OGH 7Ob20/22z

OGH7Ob20/22z25.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P* GmbH, *, vertreten durch Mag. Thomas Kienbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Dr. Christian Tassul, Dr. Christoph Horvath, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 175.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgerichtvom 28. Oktober 2021, GZ 4 R 56/21s‑66, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 23. Februar 2021, GZ 59 Cg 9/19t‑59, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00020.22Z.0525.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass es insgesamt lautet:

„1. Es wird mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die beklagte Partei der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des zugunsten der klagenden Partei zwischen der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer und der beklagten Partei abgeschlossenen Excedentenhaftpflichtversicherungsvertrags zu Polizzennummer * für die aus den jeweiligen Abschlussprüfungen der T* AG zu den Daten 30. September 2009, 30. September 2010, 30. September 2011, 30. September 2012 und 30. September 2013 resultierenden Schadensfällen Deckungsschutz zu gewähren hat, wobei die Versicherungssumme für jeden dieser Schadensfälle gesondert zur Verfügung steht.

2. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 40.197,42 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 5.964,77 EUR USt und 6.404 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.571,02 EUR (darin enthalten 595,17 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 11.728,20 EUR (darin enthalten 428,70 EUR USt und 9.156 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte hat der Klägerin aufgrund eines mit der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (in der Folge KSW) abgeschlossenen Exzedentenhaft-pflichtversicherungsvertrags Deckung für Schäden zu gewähren, wenn bei einem Schaden die Leistung der von der Klägerin individuell abgeschlossenen Vermögensschaden-haftpflichtversicherung (Grunddeckung von 250.000 EUR pro Versicherungsfall) nicht ausreicht. Der Höhe nach ist die Leistungspflicht der Beklagten mit 2.180.185 EUR pro versichertem Ereignis begrenzt.

[2] Der Exzedentenversicherungsvertrag hat auszugsweise folgenden Inhalt:

Abschnitt II) Haftpflichtversicherung

[...]

2. Versicherungsfall:

2.1. Versicherungsfall ist der Verstoß (Handlung oder Unterlassung), den ein Mitglied der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit innerhalb des Berechtigungsumfanges des 1. Hauptstückes des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (WTBG) sowie nach dem Bilanzbuchhaltergesetz (BiBuG 2006) in der jeweils gültigen Fassung selbst begangen hat oder der durch Personen, für die es nach dem Gesetz einzutreten hat, begangen wurde und aus welchem dem versicherten Mitglied Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen können.

[...]

2.2 Serienschaden

Als ein Versicherungsfall gelten auch alle Folgen

2.2.1 eines Verstoßes;

2.2.2 mehrerer auf derselben Ursache beruhender Verstöße;

2.2.3 mehrerer auf gleichartigen Ursachen beruhender Verstöße, wenn zwischen diesen Ursachen ein rechtlicher, technischer oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.

[…]

Ausschlüsse:

10.1 Vorsatz

Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen der Personen, die den Schaden, für den sie von einem Dritten verantwortlich gemacht werden, rechtswidrig und vorsätzlich herbeigeführt haben.

Dem Vorsatz wird gleichgehalten

10.1.1 eine Handlung oder Unterlassung, bei welcher der Schadenseintritt mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden musste, jedoch in Kauf genommen wurde (z.B. im Hinblick auf die Wahl einer kosten- oder zeitsparenden Arbeitsweise);

[... ]

10.1.3 die wissentliche Abweichung von Gesetzen, Normen und sonstigen Vorschriften sowie Anordnungen des Auftraggebers oder der Vorgesetzten bzw. Organe des Dienstgebers.

[3] Die Klägerin prüfte auf Basis von jeweils jährlich abgeschlossenen Prüfverträgen in den Geschäftsjahren 2008/2009, 2009/2010, 2010/2011, 2011/2012 und 2012/2013 die Jahresabschlüsse und Konzernabschlüsse einer in der Teakholzbranche tätigen AG (in der Folge AG). Nachdem im Jahr 2015 über das Vermögen der AG das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, haben der Insolvenzverwalter und Anleihegläubiger Schadenersatzklagen in Millionenhöhe eingebracht, in denen sie der Klägerin vorwerfen, sie habe über mehrere Jahre hindurch zu Unrecht uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt.

