Gesetz vorgesehen schriftlich und zudem wie im Sanierungsplan vorgesehen eingeschrieben. Sie erfüllten auch die in der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen der Bezugnahme auf den Sanierungsplan, der Nennung der Höhe des geforderten Betrags und der Androhung des Wiederauflebens. Demgegenüber wurde in der ersten Mahnung nicht die im Sanierungsplan vorgesehene, für die beklagte Schuldnerin günstigere vierwöchige, sondern die kürzere und damit aufgrund von § 156a Abs 4 IO durch den Sanierungsplan verdrängte vierzehntägige Nachfrist genannt. Außerdem wurde – obgleich über die Berechtigung der Forderung noch ein Rechtsstreit anhängig war – in beiden Mahnungen Zahlung und nicht Hinterlegung verlangt. Bestrittene Forderungen sind vom Schuldner, solange über den Rechtsstreit kein rechtswirksames Urteil vorliegt, aber im Rahmen des Sanierungsplans nicht zu zahlen, sondern bei Fälligkeit der Sanierungsplanrate bloß sicherzustellen (vgl 8 Ob 71/07k; Riel, Die Sicherstellung bestrittener Konkursforderungen im Zwangsausgleichsverfahren, ecolex 2008, 27 [28 f]; Lovrek in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [31. Lfg 2008] § 156 KO Rz 77, 88; Nunner‑Krautgasser/Anzenberger in KLS [2019] § 156a IO Rz 5).

[23] Entgegen der Ansicht der Klägerin in der Revisionsbeantwortung ist es für die Wirksamkeit einer Mahnung nicht unerheblich, ob in ihr zur Zahlung oder zum gerichtlichen Erlag oder zu einer sonstigen Sicherstellung aufgefordert wird. Für jede Mahnung ist wesentlich, dass sie erkennen lässt, was der Gläubiger fordert (vgl RIS‑Justiz RS0017614 [T9]). Die Mahnung ist in ihrem Kern die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers zur Erbringung der geschuldeten Leistung (Lorenz in Hau/Poseck, BeckOK BGB [62. Edition 2022] § 286 Rz 23 ua; iglS 1 Ob 122/00y; RIS‑Justiz RS0017614 [T8]). Wird etwas anderes als die geschuldete Leistung verlangt, so liegt folglich keine gehörige Mahnung vor. Dies muss umso mehr gelten, wenn die Mahnung qualifiziert ist, an sie also hohe Ansprüche gestellt werden.

[24] 3.5. Beide Mahnungenwaren daher an sich nicht geeignet, das (quotenmäßige) Wiederaufleben der (ursprünglichen) Forderung der Klägerin zu bewirken. Die Mahnung vom 23. 4. 2021 sowohl wegen der unrichtigen Nachfrist als auch des unrichtigen Zahlungsverlangens, die Mahnung vom 15. 6. 2021 zwar nicht mehr wegen ersterem, aber wegen letzterem.

[25] 3.6. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass zumindest der rechtsfreundlichen Vertretung der beklagten Schuldnerin in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Zustellung der ersten Mahnung (als Zustelldatum ist aufgrund der Feststellungen der 11. 5. 2021 anzunehmen) beide Fehler auffielen. Die rechtsfreundliche Vertretung stellte ja namens der Beklagten noch am selben Tag beim Insolvenzgericht einen Antrag nach § 156b IO, in dem (insofern zutreffend) ausgeführt wurde, die Beklagte müsse, da eine bestrittene Forderung vorliegt, nicht, wie in der Mahnung verlangt, zahlen, sondern allenfalls hinterlegen, und es sei eine vierwöchige und keine zweiwöchige Nachfrist vereinbart worden.

[26] In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass es trotz einer zu kurzen Nachfrist in der Mahnung zum Wiederaufleben komme, wenn dem Schuldner die richtige Frist bekannt war (Nunner-Krautgasser/Anzenberger in KLS [2019] § 156a IO Rz 16 mwN). Analog dazu könnte auch vertreten werden, werde in der Mahnung Zahlung statt richtigerweise Hinterlegung (Sicherstellung) verlangt, schade dies dem Gläubiger nicht, wenn der Schuldner über seine Rechtspflicht im Klaren sei.

[27] Ob der Literatur in diesem Punkt beizutreten ist, bedarf hier keiner abschließenden Beurteilung. Die Beklagte hat nämlich in der Revision zutreffend aufgezeigt, dass ihr das Wissen ihrer rechtsfreundlichen Vertretung über die der Gläubigerin unterlaufenen Fehler bei der Einmahnung nicht zugerechnet werden kann:

[28] 3.6.1. Voranzustellen ist, dass im Prozess von der Klägerin weder behauptet noch vom Erstgericht festgestellt wurde, dass der Beklagten selbst der eine oder andere Fehler auffiel. Damit kann offen bleiben, ob der Beklagten – wie von der Klägerin vorgebracht und vom Berufungsgericht nach §§ 266 f ZPO angenommen – die im Sanierungsplan festgelegte vierwöchige Frist „bekannt war“. Aus einem– allfällig auch nur bloß latenten – Wissen über die Länge der im Sanierungsplan vorgesehenen Nachfrist kann nicht abgeleitet werden, dass dem Schuldner, wenn er eine eine kürzere Nachfrist nennende Mahnung erhält, bewusst ist, dass ihm die längere Frist zur Verfügung steht.

