OGH 8Ob37/22g

OGH8Ob37/22g30.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*, vertreten durch Gütlbauer Sieghartsleitner Pichlmair Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. Ing. W* und 2. P*, und 3. O*, alle vertreten durch Dr. Walter Breitwieser und Mag. Paul Max Breitwieser, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterlassung, Feststellung und 1.231,60 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. November 2021, GZ 6 R 142/21a‑21, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 26. Juli 2021, GZ 8 Cg 50/20d‑17, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00037.22G.0330.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagendePartei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.532,04 EUR (darin 255,34 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Eigentümer eines Grundstücks, auf dem sich ein Acker befindet. Der Erst‑ und die Zweitbeklagte sind Eigentümer des angrenzenden Grundstücks, das von der Drittbeklagten angemietet wurde, um darauf ein Betriebsgebäude zu errichten.

[2] Der Kläger begehrt von den Beklagten die Unterlassung der Nutzung seines Grundstücks, die Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden, die Zahlung von 231,60 EUR für die Beschädigung eines Grenzpunktes und die Zahlung von 1.000 EUR für die unberechtigte Nutzung seines Grundstücks. Die Beklagten hätten auf seiner Ackerfläche Bauarbeiten durchgeführt und dabei das Gelände verändert, Abfälle hinterlassen und eine Grenzmarkierung beschädigt.

[3] Die Beklagten wendeten unter anderem ein, dass die Arbeiten von einem Bauunternehmen durchgeführt worden seien und sie von den Eingriffen in das Eigentum des Klägers nichts gewusst hätten.

[4] Das Erstgericht sprach dem Kläger ein Nutzungsentgelt von 1.000 EUR zu und wies das darüber hinausgehende Klagebegehren ab. Es stellte insofern fest, dass die Beklagten das Bauunternehmen angewiesen haben, hinsichtlich der Grundstücksgrenze das Einvernehmen mit dem Kläger herzustellen und sein Grundstück nicht zu betreten, und dass sie von den späteren Grenzverletzungen des Bauunternehmens keine Kenntnis hatten. Rechtlich beurteilte das Erstgericht dies dahin, die Beklagten hätten alles Mögliche und Zumutbare unternommen, um die Störung zu unterbinden.

[5] Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und ließ die Revision nachträglich mit der Begründung zu, es könne eine Abweichung des Berufungsurteils von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung vorliegen.

[6] Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Der Kläger releviert mit seiner Revision, das Berufungsgericht habe seine Verfahrensrüge wegen der unterbliebenen Einholung von Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Landwirtschaft und des Vermessungswesens mit unhaltbarer und aktenwidriger Begründung verworfen. Da die Vorinstanzen die Verantwortung der Beklagten für die Eigentumsverletzungen durch das beauftragte Bauunternehmen verneinten, kommt den auf das Ausmaß der vom Kläger erlittenen Beeinträchtigungen abzielenden Beweisanträgen von vornherein keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weshalb die Verfahrensrüge schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben kann (RIS‑Justiz RS0043049).

[8] 2. Soweit der Kläger meint, das Berufungsgericht wäre in seiner rechtlichen Beurteilung nicht von den Feststellungen des Erstgerichts ausgegangen, ist ihm entgegenzuhalten, dass sich die Annahmen des Berufungsgerichts auf die – teils disloziert getroffenen – Feststellungen des Erstgerichts stützen. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall begründet keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891).

[9] 3.1. Die Eigentumsfreiheitsklage nach § 523 ABGB kann auch gegen den mittelbaren Störer erhoben werden, der den Eingriff veranlasst hat, indem er durch Handlungen oder Unterlassungen die Voraussetzung für die Störung durch Dritte schafft (RS0011737 [T5, T11]). Die Unterlassungspflicht schließt nämlich auch die Verpflichtung ein, auf Dritte im Sinne der Unterlassung einzuwirken (RS0011737). Eine Verantwortlichkeit des mittelbaren Störers setzt aber voraus, dass er die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hat, die störenden Handlungen Dritter zu steuern und gegebenenfalls zu verhindern (RS0011737 [T18, T20, T32]; RS0103058).

[10] 3.2. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers ist eine Abweichung des Berufungsgerichts von der bisherigen Rechtsprechung nicht ersichtlich. Die Frage, ob die Beklagten alles Mögliche und Zumutbare unternommen haben, die Störungen durch das Bauunternehmen zu verhindern, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig (9 Ob 29/19h). Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagten, die keine Kenntnis von den bloß eher vereinzelt und nur kurz erfolgten Grenzverletzungen des beauftragten Bauunternehmens hatten, angesichts der diesem Unternehmen zuvor erteilten Anweisungen alles Mögliche und Zumutbare unternommen hätten, um die Störungen zu verhindern, hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

[11] 4. Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[12] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4150 ZPO.

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