[4] Die Klägerin war gemäß den mit der Beklagten geschlossenen Prüfverträgen verpflichtet, die Bereiche Bewertung der biologischen Vermögenswerte, Realisierbarkeit des Businessmodells, Wachstumsanalysen sowie die forstwirtschaftlichen Parameter „Bepflanzte Fläche“ und „Bestockungsdichte“ zu prüfen. Sie setzte jedes Jahr andere Prüfungsschwerpunkte, wobei sich diese erst bei der Planung der Prüfung ergaben. Die Klägerin führte zur tatsächlich bepflanzten Fläche im gesamten Zeitraum keine „originären“ Prüfungshandlungen durch, sondern beauftragte ihre Netzwerkpartnerin * in Costa Rica (in der Folge Netzwerkpartnerin) mit Audit Instructions, deren Ergebnisse im Prüfungsbericht der Klägerin verwertet wurden.

[5] Der bis 2010 auftragsverantwortliche Prüfer der Klägerin legte seiner Prüfungstätigkeit ein im September 2008 erstelltes Gutachten zu den biologischen Vermögenswerten zu Grunde, das er für plausibel erachtete. Er ging davon aus, dass Experten vor Ort Erhebungen zu den biologischen Vermögenswerten durchgeführt hatten.

[6] Das Gutachten enthielt den Bestand der Bäume sowie die Grundstücksflächen und bildete die Basis für die Ermittlung des zu erzielenden Ertrags. An Hand dieser Daten erstellten Forstexperten für die Klägerin Hochrechnungen, die Eingang in die Prüftätigkeit fanden. Die Klägerin führte selbst keine unmittelbaren Erhebungen durch, sondern analysierte die Daten des Gutachtens auf Plausibilität und ging die Parameter mit den Unternehmensorganen der AG durch. Da nicht jedes Jahr ein neues Gutachten zu den biologischen Vermögenswerten eingeholt wurde, verwendete die Klägerin in den Folgejahren die Daten des vorhandenen Gutachtens, prüfte nochmals die Plausibilität, setzte neue Faktoren ein und nahm sodann Berechnungen vor. Solche Parameter waren beispielsweise Überleitungen und Abschläge, die im Gutachten enthalten waren. Aufgrund der im Laufe der Zeit erworbenen Erfahrungswerte passten die Prüfer diese Schätzungsparameter den aktuellen Gegebenheiten an. Außerdem analysierte die Klägerin jährlich die Zinsentwicklung und passte auch den Zinssatz entsprechend an. Neben den biologischen Vermögenswerten waren Liquidität, Zinslandschaft, Risikoaufschläge und Risikoabschläge, Finanzierungssituation, Schlägerungen sowie der Marktpreis wesentliche Prüffaktoren, die die Klägerin jährlich überprüfte und neu bewertete.

[7] In der Prüfperiode 2010/2011 wechselte der auftragsverantwortliche Prüfer. Dieser legte fest, welche Basisdaten er von seinem Vorgänger übernahm und der Prüfung zugrundelegte. Er „durchleuchtete“ das erste Gutachten nicht, sondern kam zum Schluss, neue Parameter für eine vorsichtigere Bewertung anwenden zu müssen. Dabei nahm er etwa eine Pauschalwertberichtigung vor.

[8] Die Klägerin führte folgende Prüfungshandlungen in den jeweiligen Jahren durch:

[9] Im Geschäftsjahr 2008/2009 stützte sich die Klägerin hinsichtlich des Mengengerüsts und der Bewertung der biologischen Vermögenswerte auf das bereits vorhandene Gutachten des DI N* (erstes Gutachten), der sich dabei unter anderem auf eine Stellungnahme des Experten D* P* zu Menge, Qualität und Mortalität des Baumbestands stützte. Die Methodik des Verkehrswertgutachtens erschien ihr sachgerecht und mathematisch nachvollziehbar. Die Klägerin hatte zudem eine Abstimmung des Mengengerüstes mit den Basisdaten aus den Zähllisten vorgenommen sowie die rechnerische Überleitung mittels Verwendung eines Hochrechnungsfaktors der gezählten Bäume pro Sample Plot (Stichprobenfläche) auf die Gesamtanzahl der Bäume pro ha überprüft. Weiters führte sie statistische Abweichungsanalysen durch. Die Inventurbeobachtung nahm die Netzwerkpartnerin entsprechend den Audit Instructions der Klägerin vor.

