OGH 6Ob92/22f

OGH6Ob92/22f22.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* S.à.r.l., * Luxembourg, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* I* GmbH, *, vertreten durch Mag. Harald Schuster, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenientin B* GmbH, *, vertreten durch Hopmeier Wagner Kirnbauer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Anfechtung gemäß § 41 GmbHG, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. März 2022, GZ 2 R 29/22g‑19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00092.22F.0622.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Die (zu 9,99 % beteiligte) Klägerin und die (zu 90,01 % beteiligte) Nebenintervenientin sind die einzigen Gesellschafterinnen der beklagten GmbH (einer Projektgesellschaft). Sie schlossen nicht nur den Gesellschaftsvertrag, sondern überdies zusammen mit der Beklagten als Vertragspartei einen Syndikatsvertrag und einen Nachtrag zu diesem ab.

[2] 2. Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die in syndikatsvertraglicher Spezifizierung der Treuepflicht omnilateral und mit der Gesellschaft abgeschlossenen Verträge so auszulegen seien, dass die Klägerin als Minderheitsgesellschafterin nicht ohne ihre Zustimmung aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden darf, bringen die Beklagte und die Nebenintervenientin als Mehrheitsgesellschafterin keine stichhältigen Argumente vor (s zu diesen Vereinbarungen schon 6 Ob 211/21d).

[3] 3. Soweit sich die Beklagte auf die zu 6 Ob 210/12v ergangene Entscheidung stützt und meint, aus dieser lasse sich ableiten, dass der Beschluss auf Ausschluss einer Minderheitsgesellschafterin nicht an den Kriterien von Rechtsmissbrauch oder Treuwidrigkeit zu messen sei, weil damit die vom Gesetzgeber getroffene Grundentscheidung der Zulässigkeit des Gesellschafterausschlusses konterkariert würde, übersieht sie, dass sich die Einwände der Klägerin im damaligen Fall gegen die Beschlussfassung auf die Höhe der Barabfindung, also auf die für die Klägerin als Minderheitsgesellschafterin negativen Folgen des Beschlusses, bezogen hatten. Der Fachsenat hielt in dieser Entscheidung eine Anfechtung wegen Rechtsmissbrauchs bzw Treuwidrigkeit zwar nicht aus einem solchen Grund (vgl RS0124448), aber etwa dann für möglich, wenn die Voraussetzungen für den Gesellschafterausschluss rechtsmissbräuchlich herbeigeführt worden sind (6 Ob 210/12v [ErwGr 5.4.]), womit nicht Motive oder Folgen des Beschlusses, sondern die Art seines Zustandekommens angesprochen war. Anders als im damaligen Fall (6 Ob 210/12v [ErwGr 7.]) vermochte die Klägerin hier darzulegen, worin die Sittenwidrigkeit des Abstimmungsverhaltens anlässlich der Beschlussfassung gelegen ist (vgl dazu auch Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlungsgesetz3 § 1 GesAusG Rz 33, 46 mwN).

[4] 4. Die Klägerin hat aber nicht nur die omnilateralen (siehe dazu 6 Ob 140/20m [insb Rz 100 f]) und sogar unter Einschluss der Gesellschaft als Vertragspartei abgeschlossenen Regelungen für sich. Sie hatte zudem gegenüber der Nebenintervenientin eine einstweilige Verfügung erwirkt, die dieser noch vor der Generalversammlung zugegangen ist. Darin war ihr untersagt worden, Beschlüsse der Gesellschafter der Beklagten zu veranlassen oder zu fassen, mit denen die Klägerin als Gesellschafterin der Beklagten ausgeschlossen werden soll und in der Generalversammlung für den Gesellschafterausschluss der Klägerin aus der Beklagten zu stimmen. Unstrittig ist der einzige Geschäftsführer der Nebenintervenientin auch Geschäftsführer der Beklagten.

[5] Die Nebenintervenientin hat sich daher – was der Beklagten auch bekannt war – verbotswidrig verhalten. Daran vermag auch der Umstand, dass die Wirksamkeit des angefochtenen Beschlusses aufschiebend bedingt von der Aufhebung der einstweiligen Verfügung sein und er erst in diesem Zeitpunkt wirksam werden sollte, nichts zu ändern, weil es der Nebenintervenientin untersagt war, einen derartigen Beschluss – gleich mit welchem Wirksamkeitsbeginn er versehen wird – überhaupt zu fassen.

[6] Wenn daher das Berufungsgericht bei der hier gegebenen allseitigen Kenntnis des mit hoheitlichem Leistungsbefehl ausgesprochenen Verbots zum Ergebnis kam, dass der gefasste Beschluss erfolgreich angefochten werden kann, entspricht dies höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl 6 Ob 90/19g GesRZ 2019, 354 ff [zust im Ergebnis Zimmermann 357]; kritisch dagegen in ihren Glossen Rüffler, ecolex 2020, 201 [203], Walch, NZ 2019, 299 [302 f] sowie Koppensteiner,Satzungsbegleitende Nebenvereinbarungen in der GmbH, GesRZ 2021, 216 ff [222]). Auf die in der Lehre geäußerte Kritik ist mangels Auseinandersetzung der Revisionen damit nicht einzugehen.

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