European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00014.22S.0518.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus ihrem Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I 1 im Umfangder „Privatentnahmen“ von 4.857 Euro, demgemäß in der zum Schuldspruch I 1 gebildeten Subsumtionseinheit sowie demzufolge auch im Strafausspruch und im Zuspruch an die Privatbeteiligte, soweit dieser 118.933,32 Euro übersteigt, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * G* jeweils eines Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 3 erster Fall StGB (I 1), der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (I 2) und des Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146 StGB (II) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde und die amtswegige Maßnahme von Bedeutung –
I) vom 4. August 2015 bis zum 16. Dezember 2019 in G*
1) die ihm als Geschäftsführer der V* GmbH eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen oder sie zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch die genannte Gesellschaft am Vermögen geschädigt,wobei er durch die Tat einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte, indem er
- im Urteil näher dargestellte Waren im Wert von 4.857 Euro (US 5) für private Zwecke entnahm und
- „Tauschgeschäfte“ durchführte, nämlich im Urteil näher dargestellte Waren und Dienstleistungen der V* GmbH im Gesamtwert von 3.710 Euro (US 5 f) mit Leistungen von * K* und * R* an ihn selbst gegenrechnete, weiters
2) sich ein ihm als Geschäftsführer der V* GmbH von dieser anvertrautes Gut im Wert von mehr als 5.000 Euro mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er im Urteil im Einzelnen angeführte Fahrräder und Zubehörteile im Gesamtwert von 142.223,32 Euro (US 7 ff) auf eigene Rechnung verkaufte und den Verkaufserlös für sich behielt.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) zum Schuldspruch I 2 wurde der Antrag betreffend die Anklagefakten 43–48 (US 8) auf „Einholung des Lieferscheins bei der Firma V* hinsichtlich der 110 Stück umgelagerten Fahrräder […] zum Beweis dafür, dass tatsächlich nicht 110 Räder, sondern nur die tatsächlich im System auch erfassten Räder, angeliefert worden seien“ (ON 33 S 5), ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen (ON 33 S 6). Denn er ließ nicht erkennen, weshalb entgegen der Zeugenaussage der Sekretärin der Schr*r-*rt-GmbH, * R*, die nach Einsichtnahme in die Unterlagen angegeben hatte, es gebe bezüglich dieser vom Unternehmen Sc* nach G* umgelagerten 110 Stück Fahrräder keinen Lieferschein, sondern vielmehr – nach der Auftragserteilung ihrerseits – nur ein entsprechendes Mail des Unternehmens Sc* (ON 28 S 49), ein solcher Lieferschein existieren sollte und der Beweisantrag das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erbringen werde. Solcherart war er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (vgl RIS‑Justiz RS0099453, RS0099189 und RS0118444).
[5] Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).
[6] Die Mängelrüge (Z 5) und die Tatsachenrüge (Z 5a) zum Schuldspruch I 1 wenden sich gegen die Feststellung, wonach der Angeklagte durch die Tat einen Schaden von 8.567 Euro herbeiführte (US 7). Sie richten sich jedoch nicht gegen eine entscheidende Tatsache, weil selbst bei der im diesbezüglichen Beschwerdevorbringen angestrebten Berücksichtigung der angeblich üblichen Rabattierung für Fahrräder von (maximal) 15 % ein die Wertgrenze von 5.000 Euro übersteigender Schaden verbliebe (RIS‑Justiz RS0117499 [T5], RS0106268 [T4 und T7]).
[7] Im Übrigen haben die Tatrichter – wie die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) einräumt – die Feststellungen zur Schadenshöhe sehr wohl begründet (US 13). Dass diese Begründung den Beschwerdeführer nicht überzeugt, vermag keine Nichtigkeit herzustellen (RIS‑Justiz RS0118317 [T9] und RS0116732 [T6]).
[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
[9] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem angefochtenen Urteil – wie auch die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – im Schuldspruch wegen des Vergehens der Untreue (I 1) nicht geltend gemachte Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anhaftet, die dem Angeklagten zum Nachteil gereicht und daher von Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
[10] Die Tathandlung (des Sonderdelikts) der Untreue liegt in einer missbräuchlichen Vornahme oder Unterlassung eines Rechtsgeschäfts oder einer sonstigen Rechtshandlung als Ausübung der dem Machthaber eingeräumten Befugnis (RIS‑Justiz RS0095943). Ein rein faktisches Handeln zum Nachteil des Machtgebers ohne rechtlichen Charakter kommt als Tathandlung der Untreue, selbst wenn es durch einen Machthaber erfolgt, nicht in Betracht (RIS‑Justiz RS0094733 und RS0094545 [T8 und T9], Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 153 Rz 20 und 24). Diesen Tatbestandserfordernissen entsprechen die Feststellungen, wonach der Angeklagte als Geschäftsführer der V* GmbH im Urteil angeführte Waren im Gesamtwert von 4.857 Euro zu privaten Zwecken entnahm (US 5), nicht.
[11] Dieser Rechtsfehler führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
[12] Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.
[13] Der – nur die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde umfassende (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 12) – Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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