[10] Im Geschäftsjahr 2009/2010 führte die Klägerin keine „originären“ Prüfungshandlungen zur tatsächlich bepflanzten Fläche durch. Die Inventurbeobachtung bzw die Ermittlung der Stichprobenflächen erfolgte wie im Vorjahr durch die Netzwerkpartnerin. Die übermittelten Unterlagen waren jedoch ausführlicher als im Vorjahr. Neben der stichprobenweisen „Nachmessung“ einzelner Bäume wurden umfangreiche Erhebungen zur Mortalitätsrate vorgenommen. Im Vergleich zum Vorjahr setzte sich die Klägerin auch mit der Plausibilität der Entwicklung der Anzahl der Bäume pro Sample Plot auseinander. Abweichend von der Prüfungsdokumentation zum 30. September 2009 fanden sich in den Unterlagen zum 30. September 2010 jedoch keine Zähllisten. Den Bewertungsparameter „Umtriebsdauer“ (erwarteter Zeitraum von der Bestandsbegründung bis zur Endnutzung durch Holzeinschlag) hat die Klägerin lediglich plausibilisiert, den Parameter „Abtriebsmenge“ (Holzertrag nach Fällung) ließ sie unverändert. Bei den Wachstumsklassen erfolgte zum 30. September 2010 eine Anpassung aus Vorsichtsgründen. Im Vergleich zur Prüfung zum 30. September 2009 waren die Prüfungshandlungen und die Dokumentation zum Thema Verkaufspreis für Teakholz somit deutlich umfangreicher, während die für die Plausibilisierung der Bewertung herangezogenen Kostensätze für die Plantagenbewirtschaftung im Wesentlichen dem Vorjahr entsprachen.

[11] Im Geschäftsjahr 2010/2011 beauftragte die AG ein weiteres Gutachten von DI N* (zweites Gutachten), der sich dabei auf eine neu erstellte Stellungnahme des Experten D* P* zu Menge, Qualität und Mortalität des Baumbestands stützte. Die Einbeziehung und das Reporting durch die Netzwerkpartnerin war dagegen im Wesentlichen ident zum Vorjahr. Das galt sowohl für die Prüfungshandlungen zu den Bewertungsparametern „Umtriebsdauer“ und „Abtriebsmenge“, als auch für die Prüfung der angesetzten Verkaufspreise für Teakholz. Hingegen setzte sich die Klägerin erstmals mit möglichen Schutzzonen sowie sonstigen genutzten Flächen zur allfälligen Berücksichtigung von Abschlägen auseinander. Die Klägerin stimmte das von der AG der Discounted Cash Flow-Bewertung zugrunde gelegte Mengengerüst mit der Baumanzahl aus den Wachstumsanalysen ab und führte zum Diskontierungszinssatz eine Weighted Average Cost of Capital (WACC)‑Berechnung durch, die methodisch der Vorgangsweise in den Vorjahren entsprach.

[12] Im Geschäftsjahr 2011/2012 entsprachen die Prüfungsanweisungen an die Netzwerkpartnerin und deren Prüfungshandlungen im Wesentlichen den Vorjahren. Anders als im Vorjahr nahm die Klägerin eine statistische Abweichungsanalyse zwischen den Zählungen der AG und denen der Netzwerkpartnerin vor. Hinsichtlich der Bewertungsparameter „Umtriebsdauer“ und „Abtriebsmenge“ entsprachen die von der Klägerin durchgeführten Prüfungshandlungen im Wesentlichen jenen im Geschäftsjahr 2010/2011. Zusätzlich enthielten die Prüfungsunterlagen zur „Umtriebsdauer“ sowie zur „Abtriebsmenge“ auch von Seiten der AG erstellte graphische Vergleiche des aktuellen Wachstums der F* U* mit diversen Wachstumsmodellen. Die Prüfungshandlungen im Zusammenhang mit dem Wachstums‑ bzw Sicherheitsabschlag, dem Diskontierungszinssatz und dem angesetzten Verkaufspreis entsprachen im Wesentlichen dem Vorjahr.