[29] Dass der Beklagten „bekannt war“, dass sie nicht zahlen, sondern nur hinterlegen müsse, wurde von der Klägerin im Prozess überhaupt nicht behauptet.

[30] 3.6.2. Bei einer juristischen Person kommt es für die Unterstellung der Kenntnis einer Tatsache zwar nicht ausschließlich auf den Wissensstand der organschaftlichen Vertreter an. Auch das Wissen von etwa Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten oder Rechtsvertreternkann maßgeblich sein. Dafür ist nach der Rechtsprechung aber erforderlich, dass sich das Wissen auf das dem Bevollmächtigten „übertragene Aufgabengebiet erstreckt“ und dass er mit der „speziellen Sache auch tatsächlichbefasst“ war (RIS‑Justiz RS0034415; Baumgartner/U. Torggler in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2019] § 1017 ABGB Rz 89 mwN; vgl auch RS0009172; RS0034422; RS0019518).

[31] Die Erteilung von Vollmacht und Auftrag zur Vertretung einer (ehemaligen) Schuldnerin vor dem Insolvenzgericht zieht keine Berechtigung des so Bevollmächtigten zum Empfang privatrechtlicher Willenserklärungen für den Mandanten nach sich, somit auch nicht zum Empfang einer Mahnung nach § 156a IO (8 Ob 53/08i mwH).

[32] Die rechtsfreundliche Vertretung der Beklagten war mit der Stellung des Antrags nach § 156b IO beauftragt, somit – zumindest in dieser Angelegenheit – mit der Vertretung der Beklagten vor dem Insolvenzgericht. Dass die Beklagte im Zeitraum 23. 4. 2021 (Verfassung des ersten Mahnschreibens) bis 16. 6. 2021 (Zugang des zweiten Mahnschreibens) „im Zusammenhang“ mit der noch offenen zweiten und dritten Sanierungsplanquote durch die jetzige Beklagtenvertretung anwaltlich vertreten war, kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts den erstgerichtlichen Feststellungen nicht entnommen und aus dem Stellen eines Antrags nach § 156b IO durch die jetzige Beklagtenvertretung für die Beklagte auch nicht abgeleitet werden. Dass die jetzige Beklagtenvertretung mit der Entgegennahme und Prüfung des Mahnschreibens beauftragt war oder sie gar einen Auftrag hatte, „über die Quotenzahlungen zu disponieren“ (8 Ob 53/08i), wurde von der Klägerin im Verfahren auch nicht behauptet.

[33] Das Wissen der rechtsfreundlichen Vertretung der Beklagten über den „wahren Inhalt“ des Mahnschreibens ist folglich der Beklagten lediglich im (vom seinerzeitigen Mandat erfassten) Bereich des Antrags nach § 156b IO, nicht aber im Bereich der Mahnung nach § 156a IO zuzurechnen. Auf dieses Aufgabengebiet erstreckte sich die Tätigkeit der rechtsfreundlichen Vertretung der Beklagten, als das eine und andere Mahnschreiben zuging, noch nicht.

[34] 3.7. Mangels einer gültigen Mahnung nach § 156a IO ist somit ein Wiederaufleben der Forderung der Klägerin zu verneinen. Das auf ein solches (in Hinsicht auf die zweite und dritte Sanierungsplanrate) gestützte Leistungsbegehren ist unberechtigt. Der Zuspruch blieb in einem Betrag von 81.014,14 EUR in der Revision unangefochten und erwuchs damit in Rechtskraft; der Zinsenlauf wurde in der Revision dabei nicht in Zweifel gezogen. Das auf die zweite und dritte Quote entfallende Leistungsmehrbegehren ist abzuweisen.

[35] 4. Damit ist auf das für den Fall derauch bloß teilweisen Abweisung erhobene Eventualfeststellungsbegehren einzugehen (vgl RIS‑Justiz RS0037674):

[36] Solange ein Wiederaufleben der Forderung nach § 156a IO droht, ist der Gläubiger berechtigt, die Feststellung der – durch das Wiederaufleben bedingten – Zahlungspflicht des Schuldners zu fordern. Die Klägerin formulierte ihr Feststellungsbegehren in strikter Anlehnung an die heute herrschende Auffassung (eingehend mwN Klauser/K. Huber, Prüfungsprozess und Sanierungsplan – Auswirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens auf das Klagebegehren, ZIK 2019, 170 ff [insb 174]). Aus Gründen der Klarheit war inden Spruch lediglich ergänzend ein Hinweis darauf aufzunehmen, dass der Anspruch der Klägerin wegen Wiederauflebens der Pflichten der Beklagten aus der zweiten und dritten Quote einschließlich des ihr bereits rechtskräftig zugesprochenen Betrags 434.236,92 EUR nicht überschreiten kann.

[37] 5. Im Hinblick auf den unangefochtenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts ist sowohl hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten als auch der Kosten des Berufungs‑ und Revisionsverfahrens mit einem Kostenvorbehalt vorzugehen.

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