European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00018.22V.0530.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Im Verfahren über das Erbrecht nach dem 2017 verstorbenen Erblasser stellten die Vorinstanzen das gesetzliche Erbrecht des Zweitantragstellers sowie der Viertantragstellerin zu jeweils einem Viertel sowie des Drittantragstellers zur Hälfte fest und wiesen die bedingt zum gesamten Nachlass abgegebenen Erbantrittserklärungen der Erstantragstellerin ([behauptete]letztwillige Verfügung vom 13. 9. 2013) sowie des Fünftantragstellers (letztwillige Verfügung vom 26. 4. 1980) ab.
[2] Der Fünftantragsteller zeigt mit seinem außerordentlichen Revisionsrekurs, mit dem er die Feststellung als Alleinerbe aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 6. 4. 2019 (richtig: 26. 4. 1980) anstrebt, keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Rechtliche Beurteilung
[3] 1. Ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des außerstreitigen Verfahrens erster Instanz kann grundsätzlich keinen Revisionsgrund bilden (RS0050037), es sei denn das Rekursgericht hätte infolge unrichtiger Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften eine Erledigung der Mängelrüge überhaupt unterlassen (RS0043086) oder Mängel des Verfahrens erster Instanz mit einer durch die Aktenlage nicht gedeckten Begründung verneint (RS0043086 [T4]). Dann wäre das Rekursverfahren selbst mangelhaft (RS0043086).
[4] Beides liegt aber nicht vor. Die vom Rekursgericht unter ausführlicher Bezugnahme auf das Vorbringen und die Beweisanträge des Fünftantragstellers verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz aufgrund der unterbliebenen Einvernahme der von ihm beantragten Zeugen findet – wie vom Obersten Gerichtshof geprüft wurde (§ 71 Abs 3 AußStrG) – Deckung im Akteninhalt.
[5] 2. Dass ein von einer Partei gestellter Beweisantrag die Tatsache, die bewiesen werden soll, also das Beweisthema, im Einzelnen genau zu bezeichnen hat (RS0039882), zieht der Revisionsrekurs grundsätzlich nicht in Zweifel, vermeint aber, die Anwendung dieses Rechtssatzes durch das Rekursgericht widerspreche – einer nicht näher definierten – „Gerichtspraxis“ und sei infolge ohnehin erstatteten Tatsachenvorbringens zu den einzelnen Personalbeweisen nicht anwendbar. Wenn das Rekursgericht aber im Ergebnis die Ansicht vertreten hat, der Fünftantragsteller habe zu den von ihm beantragten Personalbeweisen kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen (Beweisthema) erstattet, betrifft dies bloß die vertretbare Auslegung des Parteienvorbringens im Einzelfall, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828).
[6] 3. Im Verfahren über das Erbrecht hat das Gericht gemäß § 161 Abs 1 AußStrG den Sachverhalt im Rahmen des Vorbringens der Parteien und ihrer Beweisanbote zu ermitteln. Der Oberste Gerichtshof hat daher bereits festgehalten, dass der für das Zivilverfahren geltende Grundsatz, überschießende Feststellungen dürfen nur Berücksichtigung finden, soweit sie im Parteienvorbringen Deckung finden, auch im Verfahren über das Erbrecht gilt (2 Ob 135/20x). Auch hat der Oberste Gerichtshof bereits die mit der unterbliebenen Nennung eines (konkreten) Beweisthemas begründete Verwerfung einer auf die Nichtaufnahme eines Personalbeweises gestützten Verfahrensrüge unter Hinweis auf § 161 Abs 1 AußStrG gebilligt (vgl 2 Ob 219/20z). Wenn das Rekursgericht aufgrund des streitähnlichen Charakters des Verfahrens über das Erbrecht daher die zivilprozessualen Grundsätze über Beweisanträge anwendet, steht dies im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der klaren Regelung des § 161 Abs 1 AußStrG.
[7] 4. Soweit der Fünftantragsteller damit argumentiert, das Erstgericht hätte mit ihm die mangelnde Bestimmtheit der Beweisanträge erörtern und ihn zur Erstattung (weiteren) Tatsachenvorbringens anleiten müssen, releviert er damit erneut einen Verfahrensverstoß des Erstgerichts. Eine Verletzung der Anleitungspflicht wurde aber im Rekurs nicht geltend gemacht und kann daher bereits deshalb im Revisionsrekurs nicht nachgeholt werden (RS0043111 [T26]).