[13] Im Geschäftsjahr 2012/2013 beauftragte die AG einen weiteren Sachverständigen (J* S*) mit der Erstellung eines Bewertungsgutachtens (drittes Gutachten) betreffend ihre Teakbaumplantagen. Die Klägerin setzte sich mit dessen Gutachten ausführlich auseinander. Während die Prüfungshandlungen betreffend die Inventurbeobachtung dem Vorjahr entsprachen, waren nunmehr neben dem durch die AG erstellten Mengengerüst auch vollständige Zähllisten zu den auf den Plantagen eingerichteten Sample Plots im Prüfungsbericht enthalten. Zudem stimmte die Klägerin die Zähllisten mit dem Mengengerüst ab. Die Prüfungshandlungen in Bezug auf die Bewertungsparameter „Umtriebsdauer“ und „Abtriebsmenge“ entsprachen im Wesentlichen jenen im Geschäftsjahr 2011/2012. Zusätzlich hinterfragte sie Abweichungen der angenommenen „Abtriebs- und Durchforstungsvolumina“ durch das dritte Gutachten. Der Verkaufspreis wurde wie im Vorjahr „verplausibilisiert“. Zusätzlich setzte sich die Klägerin im Detail mit den im dritten Gutachten dargelegten Abweichungen zur Preisentwicklung auseinander und hinterfragte individuelle Anpassungen der Preise durch die AG in Abweichung von diesem Gutachten. Die zum 30. September 2013 deutlich höher angesetzten Kostensätze für Plantagenbewirtschaftung analysierte sie ebenso. Zudem befasste sich die Klägerin mit der Plausibilität der angenommenen Kostensätze. Zusätzlich zur bisher erfolgten WACC-Berechnung erfolgte auch eine Berechnung mit einem alternativen Zinssatz.

[14] Der Klägerin unterliefen in den Jahren 2008 bis 2013 nachstehende Fehler:

[15] Sie maß den Aussagen der forstwirtschaftlichen Gutachten, insbesondere zum Hochrechnungsfaktor, zu den bepflanzten Flächen und zum Abschlag aufgrund der topographischen Streckung, einen Gehalt bei, der aus diesen nicht ableitbar war. In Bezug auf die bepflanzten Flächen hätte sich die Klägerin nicht ohne weiteres auf die drei Gutachten samt Baumbestandsanalysen verlassen dürfen, weil es sich dabei nicht um geeignete Prüfungsnachweise für die Erlangung angemessener Prüfsicherheiten handelte. Die konkreten Prüfungsmängel bei der Verwertung der Gutachten waren inhaltlich vergleichbar, divergierten jedoch in den einzelnen Prüfungszeiträumen abhängig von den verfügbaren Gutachten. Die Klägerin berücksichtigte auch nicht die in den forstwirtschaftlichen Gutachten explizit angeführten Einschränkungen der gutachterlichen Aussagen aufgrund nicht geprüfter Basisdaten der AG zu den bepflanzten Flächen, dem Mengengerüst und den topographischen Gegebenheiten in angemessener Weise. Es fehlte insbesondere eine kritische Auseinandersetzung mit den inkonsistenten Bewertungsprämissen der forstwirtschaftlichen Gutachten. Schließlich hatte die Klägerin bezüglich der Angaben und Aussagen des Managements der AG keine ausreichend kritische Grundhaltung. Weiters zog sie die Berichte der Netzwerkpartnerin im Zuge der jährlichen Inventurteilnahme als Prüfungsnachweise für die Existenz des Gesamtbestands an Teakholzbäumen heran, obwohl daraus eindeutig hervorging, dass die Netzwerkpartnerin zur bepflanzten Fläche und zum Hochrechnungsfaktor sowie zur Hangneigung keine Prüfungshandlungen gesetzt hatte. Die Klägerin setzte sich zwar umfangreich mit einzelnen Bewertungsparametern des Businessmodells auseinander, nahm aber keine Gesamtbetrachtung vor und stellte auch keine Korrelationen zwischen den einzelnen Parametern her.

[16] Es kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin aufgrund von Kostenüberlegungen bewusst von der Durchführung lege artis geforderter Prüfungshandlungen absah.

[17] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ihr die Beklagte für Schäden aus den Jahresabschlussprüfungen der AG jeweils einzeln Deckungsschutz zu gewähren habe. Die Grundlage ihrer über mehrere Geschäftsjahre laufenden Prüfungstätigkeit seien jährlich jeweils neu abgeschlossene Prüfverträge gewesen. Darüber hinaus seien jedes Jahr eigenständige Prüfungshandlungen vorgenommen worden, weshalb kein Serienschaden vorliege. Die Serienschadenklausel sei im Übrigen gröblich benachteiligend und völlig unbestimmt. Eine vorsätzliche oder einem solchen Verhalten gleichzusetzende Herbeiführung des Versicherungsfalls liege nicht vor.

