OGH 5Ob203/21w

OGH5Ob203/21w1.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm (FH) F* S*, vertreten durch die Koch Jilek Rechtsanwälte Partnerschaft in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Feststellung (Streitwert 135.242,73 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. September 2021, GZ 33 R 36/21p‑26, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00203.21W.0601.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Verfahrens sind verschiedene vom Kläger gegenüber der Beklagten im Zusammenhang mit einem Fremdwährungskredit erhobene Feststellungs‑ und Geldleistungsbegehren (Haupt‑ und Eventualbegehren). Der Kläger behauptet, die im Kreditvertrag enthaltenen Bestimmungen zur Währungsumrechnung seien gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, für den Kläger als Verbraucher gemäß § 6 Abs 1 Z 5 KSchG unverbindlich und intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG. Die Nichtigkeit undder Wegfall der offenkundig missbräuchlichen Umrechnungsklauseln habe die Nichtigkeit des gesamten Fremdwährungskreditvertrags zur Folge. Das Kreditverhältnis sei daher bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln.

[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

[4] 1.1. Ein Fremdwährungskredit setzt voraus, dass der Kredit in einer anderen Währung als in Euro gewährt wird und die fremde Währung die für die Rückzahlungspflicht maßgebliche Grundlage bildet. Ob der Kreditnehmer seine Schuld in Euro zurückzahlen kann (unechte Fremdwährungsschuld) oder ob die Leistung in fremder Währung geschuldet wird (echte Fremdwährungsschuld), ist für die Einordnung als Fremdwährungskredit unerheblich. Entscheidend ist, ob der Vertrag Ansprüche auf Zahlung in der Fremdwährung begründet. In diesem Fall muss der Kreditnehmer seine Zahlungspflichten aus dem Vertrag grundsätzlich (sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist oder sich der Schuldner auf die Ersetzungsbefugnis des § 907b ABGB beruft) in der fremden Währung erfüllen (6 Ob 51/21z [Rz 10]; 9 Ob 62/21i [Rz 9]; 1 Ob 163/21h [Rz 4] mwN).

[5] 1.2. Auch der Kreditgeber ist – sofern der Vertrag nichts anderes vorsieht – zur Kreditauszahlung in dieser Währung verpflichtet. Wird dem Kreditnehmer die Wahl eingeräumt, sich den (Fremdwährungs‑)Kredit in Fremdwährung oder in Euro auszahlen zu lassen, handelt es sich um ein Angebot der Bank, zusätzlich zum Kreditvertrag einen Geldwechselvertrag abzuschließen. Lässt der Kreditnehmer sich den Kredit in Euro auszahlen, tritt daher zum Kreditvertrag ein (entgeltlicher) Geldwechselvertrag hinzu (9 Ob 62/21i [Rz 9]; 1 Ob 163/21h [Rz 4]; 6 Ob 154/21x [Rz 1]; 1 Ob 93/21i [Rz 19]; 8 Ob 37/20d [Pkt. III.2f]).

[6] 1.3. Eine allfällige Nichtigkeit des Geldwechselvertrags schlägt auf den Fremdwährungskreditvertrag nicht durch (6 Ob 154/21x [Rz 3]).Entfielen – wie dies der Kläger anstrebt – beim Fremdwährungskreditvertrag die Umrechnungsklauseln und käme – wie vom Kläger vertreten – auch eine Anwendung des dispositiven Rechts (§ 907b ABGB) nicht in Betracht, so bliebe es dabei, dass die Kreditrückzahlung in der Fremdwährung zu erfolgen hat. Der Kreditvertrag wäre auf dieser Basis zu erfüllen. Der Kreditnehmer müsste sich die von ihm in fremder Währung zu leistenden Beträge dann – nicht notwendigerweise beim Kreditgeber – selbst beschaffen. Mit der Unwirksamkeit der Umrechnungsklauseln und des darauf basierenden Geldwechselvertrags fiele der Fremdwährungskreditvertrag also nicht weg. Der Fremdwährungskreditvertrag kann vielmehr auch ohne den Geldwechselvertrag bestehen und durchgeführt werden (9 Ob 62/21i [Rz 10]; 6 Ob 154/21x [Rz 2]; 1 Ob 163/21h [Rz 6]; 1 Ob 47/21z [Rz 5]).

