European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00036.22Z.0420.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger erlitt am 30. September 2019 einen Arbeitsunfall, als er bei Reparaturarbeiten aus dem hinteren Teil seines Servicewagens sprang und in einer Drehbewegung zu Sturz kam.
[2] Die Vorinstanzen stellten fest, dass sich der Kläger dabei eine Prellung des rechten Ellenbogens und eineVerstauchung des rechten Kniegelenks zugezogen hat.Zudem hat der Unfall das rechte Kreuzband „zum schleichenden Zusammenhangstrennen initiiert“. Da der Unfallmechanismus ungeeignet ist, ein festes oder auch ein altersmäßig verändertes Kreuzband zum Reißen zu bringen, muss zum Zeitpunkt des Unfalls bereits eine Vorschädigung mit Ausdünnung des rechten hinteren Kreuzbandes vorgelegen sein.
[3] Auf dieser Grundlage verpflichtete das Erstgericht die beklagte Allgemeine Unfall‑versicherungsanstalt, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls eine Versehrtenrente in Höhe von 20 % der Vollrente für die Zeit von 22. Oktober 2019 bis 30. April 2020 zu leisten. Das Mehrbegehren, die Versehrtenrente in einem höheren Ausmaß und über den 30. April 2020 hinaus zu leisten, wies es dagegen ab. Der klagestattgebende Teil der Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
[4] Das Berufungsgericht gab der (gegen die Teilabweisung erhobenen) Berufung des Klägers nicht Folge. Soweit hier von Interesse führte es nach Verwerfung einer Mängel- und Beweisrüge aus, dass der Arbeitsunfall für den Riss des rechten Kreuzbandes nicht kausal gewesen sei.
Rechtliche Beurteilung
[5] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[6] 1. Vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz können nach ständiger Rechtsprechung – auch in Sozialrechtssachen (RS0043061) – in dritter Instanz nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden (RS0042963).
[7] 1.1. Der Oberste Gerichtshof teilt die Ansicht des Klägers, dass sich (auch) das Berufungsgericht nicht ausreichend mit den (gerügten) Widersprüchen zwischen dem durch eine Versicherung eingeholten Gutachten und dem im Verfahren erstatteten Sachverständigengutachten auseinander‑gesetzt habe. Die Beurteilung, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden muss (RS0043320), ob ein Sachverständigengutachten erschöpfend ist und die getroffenen Feststellungen stützt (RS0043163) oder ob ein Vorgehen nach § 362 Abs 2 ZPO notwendig ist (RS0113643), fällt in den Bereich der vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbaren Beweiswürdigung.
[8] 1.2. Mit dem weiteren Vorwurf, das Erstgericht habe zu Unrecht von der Parteieneinvernahme des Klägers abgesehen, hat sich schon das Berufungsgericht auseinandergesetzt, sodass er nicht mehr mit Erfolg an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann. Zudem gehört auch die Frage, ob noch weitere Beweisaufnahmen wie etwa die Einvernahme der Parteien vorzunehmen gewesen wären, zur Beweiswürdigung (RS0043320 [T1]).
[9] 2. Der Rechtsrüge legt der Kläger zugrunde, dass der unfallchirurgische Sachverständige die Kausalität des Unfalls vom 30. September 2019 für die Kreuzbandoperation nichtbezweifelt habe. Darauf aufbauend sei auszuschließen, dass die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit tatsächlich nur bis 30. April 2020 vorgelegen habe, weil er erst am 30. Juni 2020 am Kreuzband operiert worden (und bis dahin arbeitsunfähig gewesen) sei. Dem Sachverständigen sei daher ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze und gegen zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen.
[10] Allerdings lässt der Kläger in seiner Argumentation die Grundsätze der Zurechnung eines Unfallschadens zur gesetzlichen Unfallversicherung außer Acht:
[11] Selbstverständlich war der Sprung aus dem Wagen für den Kreuzbandriss kausal. Das reicht für die begehrteRente aber nicht aus. Dafür wäre zusätzlich erforderlich, dass die Auswirkungen des Unfalls auch rechtlich eine wesentliche (Teil‑)Ursache des eingetretenen Leidenszustands sind (vgl RS0084247; Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm Vor §§ 174–177 ASVG Rz 50). Das ist der Fall, wenn die (in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende) Ursache eine „wesentliche Bedingung“ für den Eintritt des Körperschadens war (RIS‑Justiz RS0084308 [T4]). Wesentlich ist eine Bedingung aber nicht, wenn die Schädigung durch ein alltäglich vorkommendes Ereignis zu annähernd gleicher Zeit und in annähernd demselben Ausmaß ausgelöst werden hätte können (RS0084345). Wirkt daher neben der Ursache aus dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung auch eine Vorerkrankung (Vorschädigung) am Eintritt des Gesundheitsschadens mit, wird der Schaden nur dann der Unfallversicherung zugerechnet, wenn er ohne den Umstand aus der Gefahrensphäre der Unfallversicherung erheblich später oder erheblich geringer eingetreten wäre (RS0084308 [T3]). Das trifft hier aber nicht zu. Denn die auf den Ausführungen des Sachverständigen beruhenden Feststellungen bringen zum Ausdruck, dass beim Kläger eine so leicht ansprechbare Veranlagung vorlag, dass der Riss des rechten Kreuzbandes auch durch jedes andere alltägliche Ereignis ausgelöst werden hätte können, die Einwirkung also bloß Gelegenheitsursache war (RS0084318). Der Riss des rechten Kreuzbandes fällt demnach nicht in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung.
[12] 3. Vor diesem Hintergrund versagt auch der Einwand, es hätte weiterer Feststellungen zu den Folgen und Auswirkungen des Kreuzbandrisses bedurft. Zu der maßgeblichen tatsächlichen Frage, welche Beschwerden in medizinischer Hinsicht Folgen des Unfalls sind, liegen ausreichende Feststellungen vor.
[13] 4. Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen.
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