[18] Die Beklagte beantragt Klagsabweisung. Die Klägerin habe sich bei ihrer Prüfungstätigkeit jedes Jahr aufs Neue auf ein und dasselbe unzureichende Gutachten verlassen, ohne dieses einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Das habe zu einer fortgesetzten, sich über mehrere Jahresabschlüsse ziehenden Fehldarstellung der Vermögenswerte der Mandantin der Klägerin und schließlich zu deren Insolvenz geführt. Der Prüffehler sei daher in Ansehung aller Jahresabschlüsse jeweils auf dieselbe oder zumindest auf eine gleichartige Ursache zurückzuführen. Aufgrund des rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhanges der jährlichen Prüfungstätigkeit der Beklagten sei in Anwendung der Serienschadenklausel nur Deckung im Umfang der Abwehr von Ansprüchen zu gewähren. Darüber hinaus sei die Beklagte ohnehin wegen rechtswidriger und vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei, weil sich die Klägerin bewusst gewesen sei, nicht ihren beruflichen Verpflichtungen entsprochen zu haben.

[19] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine vorsätzliche oder diesem Verhalten gleichgestellte Herbeiführung des Versicherungsfalls habe nicht festgestellt werden können. Mangels Vorliegens auf derselben Ursache beruhender Verstöße und wegen des Fehlens eines rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhangs der Schadensursachen könne sich die Beklagte auch nicht auf die Serienschadenklausel berufen.

[20] Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klagsabweisung ab. Es würden mehrere, auf gleichartigen Ursachen beruhende Verstöße vorliegen, die zumindest in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stünden, weil zwischen den Jahresabschlüssen Bilanzkontinuität bestehe und die Klägerin jedes Jahr das gleiche Businessmodell geprüft und dabei stets Beurteilungen der Vorjahre auf deren Beständigkeit überprüft habe. Die Beklagte könne sich daher zu Recht auf die Serienschadenklausel berufen, sodass der behauptete Deckungsausschluss nicht behandelt werden müsse.

[21] Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur hier relevanten Variante der Serienschadenklausel Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle.

[22] Dagegen wendet sich die Revisionder Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[23] Die Beklagte beantragt in ihrerRevisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[24] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[25] 1. Bei der Haftpflichtversicherung ist der Versicherer gemäß § 149 VersVG verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser aufgrund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu bewirken hat (7 Ob 139/18v; 7 Ob 145/13v). Im vorliegenden Fall wird die Klägerin vom Insolvenzverwalter und von Anleihegläubigern auf Schadenersatz wegen unrichtig erteilter Bestätigungsvermerke in Anspruch genommen.

[26] 2.1. Nach der Rechtsprechung sind unter Allgemeinen Geschäftsbedingungen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat (RS0123499 [T2, T7]). Dazu zählen auch unter Verwendung von Textbausteinen im Wege automatischer Textverarbeitung erstellte Verträge, die bloß für den Einzelfall angepasst werden (RS0123499 [T5]). Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nur dann nicht vor, wenn Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind (RS0123499 [T2]).

[27] 2.2. Bei den in diesem Fall relevanten Bestimmungen (Art 2.2. und 10.1. Abschnitt II) des Versicherunsgvertrags (in der Folge AHVB‑KWT 2016) handelt es sich entgegen der Ansicht der Beklagten um Allgemeine Geschäftsbedingungen im oben genannten Sinn. Es gibt nämlich keinerlei Vorbringen oder aktenkundige Hinweise, dass diese Klauseln im Einzelnen ausgehandelt wurden, vielmehr sprechen die Parteien in erster Instanz übereinstimmend von den anwendbaren „Versicherungsbedingungen“.

[28] 3. Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]; RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insb T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

[29] 4.1. Die Beklagte hat dem Deckungsanspruch der Klägerin in erster Instanz den Einwand der vorsätzlichen oder diesem Verhalten gleichgestellten Herbeiführung des Versicherungsfalls (vgl Art 10.1 AHVB‑KWT 2016) entgegengesetzt und diesen in ihrer Berufung aufrechterhalten. Da der Versicherer im Deckungsprozess weitere Gründe nachtragen darf, schadet die erstmalige Geltendmachung im Prozess nicht (vgl 7 Ob 103/08k; 7 Ob 11/10h). Bei diesem Einwand handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um einen Risikoausschluss (vgl RS0081678 zu Art 7.2 AHVB 2011 und Abschnitt A Z 3 EHVB 2011). Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dieser Einwand müsse nicht behandelt werden, weil sich die Beklagte ohnehin erfolgreich auf die Serienschadenklausel stützen könne.

