Normen
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1346
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1353
AO §53
KO idF vor 1. 7. 2010 §156
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1346
Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch §1353
AO §53
KO idF vor 1. 7. 2010 §156
Spruch:
Im Zweifel verbürgt sich der Ausgleichsbürge auch für die infolge Verzuges wiederaufgelebten Beträge.
Entscheidung vom 2. Dezember 1953, 1 Ob 845/53.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Im Konkurs gegen Karl D. ist die Zweitbeklagte "für die Erfüllung des Zwangsausgleichs als Bürgin und Zahlerin bei unmittelbarer Vollstreckbarkeit bei(getreten)". Der Zwangsausgleich wurde mit Beschluß vom 5. Mai 1951 bestätigt.
Am 23. Juni 1952 schrieben die Vertreter der klagenden Partei dem Erstbeklagten (Gemeinschuldner), der Betrag von 5977 S sei noch zur Gänze offen. Da es sich hiebei um ein Entgelt handle, welches der Erstbeklagte für den Verkauf von Ware erhalten habe, die ihm unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden sei, begehre die klagende Partei gemäß § 21 AO. die Bezahlung des gesamten Betrages von 5977 S zuzüglich der Anwaltskosten von 103.80 S, zusammen 6080.80 S. Die klagende Partei ersuche, diesen Betrag binnen zehn Tagen, d. i. bis längstens 3. Juli 1952, an ihren Anwalt zu überweisen. Sollte dies nicht geschehen, so würde geklagt werden. Für den Fall, als ein Aussonderungsanspruch und ein Anspruch auf Zahlung des gesamten Betrages nicht bestehen sollte, beantrage die klagende Partei jedenfalls den laut dem Zwangsausgleich zur Zahlung fälligen Betrag samt den Kosten binnen der gleichen Frist.
In dem zu entscheidenden Rechtsstreit begehrt die klagende Partei, die beiden Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 5577 S zu verurteilen. Bei der ersten Tagsatzung am 16. Dezember 1952 schränkte die klagende Partei das Klagebegehren infolge Zahlung an diesem Tag um den Betrag von 1752.30 S ein.
Das Erstgericht verurteilte den Erstbeklagten zur Zahlung des eingeschränkten Klagebetrages von 3824.70 S, wies aber das gleiche Begehren gegenüber der Zweitbeklagten ab. Gegenüber dem Erstbeklagten sei infolge Verzugs die gesamte Forderung wieder aufgelebt. Für den wiederaufgelebten Betrag hafte aber die Zweitbeklagte nicht, weil eine diesbezügliche Erklärung fehle.
Die Berufung des Erstbeklagten blieb erfolglos. Der Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es auch die Zweitbeklagte, u. zw. zur ungeteilten Hand, mit dem Erstbeklagten zur Zahlung des wiederaufgelebten Forderungsteils von 3824.70 S verurteilte. Wenn die Zweitbeklagte die Haftung hiefür hätte ablehnen wollen, so hätte sie dies in ihrer Erklärung zum Ausdruck bringen müssen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Parteien nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Wenn die Revision rügt, daß sich das Berufungsgericht mit dem Standpunkt der Zweitbeklagten, sie sei vor Einbringung der Klage nicht gemahnt worden, nicht auseinandergesetzt habe, so ist dies nur sehr beschränkt richtig, weil das Berufungsgericht ohnedies bei der Erörterung der Berufung des Erstbeklagten ausführlich auf diese Fragen eingegangen ist. Im übrigen könnte dadurch auch nicht - wie die Revision meint - eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, wohl aber eine unrichtige rechtliche Beurteilung begrundet werden. Auch sie liegt jedoch nicht vor. In dem eingangs wiedergegebenen Brief verlangt die klagende Partei zunächst von dem Standpunkt ausgehend, sie sei Aussonderungsgläubigerin, die Zahlung des ganzen Betrages binnen zehn Tagen, fügt aber bei, daß sie, falls dieser Anspruch nicht bestehen sollte, "beantragt ..., jedenfalls den laut dem Zwangsausgleich zur Zahlung fälligen Betrag ... binnen der gleichen Frist" zu bezahlen. Damit list dem Erfordernis der Mahnung und Nachfristerteilung gemäß § 156 Abs. 4 KO. ausreichend entsprochen.
Als Bürgin und Zahlerin muß die Zweitbeklagte die Mahnung des Hauptschuldners auch gegen sich gelten lassen.
