European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00035.22B.0524.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die in einer Krankenanstalt tätige Klägerin stieg am 22. Februar 2018 während des Dienstes auf einen Sessel, um Gegenstände in ein Regal in ca 1,8 m Höhe einzuräumen. Dabei kam sie zu Sturz und zog sich eine Teilverrenkung des linken Sprunggelenks zu, die eine Arbeitsunfähigkeit von längstens acht Wochen zur Folge hatte. Eine darüber hinausgehende Minderung der Erwerbsfähigkeit ist mit dem Unfall nicht verbunden. Auf eine bereits bestehende chronische Instabilität des linken Sprunggelenks und die Notwendigkeit ihrer operativen Behandlung im Mai 2018 hatte der Unfall keinen Einfluss. Auch zusätzlich bestehende massive Vorschäden des linken Sprunggelenks, vor allem Teilrupturen von drei Bändern, wurden durch den Unfall nicht negativ beeinflusst.
[2] Mit Bescheid vom 13. Februar 2019 anerkannte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den Unfall als Arbeitsunfall und verneinte einen Anspruch auf Versehrtenrente.
[3] Die Vorinstanzen wiesen das auf Gewährung einer Versehrtenrente gerichtete Klagebegehren ab.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
[5] 1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können – auch in Sozialrechtssachen (RIS‑Justiz RS0043061) – in dritter Instanz nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RS0042963). Allerdings ist das Berufungsverfahren selbst mangelhaft, wenn sich das Berufungsgericht mit der Mängelrüge in der Berufung überhaupt nicht, bloß unzureichend oder nicht auf aktenmäßiger Grundlage befasst hat (RS0043144 [T7, T8]). Insofern können daher – wie die Klägerin meint – Verfahrensmängel erster Instanz auch „auf das Berufungsverfahren durchschlagen“. Dass dem Berufungsgericht bei Erledigung der Mängelrüge derartige Fehler unterlaufen wären, behauptet die Klägerin aber nicht. Vielmehr strebt sie eine inhaltliche Prüfung der vom Berufungsgericht herangezogenen Gründe für die Verneinung der Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens an, die im Revisionsverfahren aber nicht zu erfolgen hat (10 ObS 195/21f; 10 ObS 150/21p ua). Im Übrigen gehört die Frage, ob einem Gutachten gefolgt werden kann und ob eine Parteienvernehmung notwendig ist, zur (nicht revisiblen) Beweiswürdigung (RS0043320 [T1] ua).
[6] 2.1. Die Beantwortung der Frage, ob bestehende Beschwerden in medizinischer Hinsicht Folgen eines Unfalls sind, also die Feststellung der natürlichen Kausalität, gehört nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Tatsachenbereich und ist keine Rechtsfrage (RS0043534 [T2]). Mit der Behauptung, ihre eingeschränkte Leistungsfähigkeit – womit sie offensichtlich auf ihre schon zuvor bestehenden Sprunggelenksbeschwerden Bezug nimmt – gehe entgegen der Ansicht der Vorinstanzen wesentlich auf den Arbeitsunfall zurück, geht die Klägerin nicht von den getroffenen Feststellungen aus. Nach diesen besteht kein Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der Instabilität des linken Sprunggelenks, der Notwendigkeit der Operation sowie den Bänderrissen. Auf die von der Klägerin angesprochene Mitwirkung von (anlagebedingten) Vorschäden am Unfallschaden kommt es daher ebenso wenig an, wie auf Fragen der Verschlimmerung bestehender Leiden.
[7] 2.2. Die medizinische Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit bildet im Allgemeinen auch die Grundlage für deren rechtliche Einschätzung (RS0040554 [T4]). Wie die Klägerin richtig ausführt, kann jedoch zur Vermeidung von Härtefällen von der ärztlichen Einschätzung im Einzelfall abgewichen werden (RS0040554 [T8]; RS0043587). Abgesehen davon, dass die Klägerin nicht darlegt, worin in ihrem Fall eine unbillige Härte gelegen sein soll, kommt es darauf gar nicht an: Anspruch auf Versehrtenrente besteht nach § 203 Abs 1 ASVG nämlich nur dann, wenn die Erwerbsfähigkeit des Versehrten durch die Folgen eines Arbeitsunfalls über drei Monate nach dem Eintritt des Versicherungsfalls hinaus (um mindestens 20 vH) vermindert ist. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen ist hier schon diese (zeitliche) Voraussetzung nicht erfüllt, sodass der Grad der Minderung Erwerbsfähigkeit nicht mehr entscheidend ist. Er wurde von den Vorinstanzen deshalb auch nicht explizit festgestellt.
[8] 3. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.
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