[30] 4.2. Dem kann nicht gefolgt werden:

[31] 4.2.1. Art 2.2.1 AHVB‑KWT 2016 sieht vor, dass (auch) alle Folgen eines Verstoßes als ein Versicherungsfall gewertet werden. Die Beklagte hat in ihrer Berufung die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach es sich bei den von der Klägerin unrichtig erteilten jährlichen Bestätigungsvermerken um jeweils eigene Verstöße handelt, nicht bekämpft, sodass auf diese selbständig zu beurteilende Rechtsfrage vom Obersten Gerichtshof nicht mehr einzugehen ist (RS0043338 [T13]).

[32] 4.2.2. Allerdings gelten nach Art 2.2.2 und 2.2.3 AHVB‑KWT 2016 auch alle Folgen mehrerer auf derselben Ursache beruhender Verstöße (reine bzw einfache Ursachenklausel) oder mehrerer auf gleichartigen Ursachen beruhender Verstöße als ein Versicherungsfall, wenn zwischen diesen Ursachen ein rechtlicher, technischer oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht (gemischte bzw erweiterte Ursachenklausel).

[33] 4.2.3. Zweck dieser Serienschadenklausel ist es, mittels einer Fiktion mehrere Versicherungsfälle unter bestimmten Voraussetzungen als einen Versicherungsfall zu behandeln, und so die vereinbarte Versicherungssumme nur einmal zur Verfügung zu stellen (RS0133573). Sie führt beim Versicherungsnehmer zu einer Schmälerung des Versicherungsschutzes und beim Versicherer trotz mehrerer Verstöße zu einer Begrenzung seiner Eintrittspflicht auf den Höchstbetrag. Sie beschränkt damit als Risikobegrenzungsklausel die Leistungspflicht des Versicherers zu Lasten des Versicherungsnehmers (7 Ob 68/21g mwN; vgl 7 Ob 135/21k).

[34] 4.2.4. Art 2.2.2 AHVB‑KWT 2016 setzt voraus, dass die mehreren Verstöße des Versicherungsnehmers auf derselben Ursache beruhen, also Ursachenidentität vorliegt (Maitz, AHVB/EHVB Art 1 AHVB 16; Fenyves, Die „Serienschadenklausel“ in der Vermögensschaden-haftpflichtversicherung, VR 2015, 31 [35]). Das Vorliegen einer gleichen oder gleichartigen Ursache genügt also nicht (BGH IV ZR 159/01 = NJW 2003, 511; Lücke in Prölls/Martin, VVG31 Abs 6 Z 6 AHB Rn 12; Harsdorf‑Gebhardt in Späte/Schimikowski, Haftpflichtversicherung2 Z 6 AHB Rn 17). Ursachenidentität liegt nur bei einer bloßen Multiplikation der Ursache ohne einen selbständigen Umsetzungsvorgang vor (Rintelen in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch3 § 26 Rn 332; Fenyves, VR 2015, 31 [35]).

[35] Dies ist hier aber gerade nicht der Fall: Es mag zwar sein, dass die Klägerin in Bezug auf die biologischen Vermögenswerte keine „originären“ Prüfungshandlungen setzte. Dieser Umstand ist aber nicht entscheidend, steht doch weiters fest, dass die Klägerin die relevanten Prüfungsfaktoren jährlich neu bewertete, in zeitlichen Abständen von zwei bis drei Jahren neue Gutachten einholte und darüber hinaus auch die vorliegenden Gutachten jährlich auf Plausibilität prüfte, jedes Jahr neue Faktoren einsetzte und sodann jährlich neue Berechnungen vornahm. Darüber hinaus ergibt sich aus den Feststellungen deutlich, dass die Klägerin in den einzelnen Geschäftsjahren auch unterschiedliche Prüfungshandlungen setzte. Die Unrichtigkeit der Bestätigungsvermerke war daher jedes Jahr auf gesonderte Prüfhandlungen der Klägerin zurückzuführen, sodass keine Ursachenidentität zwischen den Verstößen besteht.

[36] 4.2.5. Dagegen verlangt Art 2.2.3 AHVB‑KWT 2016 das Vorliegen von zwei Voraussetzungen: Es sind einerseits mehrere auf gleichartigen Ursachen beruhende Verstöße erforderlich, und es muss andererseits zwischen den Ursachen ein rechtlicher, technischer oder wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen.

[37] 4.2.5.1. Die Revision bestreitet nicht mehr, dass hier die einzelnen Verstöße auf „gleichartigen Ursachen“ beruhten, sodass auf diese Frage nicht mehr einzugehen ist.

