OGH 7Ob22/22v

OGH7Ob22/22v29.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, MMag. Matzka und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. T* E*, vertreten durch die Siarlidis Huber‑Erlenwein Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1.813,62 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 13. Oktober 2021, GZ 1 R 197/21y‑16, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 9. Juni 2021, GZ 1 C 265/20g‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00022.22V.0429.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Dieklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (darin enthalten 69,79 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Da der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist die Revision entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[2] 1.1. Der behauptete Mangel des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Eine Verletzung der Erörterungspflicht (§§ 182, 182a ZPO) liegt schon deshalb nicht vor, weil es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen (vgl ON 4, S 7, Punkt 4.9) erhoben hat (RS0122365).

[3] 1.2. Dass die Beklagte erklären wollte, dem Kläger stehe eine garantierte, lebenslange Pensionszahlung von monatlich 116,24 EUR ab dem Vertragsende zu, jedoch tatsächlich erklärte, dass dieser Betrag ab sofort zur Auszahlung gelangen könne, hat das Berufungsgericht als schlüssig zugestanden im Sinn des § 267 Abs 1 ZPO angenommen. Nahm das Gericht zweiter Instanz – wie hier – erstmals ein schlüssiges Geständnis an, kann dies vor dem Obersten Gerichtshof als Verfahrensmangel releviert werden (RS0040078 [T7]). Einen solchen Mangel des Berufungsverfahrens macht der Kläger in seiner Revision jedoch nicht geltend.

[4] 2. Der Kläger schloss bei der Beklagten eine prämienbegünstigte Zukunftsvorsorge ab. Im Juli 2019 übermittelte die Beklagte dem Kläger ein mit „Verfügungsmöglichkeiten“ betiteltes Schreiben. In Punkt 2. dieses Schreibens wollte die Beklagte erklären, dass dem Kläger eine garantierte, lebenslange Pensionszahlung von monatlich 116,24 EUR ab dem Vertragsende zusteht, erklärte jedoch, dass dieser Betrag ab sofort zur Auszahlung gelangen könne. Der Kläger nahm durch seinen Makler mit E‑Mail vom 22. November 2019 das Angebot ausdrücklich im Sinn einer „garantierten, lebenslangen sofort beginnenden Pensionszahlung in der Höhe von 116,24 EUR“ an. Der Kläger strebt in diesem Verfahren zusammengefasst eine mit 1. Jänner 2020 beginnende monatliche Pensionszahlung in Höhe von 116,24 EUR an.

[5] 4. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe den Irrtum der Beklagten über den Beginn der monatlichen Pensionszahlung durchschaut, ist nicht korrekturbedürftig, erwähnt sein Makler doch einerseits in der E‑Mail vom 20. November 2019, „Laut [Beklagter] handelt es sich unter Punkt 2. jedoch um eine Rentenauszahlung erst ab Pensionsbeginn. [...] Das könnte möglicherweise auch rechtlich spannend werden, weil das Angebot sehr eindeutig ist, 'sofort beginnend' […]“ und stellt der Kläger andererseits die Wissenszurechnung des Maklers an ihn in der Revision nicht in Frage (vgl im Übrigen RS0114041 [T8]).

[6] 5. Im Fall eines durchschauten Irrtums kommt nach der Rechtsprechung der Vertrag nicht auf der Basis des irrtümlich Erklärten, sondern im Sinn des vom Erklärenden (hier: der Beklagten) tatsächlich Gewollten zustande (RS0014050; RS0014808; zuletzt 7 Ob 16/19g), also im Sinn einer Pensionszahlung ab Vertragsende.

[7] 6. Die Entscheidung des Berufungsgerichts bedarf daher keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

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