[8] Wenn der Revisionsrekurs argumentiert, durch die vom Rekursgericht (erstmals) vertretene Ansicht, die beantragten Personalbeweise seien mangels korrespondierender Angabe eines bestimmten Beweisthemas nicht aufzunehmen gewesen, überrascht worden zu sein, unterlässt er es, darzulegen, welches zusätzliche oder andere Tatsachenvorbringen er aufgrund der nicht beachteten Rechtsansicht erstattet hätte (RS0037095 [T4]). Auch im Revisionsrekurs wird kein Tatsachenvorbringen zu äußeren, von Zeugen wahrnehmbaren Umständen erstattet, die bei Auslegung der letztwilligen Verfügung eine Rolle spielen könnten, sondern im Wesentlichen lediglich – ohne Tatsachensubstrat – behauptet, aus den Aussagen hätte sich der wahre Wille des Erblassers ergeben. Es ist aber ausgeschlossen, Beweisaufnahmen zu beantragen, um erst aufgrund der dadurch erzielten Ergebnisse rechtlich erhebliche Tatsachen vorbringen zu können (RS0039881).
[9] 5. Wie eine letztwillige Verfügung auszulegen ist, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nicht schon dann vor, wenn eine andere Auslegung möglich gewesen wäre, sondern nur dann, wenn das von der zweiten Instanz gefundene Auslegungsergebnis bestehenden Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar ist (2 Ob 194/17v mwN).
[10] 5.1 Ob der Erblasser eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis wollte, ist durch Auslegung zu ermitteln. Es ist zu prüfen, ob der Erblasser den Bedachten zum Gesamtrechtsnachfolger oder Einzelrechtsnachfolger machen wollte, ob er ihm dem direkten Zugriff der Nachlassgläubiger aussetzen und ob er ihm einen direkten Zugriff auf das Nachlassvermögen einräumen wollte oder nicht (RS0012237). Die Bezeichnung einer letztwilligen Verfügung als Testament kann ein Indiz für die Einsetzung eines Erben sein (RS0012236 [T3]). Auch wenn der Erblasser einer oder mehreren bestimmten Personen alle wesentlichen Stücke seines Vermögens hinterlässt, liegt im Zweifel Erbeinsetzung und kein Vermächtnis vor (RS0012245). Für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung entscheidend. Auf den Todeszeitpunkt kommt es nicht an (RS0012245 [T2]; RS0014968). Immer dann, wenn aber (bloß) einzelne Sachen oder Rechte zugewendet werden, ist im Zweifel ein Vermächtnis anzunehmen (2 Ob 145/18i). Die Aufzählung einzelner Sachen spricht für die Annahme eines Legats (RS0012250 [T2]).
[11] Wenn die Vorinstanzen unter Anwendung dieser Grundsätze die letztwillige Anordnung vom 26. 4. 1980 mangels festgestellten „wahren Willens“ des Erblassers unter Hinweis auf die unterbliebene Verfügung über auch vorhandene, nicht unerhebliche Vermögenswerte (Gesellschaftsbeteiligungen, Sparvermögen) als Kodizill beurteilt haben, stellt dies keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.
[12] Der Hinweis des Revisionsrekurses auf 5 Ob 58/14m trägt bereits deshalb nicht, weil in der dort zu beurteilenden Verfügung angeordnet wurde, eine bestimmte Person solle „alles“ erhalten. Auch wenn – wie vom Revisionsrekurs behauptet – kein besonderes Naheverhältnis zu den gesetzliche Erben bestanden haben sollte, macht dies die Beurteilung der Vorinstanzen mangels Vorliegens einer Anordnung betreffend aller wesentlichen Vermögensstücke noch nicht unvertretbar, wird doch auch kein besonderes Naheverhältnis zum Fünftantragsteller behauptet, das allenfalls Erbeinsetzung nahe legen würde. Eine allfällige Äußerung des Erblasers, ihn bedenken zu wollen, lässt noch keinen Schluss darauf zu, ob dies im Vermächtnis‑ oder Erbweg erfolgen soll.
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