[38] 4.2.5.2. Anders als bei vergleichbaren Bedingungen für Angehörige anderer in Kammern organisierter freier Berufe (vgl 7 Ob 70/14s [Art 3 Abs 1 lit c AVBV 1951]; 7 Ob 17/21g [Art 3 Abs 1 lit c AVBV 1992]; für Deutschland etwa Gräfe in Gräfe/Brügge/Melchers, Berufshaftpflichtversicherung für rechts- und steuerberatende Berufe3 349 ff), muss sich der rechtliche, technische oder wirtschaftliche Zusammenhang nicht auf die „betreffenden Angelegenheiten“, sondern auf die (gleichartigen) „Ursachen“ beziehen. Da die Beklagte in ihrer Berufung die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach ein rechtlicher Zusammenhang wegen der jährlich neu abgeschlossenen Prüfverträge zu verneinen ist, nicht bekämpft hat, ist auf diese selbständig zu beurteilende Rechtsfrage ebenfalls nicht mehr einzugehen (RS0043338 [T13]).

[39] 4.2.5.3. Mangels relevanten technischen Zusammenhangs bleibt daher zu prüfen, ob ein wirtschaftlicher Zusammenhang im oben genannten Sinn vorliegt.

[40] Fenyves,Die rechtliche Behandlung von Serienschäden in der Haftpflichtversicherung [1988] 36, führt zutreffend aus, dass es zwischen Ursachen zwar etwa einen zeitlichen Zusammenhang geben könne, nicht aber einen wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhang. Nach Ansicht des Fachsenats, ist die Klausel aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers daher dahin zu interpretieren, dass der wirtschaftliche oder rechtliche Zusammenhang zwischen den die jeweiligen Verstöße begründenden Handlungen oder Unterlassungen des Versicherungsnehmers, hier also zwischen den in den Jahren 2008 bis 2013 von der Klägerin vorgenommenen bzw unterlassenen Prüfungshandlungen, bestehen muss.

[41] Ein solcher ist jedoch im vorliegenden Fall zu verneinen: „Synergieeffekte“, die aus der wiederholten Beauftragung desselben Wirtschaftsprüfers entstehen, begründen hier keinen wirtschaftlichen Zusammenhang, weil es zwar sein mag, dass sich der Arbeitsaufwand des Prüfers bei Wiederbeauftragung in Folgejahren reduziert, er aber in jedem Jahr die pflichtgemäße Erfüllung der selbstständigen Prüfverträge schuldet (vgl 7 Ob 17/21g zum wirtschaftlichen Zusammenhang in Bezug auf „Angelegenheiten“). Darüber hinaus sind von den Jahresabschlussprüfungen mehrere Vermögensmassen betroffen, weil nicht nur der Auftraggeber, sondern auch Dritte (Anleihegläubiger), die auf den Bestätigungsvermerk vertrauten, Ansprüche gegen die Klägerin geltend machen. Auch der Umstand, dass der Jahresabschluss eines Jahres zwingend auf jenem des Vorjahres aufbaut, also etwa die Schlussbilanz des Vorjahres mit der Eröffnungsbilanz des Folgejahres übereinstimmen muss (Bilanzidentität – § 201 Abs 2 Z 6 UGB) oder einmal gewählte Gliederungen und Bezeichnungen der Bilanzpositionen sowie einmal gewählte Bewertungs- und Bilanzierungsmethoden grundsätzlich beizubehalten sind (Bilanzkontinuität bzw Bilanzierungsstetigkeit [vgl dazu etwa Urnik/Urtz/Rohn/Steinhauser in Straube/Ratka/Rauter 3 § 201 UGB Rz 16 ff]), begründet keinen wirtschaftlichen Zusammenhang, weil ansonsten im Fall von auf gleichartigen „Ursachen“ beruhenden unrichtig erteilten Bestätigungsvermerken – selbst bei, wie hier, jährlich neu geschlossenen Prüfverträgen und wechselnden Prüfungsschwerpunkten – stets auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestünde.

[42] Ausgehend davon, dass § 149 VersVG als Grundsatz die finanzielle Abdeckung der aus dem einzelnen Versicherungsfall erwachsenen Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers einem Dritten gegenüber als Gegenstand des Leistungsversprechens des Versicherers bestimmt, und unter Bedachtnahme darauf, dass Ausschlüsse als Ausnahmetatbestände nicht weiter ausgelegt werden dürfen, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031), widerspräche eine andere Auslegung den berechtigten Deckungserwartungen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers des betreffenden Berufszweigs, würde sie doch zu einer für den versicherten Wirtschaftstreuhänder nicht erkennbaren massiven Einschränkung bzw Lücke im Versicherungsschutz führen (vgl Gräfe in Gräfe/Brügge/Melchers, Berufshaftpflichtversicherung3 351).