Aber auch die Meinung des Berufungsgerichtes, daß die Zweitbeklagte dann, wenn sie für wiederauflebende Forderungsteile nicht hätte haften wollen, dies hätte ausdrücklich ablehnen müssen, ist frei von Rechtsirrtum. Die Zweitbeklagte ist der Erfüllung des Zwangsausgleiches als Bürgin und Zahlerin bei unmittelbarer Vollstreckbarkeit beigetreten. Zum Zwangsausgleich gehört alles, was der vom Gericht bestätigte Ausgleichsvorschlag vorsieht. Einen Teil dieses Ausgleichsvorschlags bilden auch die Bestimmungen über das Wiederaufleben. Dies ergibt bereits die jetzt geltende Vorschrift des § 156 Abs. 4 KO., wonach "wenn im Ausgleich nichts anderes bestimmt ist" Terminsverlust und Wiederaufleben von Gesetzes wegen eintritt. Nach diesem Gesetzeswortlaut stellt das Wiederaufleben eine gesetzlich vermutete Bestimmung des Zwangsausgleichs dar. Dies wird umso gewisser, wenn man berücksichtigt, daß § 156 Abs. 4 KO. in der Fassung des Gesetzes vom 20. Feber 1925, BGBl. Nr. 87, vorsah, daß das Wiederaufleben vereinbart werden könne. Erst die Ausgleichsnovelle 1934, BGBl. II, Nr. 178, führte dann die jetzt geltende gesetzliche Vermutung des Wiederauflebens ein (siehe dazu die Erläuterungen zur Ausgleichsnovelle 1934, JABl. 1934, S. 91 ff. zu Art. I, Punkt 32, 33 und zu Art. II). Gehört aber die Vereinbarung des Wiederauflebens zum Inhalt des Zwangsausgleichs, so haftet der Bürge auch für die wiederaufgelebten Beträge, weil sie bei solcher Auffassung in Erfüllung des Zwangsausgleichs zu leisten sind.
Wenn die Revision meint, daß sich die Auffassung des Berufungsgerichtes mit Lehre und Rechtsprechung in Widerspruch setzt, so bleibt sie die Anführung von Belegstellen schuldig. Darauf, daß Bartsch - Pollak, Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, 3. Aufl., II, S. 74, die gleiche Rechtsauffassung wie das Berufungsgericht vertreten, hat dieses bereits hingewiesen. Auch Lehmann, Kommentar zur Ausgleichsordnung, Wien 1925, S. 253, meint zu dem Parallelfall des § 53 AO., es sei zulässig, daß die Garanten zur Bedingung machen, daß im Falle ihrer Inanspruchnahme und der Erfüllung der von ihnen übernommenen Verbindlichkeit durch sie die Gläubiger von der Wiederauflebensklausel keinen Gebrauch machen. Auch er geht also von der grundsätzlichen Wirkung des Wiederauflebens für die Garanten aus. Erwähnt sei auch noch, daß das deutsche Schrifttum (Ernst Jaeger, Kommentar zur KO., Berlin - Leipzig, 1936, 6. und 7. Aufl., § 194, Anm. 5) unter Hinweis auf § 767 BGB. zu dem Ergebnis kommt, daß der Bürge im Zweifel unbegrenzt für die Vergleichsansprüche in ihrer jeweiligen Höhe haftet.
Aus § 1353 ABGB. läßt sich für die Zweitbeklagte nichts gewinnen, weil die Vereinbarung des Wiederauflebens gemäß § 156 Abs. 4 KO. zum gesetzlich vermuteten Inhalt des Zwangsausgleichs gehört und weil daher - da die Zweitbeklagte erklärt hat, für die Erfüllung des Zwangsausgleichs einzustehen - eine ausdrückliche Erklärung der Zweitbeklagten in dieser Beziehung vorliegt.
Daß die Unterlassung der Anmeldung einer Forderung im Konkursverfahren die Wirkungen des Zwangsausgleichs und auch das Wiederaufleben nicht hindern kann, hat bereits der Erstrichter mit zutreffenden Anführungen aus Schrifttum (Bartsch - Pollak, 3. Aufl., I. S. 648 f.) und Rechtsprechung erkannt. Der Bürge darf sich eben bei Abgabe seiner Bürgschaftserklärung nicht auf das Anmeldungsverzeichnis verlassen, sondern muß auf sein Risiko - etwa aus der Buchhaltung des Gemeinschuldners - dessen Passivstand erforschen, wenn er sich ein Bild über seinen Haftungsumfang machen will.
Der unbegrundeten Revision war daher nicht Folge zu geben.
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