[7] 2.1. Ausgehend von dieser mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann der Revisionswerber keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzeigen.

[8] 2.2. Die übereinstimmende Auffassung der Vorinstanzen, der dem Kläger gewährte Kredit sei nach der Vertragslage als („echter“) Fremdwährungskredit zu qualifizieren, zieht der Revisionswerber zu Recht nicht mehr in Zweifel. Auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach es sich beim Geldwechselvertrag und beim Fremdwährungskreditvertrag um zwei Verträge handelt, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

[9] 2.3. DerKläger beanstandet (ua) die Umrechnungsklausel im Rahmen der Kreditzusage, in der die vereinbarungsgemäß in Schweizer Franken zur Verfügung zu stellende Kreditsumme im Gegenwert von 165.000 EUR als ungefähre Angabe („das sind ca. 249.595,50 CHF“) ausgewiesen ist und wonach der endgültige Fremdwährungsbetrag „sich aus dem für Verkäufe von CHF durch den Kunden gültigen Devisenkurs am Tag der Inanspruchnahme ergibt“.

[10] Es trifft zwar zu, dass diese Klausel (jedenfalls auch) den Fremdwährungskreditvertrag und nicht (nur) den Geldwechselvertrag betrifft; dies insofern als die Einwilligung in einen Vertrag voraussetzt, dass die gesetzlichen Mindestanforderungen des betreffenden Rechtsgeschäftstyps (essentialia negotii) zumindest eindeutig bestimmbar sein müssen (§ 869 ABGB; RS0014693 [T2, T5]). Damit ist aber für den Prozessstandpunkt des Klägers nichts gewonnen. Ginge – wie der Kläger vertritt – aus der Klausel nicht hervor, welcher konkrete CHF-Betrag Leistungsgegenstand sei, wären also die Kreditsumme als Hauptleistungspflicht der Kreditgeberin und davon abgeleitet auch die Rückzahlungssumme als Hauptleistungspflicht des Kreditnehmers nicht ausreichend konkretisiert, hätte das nämlich nicht die – vom Kläger behauptete – Nichtigkeit der Umrechnungsklausel zur Folge. Bezogen auf den eigentlichen Fremdwährungskreditvertrag wäre die Rechtsfolge allenfalls die, dass der Kreditvertrag gar nicht wirksam zustande kam, weil die essentialia negotii nicht bestimmt oder zumindest bestimmbar iSd § 869 ABGB sind (vgl 6 Ob 51/21z). Dass der Vertrag – im Sinn der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre – schon mangels Bestimmbarkeit des Kreditbetrags, also losgelöst von der Frage der Nichtigkeit der Umrechnungsklausel, nicht rechtswirksam zustande gekommen sei, hat der Kläger aber weder im Verfahren in erster Instanz noch in seinen Rechtsmitteln geltend gemacht. Mit der gegenteiligen rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts, der Kreditbetrag sei zwar ziffernmäßig noch nicht festgelegt, aber bereits bestimmt, setzt sich die Revision auch nicht unter diesem Gesichtspunkt auseinander. Seine Argumentation zur Begründung der Nichtigkeit und Missbräuchlichkeit der Umrechnungsklausel fokussiert auf deren Funktion als Teil des Geldwechselvertrags und die Auswirkungen auf die Gesamtbelastung des Klägers im Verlauf des Kreditverhältnisses, hingegen nicht auf die Festsetzung der ausbezahlten Kreditsumme.

[11] 3. Die außerordentliche Revision war somit mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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