[43] 4.2.5.5. Da somit auch Art 2.2.3 AHVB‑KWT 2016 nicht anzuwenden ist, muss weder die Ungewöhnlichkeit (§ 864a ABGB) noch die gröbliche Benachteiligung (§ 879 Abs 3 ABGB) der Klausel beurteilt werden, sondern steht der Klägerin die Versicherungssumme aus dem Vertrag nicht nur einmal, sondern für jeden der fünf Schadensfälle gesondert zur Verfügung.

[44] 4.3. Die Frage, ob zu Recht oder zu Unrecht die Deckung für mehrere Versicherungsfälle begehrt wird oder ob lediglich ein Serienschaden und damit ein Versicherungsfall vorliegt, ist keine Frage der Höhe des Anspruchs, sondern betrifft den Grund, nämlich ob und welcher Versicherungsfall gegeben ist (vgl 7 Ob 245/09v). Allerdings ist bei der Feststellungsklage der Zuspruch eines Minus zulässig (RS0037485). Daher hätte das Berufungsgericht selbst bei Anwendung der Serienschadenklausel das Feststellungsbegehren der Klägerin nicht zur Gänze abweisen dürfen, sondern mit einer Teilabweisung vorgehen müssen, soweit Deckung für mehr als einen Versicherungsfall begehrt wird (vgl 7 Ob 245/09v). Es ist daher ebenfalls zu klären, ob die Klägerin überhaupt einen Anspruch auf Deckung hat, also ob der von der Beklagten geltend gemachte Risikoausschluss vorsätzlicher oder diesem Verhalten gleichgestellter Herbeiführung des Versicherungsfalls greift.

[45] 5. Damit ist auch der Einwand der vorsätzlichen oder diesem Verhalten gleichgestellten Herbeiführung des Versicherungsfalls (Art 10.1 AHVB‑KWT 2016) zu prüfen:

[46] 5.1. Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe ihre Pflicht zur gewissenhaften Prüfung gemäß § 275 Abs 2 UGB verletzt, was ihr offensichtlich bewusst gewesen sei. Zur Konkretisierung dieser Pflicht des Abschlussprüfers seien auch die Verlautbarungen nationaler und internationaler Berufsorganisationen heranzuziehen. Die Klägerin habe sich entgegen der ihr bekannten Verpflichtungen offenbar auf das bereits im Jahre 2008 übergebene Gutachten zur Plausibilität des Businessmodells der geprüften Gesellschaft und der Werthaltigkeit des Vermögens beschränkt und keine weiteren kritischen Prüfungshandlungen auch bei den folgenden Jahresabschlüssen vorgenommen.

[47] 5.2. Ob ein bewusster Verstoß vorliegt, ist eine irreversible Tatfrage, die vom Obersten Gerichtshof nicht aufgegriffen werden kann (RS0073001 [T1]; Reisinger in Fenyves/Perner/Riedler, § 152 VersVG Rz 39). Hier konnte das Erstgericht nicht feststellen, dass die Klägerin aufgrund von Kostenüberlegungen bewusst von der Durchführung lege artis geforderter Prüfungshandlungen absah.

[48] Überdies hat die behauptungs‑ und beweispflichtige Beklagte (vgl RS0107031) nicht dargelegt, gegen welche konkreten Vorschriften die Klägerin verstoßen haben soll und woraus sich die bewusste Verletzung dieser Vorschriften oder die Inkaufnahme des Schadenseintritts ergibt. Insoweit liegt daher auch kein sekundärer Feststellungsmangel vor.

[49] 5.3. Der von der Beklagten behauptete Risikoausschluss liegt daher nicht vor.

[50] 6. Die Revision erweist sich daher als berechtigt. Es war in Stattgebung der Revision das Urteil des Erstgerichts mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen, um zu verdeutlichen, dass die Versicherungssumme für jeden Schadensfall gesondert zur Verfügung steht.

[51] 7. Der Kostenzuspruch an die Klägerin beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Revision steht der Klägerin lediglich ein ERV‑Erhöhungsbeitrag von 2,10 EUR zu (RS0126594).

Stichworte